Hamburg. Der beliebte Ex-Keeper spricht im Abendblatt-Podcast erstmals öffentlich über seinen kontroversen Abschied vom Kiezclub.

Am Anfang ist es nur ein Bild, das zu sehen ist. Ein gerahmtes Familienfoto, dahinter offenbaren zwei große Fenster Einblicke in einen gepflegten Garten im 5000 Einwohner zählenden Ort Schladen im Harz. Dann taucht Mathias Hain im Monitor auf und wenig später auch der passende Ton dazu. Verbale Schwierigkeiten soll es im weiteren Verlauf des Abendblatt-Podcasts „Millerntalk“ keine mehr geben, stattdessen spricht der langjährige Torwarttrainer des FC St. Pauli in aller Ausführlichkeit über seinen Alltag, seinen Ex-Club – und die die Trennung von diesem im vergangenen Sommer.

Für Hain war sie Glück im Unglück. Nach Ende der Saison 2021/22 war der Vertrag des bei den Fans äußerst beliebten Aufsteigers von 2010 nicht verlängert worden. Eine bittere Pille nach zuvor 14 Jahren beim FC St. Pauli, davon elf im Trainerstab und zuvor drei als Aktiver. „Aus freien Stücken hätte ich die Entscheidung nicht getroffen, mal eine Pause zu machen und aus dem Fußball rauszugehen“, sagt Hain, der lässig im Hoodie in die Kamera blickt.

Mathias Hain lernt Urlaub zu schätzen

Nach mehr als 30 Jahren im Profigeschäft dazu gezwungen zu pausieren, lernte der gebürtige Goslarer, dessen Familie schon seit Jahrzehnten in Schladen lebt, jedoch die angenehmen Seiten kennen; im wörtlichen Sinn die Sonnenseiten.

„Wir konnten endlich mal drei Wochen einen entspannten Familienurlaub machen. Zuvor war das höchstens eine Woche möglich, in der zweiten musste ich alles erledigen, was in Haus und Garten angefallen war, und in der dritten war ich gedanklich schon wieder in Hamburg“, sagt Hain. Für den Podcast kehrt der 50-Jährige ein weiteres Mal mental auf den Kiez zurück, um erstmalig öffentlich in aller Ausführlichkeit über seinen Abschied vom Millerntor zu sprechen.

Hain: "Dann passiert ganz, ganz lange gar nichts."

Die Geschichte beginnt im Winter 2021. Ihre Protagonisten: Sportchef Andreas Bornemann, Cheftrainer Timo Schultz sowie dessen Assistenten Fabian Hürzeler, Loic Favé und Hain, deren Arbeitsverhältnis jeweils bis Saisonende datiert war. „Um Weihnachten herum hat Timo seinen Vertrag vorzeitig verlängert, und die klare Maxime war dabei, dass auch mit dem restlichen Trainerteam alles seinen Gang geht. Und dann passiert ganz, ganz lange gar nichts, das zog sich bis in den April hinein“, erinnert sich Hain.

Anfang Mai habe es dann ein fast zweistündiges Gespräch mit Bornemann gegeben, in dem dieser ihm gesagt habe, „irgendwie unzufrieden“ zu sein, was er auf Nachfrage nicht habe spezifizieren können. Der Verein kommunizierte später, der Wechsel auf der Position des Torwarttrainers basiere auf Wunsch zu inhaltlicher Veränderung und Neuausrichtung des Trainings.

Schultz erfährt eine Viertelstunde vorher von Hain-Abschied

Zwei Tage vor dem abschließenden Saisonspiel gegen Fortuna Düsseldorf habe Bornemann Hain dann schließlich noch mal in sein Büro einbestellt, um ihm mitzuteilen, „dass er das Gefühl hätte, was anderes machen zu müssen. Deshalb werde mein Vertrag nicht verlängert.“ Dies sei gegen 13.30 Uhr geschehen. Schultz hätte laut Hain eine Viertelstunde vorher davon erfahren.

Es ist wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass es sich um Hains Erinnerungen und Sicht der Dinge handelt. Der FC St. Pauli hatte stets betont, dass die Entscheidung von Schultz mitgetragen worden sei. „Das glaube ich nicht, beziehungsweise weiß ich, dass es nicht so war“, sagt Hain, der seit der gemeinsamen Spielertagen am Millerntor sehr eng mit Schultz befreundet ist.

Pressemitteilung kommt persönlicher Nachricht zuvor

Zurück in Bornemanns Büro, in dem Hain noch mitgeteilt wurde, dass um 14 Uhr – gleichzeitig zum Trainingsbeginn – eine vorbereitete Pressemeldung die Öffentlichkeit über die bevorstehende Trennung in Kenntnis setzen sollte.

„Ich habe dann gesagt, dass das so nicht funktioniert, weil meine Familie sich gerade ins Auto gesetzt hat und auf dem Weg nach Hamburg war. Sollten die das aus dem Radio erfahren? Ich wollte es ihnen schon gern persönlich mitteilen.“

Hain wünscht Nachfolger Knoop alles Gute

Weiteren Mitteilungsbedarf darüber hinaus hat Hain dazu allerdings nicht mehr. Das Thema schmerzt zwar nach wie vor, ist jedoch ad acta gelegt worden. „Wenn mir jemand begründet hätte, weswegen ich als Torwarttrainer nicht weiter beschäftigt worden bin, hätte ich das akzeptieren und damit leben können. Aber wie das Ganze abgelaufen ist, da war ich doch sehr irritiert.“

Seinem Nachfolger Marco Knoop hat er dennoch in einem Telefonat alles Gute gewünscht und ihm dazu gratuliert, in „einem tollen Verein und einer wunderbaren Stadt zu arbeiten“.

Hain als Scout für den VfL Wolfsburg in Kopenhagen

Die eigene Arbeit ruht nicht. Deshalb setzt sich Hain in dieser Woche hinters Steuer, um in Richtung Kopenhagen aufzubrechen. In der dänischen Hauptstadt soll er im „Livescouting“ Torhüter beobachten. Der Auftrag dazu kommt vom VfL Wolfsburg, mit dessen Torwarttrainer Pascal Formann Hain Mitte der 2000er-Jahre gemeinsam in seiner Heimatstadt Bielefeld bei der Arminia, die am Sonnabend beim FC St. Pauli gastiert, gespielt hat.

„Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es als aktiver Torwarttrainer zeitlich schwierig ist, einen Keeper live zu beobachten, der für eine zu besetzende Position in Frage kommt. Man kann zwar viel auf Video sehen, aber mit eigenen Auge ist es fast noch wichtiger“, sagt Hain, der trotz allem Genuss der Familienzeit und Gartenarbeit offen dafür wäre, ab Sommer wieder einer geregelten Anstellung im Fußball nachzugehen.

Perspektive für Hain: Anstellung in Wolfsburg?

In Wolfsburg, das nur eine Autostunde von Schladen entfernt ist? „Mir macht das mit den Leuten dort total viel Spaß, das Scouting ist etwas ganz anderes. Dazu ticken Pascal und ich ähnlich, was das Torwartspiel und -training angeht. Ich glaube, dass ich mit meiner Erfahrung und dem guten Blick für Talente mit Perspektive helfen könnte“, sagt Hain.

Die Perspektive des FC St. Pauli unter Hürzeler schätzt der Bruder des Ex-HSV-Keepers Uwe Hain unter der Regie des jetzigen Cheftrainers Hürzeler positiv ein. „Fabi ist inhaltlich sehr, sehr gut und glänzt mit einem ganz, ganz großen Fachwissen. Er hat mir auch viel Input gegeben“, sagt Hain, der seinem früheren Kollegen viel Erfolg wünscht. Denn: St. Pauli hat er noch immer im Herzen – und im Blick: auf mehr als nur einem Foto daheim in Schladen.