Hamburg. Hamburger Oberligist möchte ein Zeichen für die Talente in Hamburg setzen – 2:0-Sieg gegen direkten Konkurrenten Altona 93.
Der jugendliche Übermut stieß an vereinsinterne Grenzen. „Altona buh, Altona buh“, riefen die kleinen Jugendspieler des Eimsbütteler TV 30 Minuten vor dem mit 2000 Zuschauern sensationell besuchten Oberliga-Topspiel gegen Altona 93 am Lokstedter Steindamm. Eine ETV-Betreuerin schritt ein. „Solche Rufe machen wir in unserem Verein nicht. Ihr könnt ,ETV! ETV!‘ rufen“, belehrte sie den Nachwuchs. Brav hielten sich die kleinen Kicker fortan an die Fairnessvorgabe – und durften über den 2:0-Sieg ihrer Idole in den roten ETV-Trikots jubeln.
Der durch das Kopfballtor von Abwehrchef Samuel Olayisoye (72.) und eine von Rechtsverteidiger Henok Tewolde im Fünfer verwertete Flanke (83.) sichergestellte Erfolg markiert einen weiteren Höhepunkt der grandiosen Entwicklung des Aufsteigers, deren aktuelle Konsequenz der sportliche Leiter Jasper Hölscher (25) unmittelbar nach dem Abpfiff bestätigte. „Wir melden für die Regionalliga Nord“, sagte das Geburtstagskind und strahlte über beide Wangen.
Im Aufstiegsfall will der ETV an der Hagenbeckstraße spielen
Damit ist mit nun elf Punkten Vorsprung auf Konkurrent Altona 93 offiziell, was seit Monaten ein offenes Geheimnis war. Der mit knapp 17.500 Mitgliedern hinter dem HSV (knapp 90.000) und dem FC St. Pauli (etwas mehr als 35.000) drittstärkste Verein der Stadt Hamburg, dessen Fokus stärker auf dem Breiten- als auf Leistungssport liegt, plant mit seinem Herrenfußballteam als Oberligaaufsteiger nach einer Saison in der absoluten Spitzengruppe den Durchmarsch in die finanziell wesentlich potentere und sportlich anspruchsvolle Regionalliga Nord.
Seine Heimspiele austragen will der ETV im Fall des Aufstiegs im Sportpark Eimsbüttel an der Hagenbeckstraße. Mit den dort ansässigen Regionalligisten HSV II und Bezirksligist Grün-Weiß Eimsbüttel wurde bereits Einigkeit erzielt. Geklotzt werden soll dabei nicht. Das zeigen die finanziellen Rahmendaten des Vorhabens.
ETV plant in der Regionalliga mit einem Sparetat
Der aktuelle Etat des ETV für seine Herrenmannschaft soll in der Regionalliga Nord von einem Niveau etwas über einem mittleren fünfstelligen Bereich in den niedrigen bis mittleren sechsstelligen Bereich wachsen. Für Regionalliga-Verhältnisse ist das die Kategorie Sparvariante. Der SC Victoria (2012 bis 2014) und Altona 93 (2019 bis 2022) waren zuletzt mit ähnlichen Modellen gescheitert.
Bei Victoria ist seit dem wenig ergiebigen Ausflug in höhere Gefilde die Viertklassigkeit kein Thema mehr, auch Altonaüberlegt sich den Schritt sehr genau. Schließlich gelang keinem der beiden Clubs aus eigener Kraft der Klassenerhalt. Victoria profitierte 2013 vom Rückzug anderer Vereine, Altona 93 2020 und 2021 von Saisonabbrüchen durch die Corona-Pandemie.
Treue der Talente als ein großer Trumpf des ETV
„Mit vielen anderen Vereinen kann man uns nicht vergleichen“, sagt Hölscher. „Viele unserer Spieler im Erwachsenenbereich sind schon seit der Jugend bei uns. Sie wissen also seit Jahren, wie es ist, bei uns zu spielen. Ich habe in dieser Saison mit einer Menge Personen im Hamburger Amateurfußball gesprochen.
Zusammengefasst gibt es in der Oberliga zwei Entwicklungen: Einige Clubs setzen stärker auf die Jugend. In anderen Clubs wird zu viel Geld für Spieler verbrannt. Wir wollen als ETV mit unserem Profil das Zeichen senden, dass der erste Weg besser ist.“
Der ETV will ein Beispiel für einen Kulturwandel im Hamburger Amateurfußball sein. So hat es bei den Eimsbüttelern Tradition, Jugendteams so geschlossen wie möglich in den Erwachsenenbereich zu überführen. In der aktuellen Mannschaft kickt ein Großteil der Talente seit Jahren zusammen. „Wir setzen unabhängig von der Liga auf unser gewachsenes Team. Unsere Spieler sind alle klar im Kopf. Sie verlassen nicht einfach den Verein, wenn der erstbeste Berater ihnen den Kopf verdreht“, sagt Hölscher.
Vergütung für Ausbildung: Talente bringen dem ETV Geld
Denjenigen aber, die zu gut für den ETV werden, sollen keine Steine in den Weg gelegt werden. „Letztlich“, sagt Hölscher, „ist der ETV auch ein Sprungbrett. Allein im vergangenen Sommer haben 25 unserer Spieler den Sprung in ein Nachwuchsleistungszentrum bei einem Profiverein geschafft. Da kommt für uns einiges an Ausbildungsentschädigungen zusammen.“
Auch mit diesen Geldern finanziert die ETV-Fußballabteilung ihre vorbildliche Jugendarbeit. Diese bringt Teams hervor wie die B-Juniorinnen und A-Junioren des Clubs, die den Sprung in die Bundesliga schafften. Die ETV-Mischung bringt Hölscher so auf den Punkt: „Wir wollen keine Spieler, die sich nur mit der Liga, in der sie spielen, identifizieren. Wir wollen Spieler, die sich mit dem ETV als Verein identifizieren.“ Mit dieser Kultur wäre ein Scheitern in der Regionalliga kein Beinbruch.
ETV-Mannschaft ist sich einig: Abenteuer Regionalliga eingehen
Hölscher möchte mit dieser Ausrichtung den ETV als Club positionieren, der potenziell für die Regionalliga Nord meldet. Ein attraktiver Weg für junge Hamburger Talente, der vom Gesamtverein unterstützt wird. Auch die Mannschaft hat sich einstimmig für das Abenteuer Regionalliga ausgesprochen. Moderne Methoden – so hat die Mannschaft des ETV in Teamcoach Hinnerk Smolka (40) einen Experten für Teambuilding, der schon mit den Basketballern der Towers den Bundesligaaufstieg schaffte – tun ihr Übriges.
„Wenn wir aufsteigen, dann wird die Regionalliga eine geile Herausforderung für uns. Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, sportlich ambitioniert zu sein ohne großen Investor und ohne Angst vor dem
Zusammenbruch“, sagt Hölscher. „Wenn sich durch uns der Fokus in der Oberliga Hamburg etwas mehr in Richtung Ausbildung der Spieler verschiebt, würde das dem gesamten Amateurfußball in Hamburg gut tun.“
Wo die Grenzen seines spannenden Jugendexperiments liegen, will der ETV herausfinden. Mit dem erfolgreichen Bestreiten der Aufstiegsspiele am Saisonende.