Hamburg. Die Profis des FC St. Pauli wollen nicht schon wieder als Verlierer hautnah miterleben, wie der Gegner in die Bundesliga aufsteigt.

Wer spielt schon gern eine Statistenrolle, wenn er sich auch die des Hauptdarstellers zutraut? Bereits zum dritten Mal in den vergangenen acht Jahren droht den Spielern des FC St. Pauli genau dieses Szenario. Am kommenden Sonnabend, zur Primetime um 20.30 Uhr, startet im Darmstädter Stadion am Böllenfalltor der Spielfilm, an dessen Ende sich die Platzhirsche des SV Darmstadt 98 als Bundesligaaufsteiger feiern lassen wollen, während die Akteure vom Millerntor bedröppelt daneben stehen, artig, aber verhalten applaudieren und alsbald in den Katakomben verschwinden.

Das Drehbuch zu diesem in der südhessischen Großstadt spielenden Heldenepos ist geschrieben, beruht aber auf zwei Voraussetzungen, die erst noch erfüllt werden müssen. Zum einen kann Darmstadt 98 seinen vierten Bundesligaaufstieg nur dann bereits am kommenden Sonnabend feiern, wenn am Abend zuvor der HSV nicht gegen den SC Paderborn gewinnen würde.

Als St. Pauli Verlierer bei Schalkes Aufstiegsparty war

Zum zweiten muss auch die Mannschaft des FC St. Pauli die von der heimischen Regie zugewiesene Komparsenrolle akzeptieren und das Spiel verlieren, womit die eigenen Aufstiegschancen so gut wie endgültig passé wären.

Vor knapp einem Jahr hatte es diese Konstellation schon am vorletzten Spieltag gegeben. Auch da war es ein später Sonnabend, auch da trat St. Pauli auswärts beim Aufstiegsfavoriten Nummer eins an und hatte selbst noch eine Minichance auf Rang drei. Nur fand das Ganze nicht in Darmstadt, sondern in der ausverkauften Arena des FC Schalke 04 statt.

Hatte es zur Pause dank zweier Tore durch Igor Matanovic noch danach ausgesehen, dass St. Pauli den Partycrasher spielen könnte, drehten die Schalker das Spiel im zweiten Abschnitt, gewannen 3:2, machten den Aufstieg perfekt und boten ihren Fans den Anlass, das Spielfeld zu stürmen.

Schultz mit leerem Blick bei Büskens' Lobeshymne

Später lauschte St. Paulis damaliger Trainer Timo Schultz auf der Pressekonferenz mit leerem Blick den Lobeshymnen seines Schalker Kollegen Mike Büskens und sinnierte darüber, dass auch er an dessen Stelle hätte sein können, wenn die Rückrunde nur etwas erfolgreicher verlaufen wäre.

Auf die Rolle des unterwürfigen Gratulanten hätte er gern verzichtet. „Wir werden uns ein Stück weit neu erfinden müssen“, sagte Schultz und ahnte damals schon, dass die neue Saison ohne die bisherigen offensiven Leistungsträger ein schwieriges Unterfangen werden würde.

Auch schon im Frühjahr 2015 hatte St. Pauli den artigen Partygast gegeben, der Darmstadt 98 Geleitschutz beim Bundesliga-Aufstieg gab. Das 1:0 am letzten Spieltag reichte den Hessen zum Sprung in die Eliteliga. Auch hier gab es einen Platzsturm. Immerhin hatten seinerzeit auch die Kiezkicker einen Grund zur Freude, denn trotz der Niederlage sicherten sie sich mit viel Glück als Tabellen-15. den Klassenverbleib.

Göttlich entsorgte die Drittliga-Unterlagen

Noch heute erzählt Oke Göttlich, der gerade ein halbes Jahr Präsident des FC St. Pauli war, die Geschichte, dass er noch auf der Rückfahrt mit dem Sonderzug die Lizenzunterlagen für die Dritte Liga zerriss und die Papierschnipsel aus dem Fenster fliegen ließ.

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Und wie wird es diesmal? Die St.-Pauli-Profis hatten schon nach dem 2:1-Sieg gegen Arminia Bielefeld verbal deutlich gemacht, dass sie den Saisonendspurt von jetzt noch vier Spielen sehr ernst nehmen und von sich aus alles dafür tun wollen, ihre kleine Chance auf Rang drei so lange wie möglich zu erhalten. „Wir wollen die zwölf Punkte und jetzt auch in Darmstadt gut performen“, kündigte zuletzt etwa Marcel Hartel an. Und Stürmer Lukas Daschner frohlockte: „Das können noch vier super Spiele für uns werden.“

Der FC St. Pauli durchbrach schon Heidenheims Heimnimbus

Noch sind die Hessen in dieser Saison im eigenen Stadion unbesiegt. Das war bis zum Ostersonnabend auch der 1. FC Heidenheim gewesen – bis St. Pauli kam und 1:0 gewann. So ganz widerstandslos lassen sich die Kiezkicker eben nicht in eine ungeliebte Rolle drängen.

Beim ersten Training der Woche konnte am Dienstag Defensivspieler Eric Smith, der beim 2:1 gegen Bielefeld wegen einer Gelbsperre fehlte, nur eine Laufeinheit absolvieren. Dagegen hat Innenverteidiger David Nemeth seine Schambeinentzündung so weit auskuriert, dass er am Teamtraining komplett inklusive des Abschlussspiels teilnehmen konnte.