Hamburg. Nikola Vasilj ist ein Gesicht des Aufschwungs beim FC St. Pauli. Für 2024 hat der Bosnier noch einen großen Traum.

Die grünen Flecken an seinem Trainingsdress zeugen noch von der Arbeit der jüngsten 100 Minuten, als Nikola Vasilj am Mittwochmittag nach der Übungseinheit zum Gespräch kommt. Der Torwart des FC St. Pauli hat mal wieder alles gegeben, ist links und rechts nach Bällen gesprungen, hat sich den auf ihn zustürmenden Gegnern mit seinen imposanten 1,93 Metern Körpergröße entgegengestellt und hat abgefangene Bälle schnell wieder ins Spiel gebracht.

„Ich war nie in einer besseren Verfassung“, sagt der 27 Jahre alte Keeper, der im Sommer 2021 vom ukrainischen Club Sorja Luhansk ans Millerntor kam und seither die Nummer eins ist, auch wenn er auf dem Trikot die 22 trägt. „Ich will mich aber immer noch weiter verbessern“, schiebt er schnell hinterher.

St. Pauli hat noch eine kleine Chance auf Platz drei

Es soll bloß nicht der Eindruck einer zu großen und damit potenziell lähmenden Zufriedenheit entstehen. Schon gar nicht jetzt, da die letzten vier Saisonspiele in der Zweiten Liga bevorstehen und der FC St. Pauli immer noch eine Chance auf Rang drei hat, auch wenn diese klein und längst nicht nur vom eigenen Erfolg abhängig ist.

Auf jeden Fall gilt es, eine bisher herausragende Rückrunde so zu Ende zu führen, dass sie über Jahre im Gedächtnis und der Clubgeschichte haften bleibt. Es besteht kein Zweifel, dass Nikola Vasiljs konstant gute Leistungen ein entscheidender Faktor dafür sind, dass der FC St. Pauli elf der bisher 13 Ligaspiele seit dem Jahresbeginn für sich entscheiden konnte.

In sieben dieser Spiele blieb der Bosnier ohne Gegentor. Das schaffte sonst nur Heidenheims Keeper Kevin Müller. Marcel Schuhen von St. Paulis kommenden Gegner SV Darmstadt 98 behielt in der Rückrunde bisher in sechs Partien eine „weiße Weste“.

Nikola Vasilj lobt Torwarttrainer Marco Knop

Zu Weihnachten, als er mit seinem Team noch in Abstiegsgefahr schwebte, habe er sich zwar einen derartigen Aufschwung in seiner Fantasie vorstellen können, erzählt er. „Aber, um ehrlich zu sein, hätte ich es schon für ziemlich überraschend gehalten, wenn das auch passiert“, gibt Vasilj zu. „Deshalb können wir stolz darauf sein, was wir bisher schon erreicht haben. Wir haben uns in vielen verschiedenen Bereichen sehr verbessert.“

Diese Einschätzung trifft nicht nur auf die ganze Mannschaft vor allem in Bezug auf die kollektive defensive Disziplin zu, sondern auch ganz individuell auf Vasilj selbst. „Die Arbeit mit Marco hat mir sehr viel gebracht“, betont er und meint den im vergangenen Sommer als neuen Torwarttrainer verpflichteten Marco Knoop (44).

„Ich habe mich durch ihn vor allem in der technischen Ballbehandlung und auch in taktischer Hinsicht verbessert. Ich finde jetzt mehr die freien Räume, in denen wir spielen können“, berichtet er.

Vasilj gefällt es, ins Aufbauspiel eingebunden zu sein

Zu der von Cheftrainer verordneten Taktik gehört es, sich von hinten heraus zu kombinieren und weitgehend auf lange Schläge nach vorn zu verzichten. Bei diesem, oft sehr riskant aussehenden Passspiel im und vor dem eigenen Strafraum muss Vasilj regelmäßig als elfter Feldspieler agieren.

„Ich liebe das“, sagt er. „Mir macht das mehr Spaß, als nur im Tor zu stehen.“ Dabei ist ihm die Gefahr bewusst, dass ein leichter technischer Fehler fatale Folgen in Form eines einfachen Gegentores haben kann. „Das ist eine Herausforderung. Aber ich mag das sehr“, betont er. Bisher ist es gut gegangen.

Nach dem letzten Spieltag und – ganz vielleicht – den Relegationsspielen um den Bundesligaaufstieg wird für Vasilj die Saison noch längst nicht zu Ende sein. Mit der Nationalmannschaft von Bosnien-Herzegowina stehen am 17. und 20. Juni in Portugal und gegen Luxemburg noch Qualifikationsspiele für die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Deutschland auf dem Programm

St. Paulis Keeper will mit Bosnien an der EM teilnehmen

„Wir haben eine gute Chance, hinter Portugal Zweiter in unserer Gruppe J zu werden“, sagt Vasilj, auch wenn es zuletzt eine 0:2-Niederlage in der Slowakei gab. „Wir haben die Qualität dafür in unserer Mannschaft. Für mich wäre es ein Traum, hier in Deutschland an der EM teilzunehmen.“ Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für sein seit 1992 wieder eigenständiges Land wäre die Qualifikation für die EM-Endrunde eine Premiere.

Als das Gespräch beendet ist, befreit Vasilj seine Finger von diversen Tapes und warnt schon einmal vor, dass sein linker kleiner Finger, der beim Training und in den Spiel fest mit dem Ringfinger verbunden ist, „nicht gut aussieht“. Es war der Finger, den er sich unmittelbar vor dem ersten Saisonspiel gebrochen hatte, woraufhin er sieben Pflichtspiele verpasste.

Der kleine Finger ist noch vom Bruch lädiert

Den kleinen Finger kann er seither nicht mehr gerade ausstrecken, das ist jetzt quasi das Markenzeichen seines Einsatzes. So wie es auch die grünen Rasenflecken auf seinem Dress sind. Die allerdings sind am nächsten Morgen – den Zeugwarten sei Dank – wieder verschwunden.