Hamburg. Die Trainer der beiden Vereine gerieten 2017 in der Regionalliga Bayern aneinander. Wie das Verhältnis mittlerweile ist.

Der Andrang war groß. Sowohl am Morgen beim FC St. Pauli, als auch am Nachmittag beim HSV. Gleich sieben Kamerateams hatten sich am Mittwoch um Viertel vor neun im Medienraum des Millerntor-Stadions positioniert, acht waren es um 14.30 Uhr im Presseraum des Volksparkstadions. Und auch die Sitzreihen waren weitaus stärker belegt als es normalerweise der Fall ist, wenn Fabian Hürzeler und Tim Walter, die Trainer der beiden Hamburger Zweitligisten, über das anstehende Spiel sprechen.

Kein Zweifel, es ist Derbyzeit. Am frühen Freitagabend (18.30 Uhr, Sky und Liveticker auf abendblatt.de) stehen Walter und Hürzeler im Volksparkstadion vor einem der emotionalsten Spiele ihrer jeweiligen Karriere. 57.000 Zuschauer werden für eine knisternde Atmosphäre sorgen. "Es geht darum, einen kühlen Kopf zu bewahren", sagte Walter.

Hürzeler und Walter: Da war doch was

Vor knapp sechs Jahren, am 19. August 2017, ist sowohl Walter als auch Hürzeler dieses Vorhaben nicht so recht gelungen. Damals trafen die beiden das erste Mal als Trainer aufeinander. Der heutige St.-Pauli-Chefcoach war Spielertrainer des bayrischen Regionalliga-Aufsteigers SC Pipinsried und gewann überraschend mit 1:0 bei dem von Tim Walter gecoachten U-23-Team des FC Bayern München. Hürzeler schoss das Tor des Tages und musste später mit Gelb-Rot vom Platz – ein Wortgefecht mit Walter inklusive. Beim Gang vom Platz gerieten die zwei Trainer sogar beinahe körperlich aneinander. Walter soll seinem Kollegen „Selbstüberschätzung“ vorgeworfen haben. Hürzeler sagte genüsslich: „Die Bayern sind für mich keine Topmannschaft.“

Sechs Jahre später sehen sich Walter und Hürzeler erstmals als Cheftrainer an der Seitenlinie wieder. Angesichts der Ausgangslage wäre es keine Überraschung, wenn erneut die Fetzen fliegen. „Emotionen gehören zu diesem Geschäft dazu. Ich bin immer sehr ehrgeizig und versuche immer, meine Mannschaft zu verteidigen. Da kann es mal passieren, dass es emotional wird. Das kann am Freitag passieren, das kann auch in der Woche darauf passieren“, kündigte Hürzeler vorsichtshalber schon mal an.

Fliegen zwischen Walter und Hürzeler erneut die Fetzen?

Zu seinem Verhältnis zu Tim Walter sagte er weiter: „Wir haben uns danach ausgesprochen. Wir begrüßen uns am Freitag nett, haben einen guten Austausch miteinander. Insofern ist die Sache vergessen. Trotzdem kann ich nicht garantieren, dass da gar nichts passiert.“

Auch Walter wird wie immer alle Emotionen ausleben. Auf das Wiedersehen mit Hürzeler ist er gespannt. „Wenn du nur an der Linie stehst, ist es komplett anders. Das wird Fabian jetzt auch spüren. Ich bin gespannt, wie er das erlebt. Er ist ein junger, sehr ambitionierter Trainer", sagte Walter zwei Tage vor dem Spiel. Persönlich gebe es aber keine Probleme. „Wir haben ein gutes Verhältnis. Wie er als Trainer ist, kann ich gar nicht beurteilen. St. Pauli macht es gut, sie performen besser als in der Vorrunde. Das ist sicher auch ein Verdienst von ihm", sagte Walter.

Hürzeler stellte klar: „Ich bin leidenschaftlich dabei. Ich bin keiner, der sich verstellt und kann meine Emotionen auch nicht immer kontrollieren, auch wenn ich es größtenteils schaffe.“ Man wird also schon mal genau hinschauen müssen, was da im Derby an der Seitenlinie geschieht, wenn es auch auf dem Platz hoch her geht. Im Gegensatz zu Walter hat Hürzeler seit Rückrundenbeginn noch keine Karte vom Schiedsrichter gesehen.

FC St. Pauli: Hürzeler ist „schlecht als Verlierer“

Ausgerechnet jetzt kommt zur ohnehin besonderen Derby-Gefühlslage noch ein Aspekt hinzu. Am vergangenen Sonntag musste er von der Seitenlinie aus miterleben, wie seine Mannschaft nach zuvor zehn Siegen in Folge erstmals unter seiner Regie als Cheftrainer verlor. Das 1:2 gegen Eintracht Braunschweig stoppte auch die Aufholjagd auf die ersten drei Tabellenränge und ließ das Team auch hinter Fortuna Düsseldorf auf Rang fünf zurückfallen.

„Mir ist wieder klar geworden, wie schlecht ich als Verlierer bin und wie schlecht ich mit Niederlagen umgehen kann“, gab Hürzeler auf Abendblatt-Nachfrage offen zu. „Dennoch haben wir wie nach den Siegen auch das Spiel aufgearbeitet und gezeigt, was gut und was schlecht war.“

Profis sollen sich über Niederlage ärgern

Dazu gab Hürzeler seinen Spieler noch etwas Spezielles mit auf den Weg in die kurze Trainingswoche bis zum Stadtderby: „Die Jungs sollen sich auch ganz bewusst über diese Niederlage ärgern, aber jetzt diesen Ärger in positive Energie und Emotionen umzuwandeln.“ Zudem stellte er klar: „Ich bin sehr positiv. Es gibt nichts zu hadern oder anzuzweifeln. Die Jungs sollen weiter Vertrauen in ihre Stärke haben. Sie haben zuletzt viel richtig gemacht und werden auch weiter viel richtig machen.“

Gerade vor dem so brisanten Stadtderby will der Coach offenbar ganz bewusst verhindern, dass der ziemlich unerwartete Rückschlag gegen eine abstiegsgefährdete Mannschaft plötzlich Selbstzweifel bei seinen Spieler aufkommen lässt. Hinzu komme, dass im Fußball der Kopf eine immens wichtige Rolle spiele, was in einem Stadtderby ganz besonders gelte. Den Druck sieht er aber beim HSV. „Der HSV will seit vielen Jahren aufsteigen, deshalb glaube ich definitiv, dass da etwas im Kopf passiert“, sagte Hürzeler.

Einer der wichtigsten Köpfe des HSV wird am Freitag wieder dabei sein. Jonas Meffert hat am Mittwoch wieder mit der Mannschaft trainiert und ist am Freitagabend dabei. Zuletzt hatte er beim 0:2 in Kaiserslautern mit Wadenproblemen gefehlt.