Hamburg. Der freigestellte Co-Trainer ist dankbar für seine Chance beim FC St. Pauli und verrät, wie sein Verhältnis zu Timo Schultz heute ist.

Eimsbütteler TV gegen den FC St. Pauli – ein wichtiges Spiel am Lokstedter Steindamm. Die A-Junioren-Teams der beiden Clubs standen sich am Mittwoch vor einer Woche im Viertelfinale des Lottopokals gegenüber. Sieger: ETV, 1:0.

Unter den Zuschauenden war auch Loic Favé, der sich darüber gefreut hat. Er selbst hatte als Trainer oft genug mit dem ETV-Nachwuchs gegen Timo Schultz und dessen St. Pauli verloren. „Für den ETV ist es halt etwas Besonderes, die Proficlubs der Stadt im Pokal zu schlagen“, sagt er.

Wurzeln im Jugendbereich unvergessen

Seine Wurzeln vergisst man eben nicht, auch wenn man zweieinhalb Jahre lang beim FC St. Pauli gearbeitet hat. Die vielen Kontakte und sportlichen Aufeinandertreffen mit Timo Schultz im Jugendbereich hatten dazu geführt, dass dieser den jungen Eimsbütteler fragte, ob er sein Co-Trainer werden möchte, als er im Sommer 2020 zum Cheftrainer von St. Paulis Zweitligamannschaft befördert wurde.

„Ich habe mir damals keinerlei Gedanken über die Mechanismen des Profigeschäfts gemacht“, erzählt Favé im Gespräch mit dem Abendblatt, „ich dachte nur, wie cool ist das denn und dass es eine Superchance ist.“

Dass man im Profifußball mit seinem Arbeitsvertrag auch gleich immer sein Ende irgendwann mit unterschreibt (außer in Freiburg und Heidenheim), das hatte für den damals gerade 27-Jährigen keine Rolle gespielt. „Ich hatte vorher nie Erwachsene trainiert“, sagt er, „ich bin dem FC St. Pauli sehr dankbar für diese Chance und die Einblicke in den Profifußball.“

„Ich kann mit meinen Themen auch bei den Profis arbeiten.“

Eine wichtige Erkenntnis für seine Zukunft hat der A-Lizenztrainer aus der Zeit beim FC St. Pauli zudem mitgenommen: „Ich kann mit meinen Themen auch bei den Profis arbeiten.“ Eine Erleichterung – irgendwie. Für den Wechsel in den bezahlten Fußball hatte er schließlich seinen sicheren Job als sportlicher Leiter beim ETV aufgeben, wo er acht Jahre lang die konzeptionelle Basis für die so erfolgreiche Nachwuchsarbeit gelegt hatte.

Am 6. Dezember aber war Schluss beim FC St. Pauli, gemeinsam mit Cheftrainer Timo Schultz wurde er freigestellt. Sein zuvor gleichrangiger Co-Trainerkollege Fabian Hürzeler(30) übernahm als Cheftrainer. An dem Verhältnis der beiden hat das nichts geändert: „Wir haben wirklich immer sehr intensiv und gut zusammengearbeitet und auch privat viel zusammen unternommen.“

Dass er dem Bayern den Einstieg in Hamburg erleichterte, ihm ein Zimmer bei ETV-Trainer Khalid Atamimi besorgte und Hürzeler auch als Spieler bei den Eimsbüttelern kickte, wurde oft erzählt. „Wir sind als Charaktere sehr unterschiedlich, kamen bei Analysen aber häufig am Ende zu ähnlichen Einschätzungen“, sagt Favé.

Favé kümmert sich um Spieler-Entwicklung

Entwicklung ist sein großes Thema. „Ich bin überzeugt, dass jeder Profi mit fokussierter Arbeit Entwicklungssprünge machen kann. Die Spieler müssen aber ein Bewusstsein für sich selbst entwickeln und Verantwortung für ihren eigenen Weg übernehmen“, erklärt er.

Sie müssten sich zudem klar werden, wie ihr Profil ist, zum Beispiel, ob sie die Motivation haben, immer im Training Vollgas zu geben, und was ihre beste Rolle für das Team ist. Beim FC St. Pauli, sagt Favé, hatte er nur mit offenen und lernbereiten Spielern zu tun, die gerne an sich gearbeitet haben. Dass Favé jünger war als mancher seiner Profis wie Stürmer Guido Burgstaller (33) zum Beispiel, spielte gar keine Rolle. „Die Zusammenarbeit mit ihnen hat mir große Freude bereitet.“

Zahlreiche Praktika in ganz Europa

Zur aktuellen sportlichen Situation bei St. Pauli möchte er als immer noch Angestellter des Vereins nichts sagen. Während Hürzeler die Kiezkicker von einem Erfolg zum nächsten führt kümmert sich sein ehemaliger Kollege um die persönliche Weiterentwicklung.

Der Deutsch-Franzose bereist halb Europa, reiht gefühlt ein Praktikum an die nächste Hospitation. Vor Ostern war er bei Benfica Lissabon und beim RC Lens, Tabellenzweiter in Frankreich. Nach den Feiertagen ging es in die Nachwuchsakademie von Real Madrid, wo er spanische Sonne statt Hamburger Schmuddelwetter genoss. Anschließend stand ein Besuch bei Rayo Vallecano auf dem Plan.

Ein Türöffner für diese Besuche waren auch die von ihm entwickelten, verschiedenfarbigen „Skillshirtz“, die als Trainingstool zur kognitiven Arbeit in vielen Akademien in Europa eingesetzt werden. „Ich habe vor allem viele französische Vereine wie Lyon, Rennes, Nantes und Lorient besucht, in St. Etienne habe ich eine Einheit der U 23 geleitet, in Nantes bei der U 17“, erzählt er, „die Kontakte ergeben sich daraus wie eine Lawine, man kennt Leute, die wieder jemanden kennen.“

Nachwuchsarbeit in Frankreich ganz anders

Wie ein Schwamm saugt Loic Favé das Wissen anderer Trainer und Vereine auf. „Das steckt so in mir drin, ich will immer lernen und neugierig sein“, sagt er, „man bleibt sonst immer in seinem Kreis drin, aber ich will aus dem eigenen Kreis rausgucken.“ Frankreich, das Land seiner Mutter, zum Beispiel hat in der Nachwuchsförderung ganz andere Konzepte als Deutschland.

Der Erfolg ist offensichtlich. „Die Vereine dürfen dort bis zur U 16 keine Spieler von außerhalb ihrer Region verpflichten. Der Fokus der Ausbilder liegt darauf, die Spieler zu verbessern und weniger darauf, Ergebnisse zu erzielen“, sagt der langjährige Jugendleiter. Die Entwicklung und Förderung junger Spieler liegt ihm „sehr am Herzen“:„Ich habe zu vielen Hamburgern noch Kontakte, die inzwischen woanders spielen.“

Ein neuer Job an der Seite von Timo Schultz ist denkbar

Was die Zukunft bringt? Abwarten. Es gab bereits einige Angebote und Kontakte, gepasst hat noch nichts so richtig. Ein erneuter Job an der Seite von Timo Schultz ist für ihn natürlich denkbar, „wir haben ein sehr gutes Verhältnis, und es hat menschlich super gepasst.“

Noch ist das alles eine Findungsphase, sondieren, lernen, sacken lassen. Aber irgendwann wird Loic Favé wieder auf einem Fußballfeld stehen: „Ich bin gerne auf dem Platz, mir fehlt es, Training zu geben. Ich hoffe, dass in absehbarer Zeit wieder eine spannende Aufgabe kommt.“