Hamburg. Der SV Darmstadt 98 kann für die Bundesliga rüsten - und dem Kiezclub als Vorbild dienen. Doch dessen Leistungsträger sind begehrt.
Niederschlagsmenge: null Liter pro Quadratmeter. Regenrisiko: null Prozent. Mit anderen Worten: geläufiges Habitat für Andreas Bornemann. Der Sportchef kennt die Bedingungen, die seinen FC St. Pauli an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) beim designierten Bundesligaaufsteiger SV Darmstadt 98 erwarten, von einem momentan staubtrockenen Transfermarkt bestens.
Doch der 51-Jährige bereitet sich auf die unvermeidliche Flut von ein- und ausgehenden Offerten vor, bastelt im Hintergrund akribisch daran, St. Pauli Darmstadts Beispiel nachzufolgen. Aber noch ruht der See still.
St. Pauli: Nur Abgang von Paqarada steht bereits fest
Denn solange nicht feststeht, wer aus der Bundesliga absteigt und wer die Zweite Liga in Richtung Beletage verlässt, verliert, wer als Erster zuckt. Müssten, wonach es derzeit aussieht, die wirtschaftlich überlegenen FC Schalke 04 und Hertha BSC runter, und bliebe der HSV dem Unterhaus erhalten, verringert dies die Chancen auf einen Aufstieg massiv. Der Angriff auf dem Transfermarkt könnte verpuffen. Die Situation würde sich bei einem Abstieg des VfL Bochum ändern.
Offen kommuniziert wurde ein Aufstiegsziel bei St. Pauli nicht. Allerdings ist nicht nur dem ambitionierten Cheftrainer Fabian Hürzeler, der sich schnell einen Namen auf dem Trainermarkt gemacht hat, in der Rückrunde gewahr geworden, welches Potenzial in einem Team steckt, das zur kommenden Serie bislang nur Leart Paqarada (1. FC Köln) sicher verliert. Wobei das „nur“ im Fall des überragenden Co-Kapitäns ein gewaltiges ist.
Medic kann Dominoeffekt auslösen
Dass es sich lohnt, die Mannschaft in weiten Teilen zusammenzuhalten, beweist kaum ein Club besser als Darmstadt. „Die Kontinuität im Kader, aber auch im Trainer- und Funktionsteam ist eine große Stärke, die uns auch hilft, taktisch flexibel reagieren zu können, da Grundlegendes dem Großteil bekannt ist“, sagte Darmstadts sportlicher Leiter Carsten Wehlmann dem Abendblatt bereits vor dem Hinspiel Ende Oktober. Beständigkeit im Team zu wahren, ist eine der Zielsetzungen St. Paulis, wenngleich nicht um jeden Preis. Es gibt zudem Überlegungen, den Trainerstab zu vergrößern.
Ein Dominostein, der eine Kettenreaktion in Gang setzen würde, ist Jakov Medic. Der Innenverteidiger geht in sein letztes Vertragsjahr. Schon vergangenen Sommer gab es ein Angebot aus der Bundesliga vom VfB Stuttgart, das wegen der hohen Ablöseforderungen St. Paulis nicht im Transfer mündete. Nach einer Saison, in der Medics Leistungen auf einem stabil hohen Niveau geblieben sind, ist der Kroate weiterhin im Blickfeld von Bundesligisten und ausländischen Clubs.
Verpflichtung von Wahl hängt an Budgetierung
Klar ist: Für weniger als zwei Millionen wird der 24-Jährige nicht zu haben sein. Ebenso steht fest: Gehen nur Angebote von Bundesligaabsteigern ein, würde Medic voraussichtlich seinen Vertrag bei St. Pauli erfüllen. Eine Verlängerung scheint angesichts seiner Ambitionen und seines Potenzials ausgeschlossen, der Zeitpunkt dafür wurde anscheinend im Vorjahr verpasst.
Auch von einem möglichen Verkauf wird abhängen, wie die Budgets für die kommende Spielzeit anteilig auf Transferausgaben und Gehälter aufgeteilt werden. Ein Grund, weswegen eine mögliche Verpflichtung von Holstein Kiels Hauke Wahl bislang noch nicht abgeschlossen ist. Mit dem Innenverteidiger, der Hürzeler zum persönlichen Gespräch getroffen hat, besteht nach Abendblatt-Informationen aber zumindest weitgehend Einigkeit.
Thom Haye im Fokus des FC St. Pauli?
Ins Fabelreich lässt sich hingegen die Twittermeldung verbannen, wonach St. Pauli Interesse an Linksaußen Ryan Kent habe, dessen Vertrag bei den Glasgow Rangers im Sommer ausläuft. Das Gehalt des 26 Jahre alten Engländers wäre unmöglich zu stemmen, zudem gibt es wesentlich hochrangigere Interessenten.
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Gleiches sollte für das Gerücht um den defensiven Mittelfeldspieler Thom Haye vom niederländischen SC Heerenveen gelten. Eine Verpflichtung des 28-Jährigen würde nur Sinn ergeben, wenn auf seiner Position einer aus dem Trio Jackson Irvine – absolut undenkbar –, Afeez Aremu und Eric Smith, der seinen Vertrag kürzlich bis 2025 verlängert hat, gehen würde.
Smith bei Mainz 05 auf dem Zettel
Der Konjunktiv ist an dieser Stelle allerdings nicht grundlos gewählt, da nach Abendblatt-Informationen Erstligist FSV Mainz 05 Smith sehr genau beobachtet. Mit der Verlängerung des ursprünglich 2024 terminierenden Arbeitspapiers wollte sich St. Pauli absichern, den Schweden nur an einen finanziell potenten Club verlieren zu können. Aber: Dass es diesen Sommer bereits so weit kommt, ist unwahrscheinlich, da Smith besonders unter Hürzeler in der Defensive sowie vor allem im Spielaufbau der nahezu wichtigste Akteur ist.
Auf den vielleicht besten Spieler der Rückrunde wiederum trifft Ähnliches zu. Manolis Saliakas soll sich „ins Notizbuch von der Bundesligisten und Teams aus dem Ausland“ gespielt haben, wie dem Abendblatt berichtet wurde. Der Grieche ist ebenfalls bis 2025 an den Kiezclub gebunden. Wie bei Smith müsste das Angebot deutlich nördlich der Zwei-Millionen-Marke liegen.
St. Pauli sucht Mittelstürmer und Linksverteidiger
Dass St. Pauli den Rechtsverteidiger-Markt sondiert, liegt primär daran, dass über die Zukunft von Luca Zander auf dieser Position noch keine Entscheidung gefallen ist. Der nach dem Langzeitverletzten Christopher Avevor seit 2019 am längsten beschäftigte St. Paulianer befindet sich laut seines Managements in ergebnisoffenen Gesprächen mit den Hamburgern sowie anderen Clubs.
Priorität hat jedoch neben der Verpflichtung eines Linksverteidigers ein Mittelstürmer – der wie Darmstadts Toptorjäger Phillip Tietz aus der Dritten Liga kommen könnte. So sollen St. Paulis Scouts mehrfach in Osnabrück gewesen sein, wo Ba-Muaka Simakala (18 Tore) und Erik Engelhardt (11) reüssieren. Auch Ivan Prtajin (13) von Wehen Wiesbaden könne ein Kandidat werden. Im Gegenzug sei ein Verkauf des glücklosen Johannes Eggestein nicht auszuschließen.
Reichlich Arbeit also für Bornemann – auf bekanntem Terrain. Mit anderen Worten: null Problem.
SV Darmstadt 98: Schuhen – Pfeiffer, Zimmermann, Müller – Bader, Marvin Mehlem, Schnellhardt, Karic – Tietz – Manu, Honsak.
FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Medic, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Paqarada – Metcalfe, Daschner, Afolayan.