Hamburg. Der Profi vom FC St. Pauli ist unter Fabian Hürzeler noch ohne Einsatz. Warum der 23-Jährige trotzdem an seine Chance glaubt.
Die Kabine hat Carlo Boukhalfa bereits gewonnen. Wer sich beim FC St. Pauli nach dem beliebtesten Mitspieler durchfragt, landet ganz schnell beim 23-Jährigen. Einen Stammplatz konnte sich der Mittelfeldallrounder aber noch nicht erarbeiten.
Neun Partien in Serie wurde er nicht berücksichtigt. Es gibt wenig Anhaltspunkte dafür, weswegen sich dies beim Heimspiel gegen seinen Ex-Club SSV Jahn Regensburg am Sonnabend (13 Uhr/Sky) ändern sollte. Doch beim Gespräch mit dem Abendblatt gibt sich Boukhalfa weder konsterniert, noch desillusioniert, sondern, wie er es umschreibt: „unkompliziert“.
Hamburger Abendblatt: Herr Boukhalfa, über das Wochenende haben Sie sich eine Auszeit in Ihrer Geburtsstadt Freiburg gegönnt. Was bedeutet Heimat für Sie?
Carlo Boukhalfa: Meine Eltern und Geschwister zu sehen. Der Großteil meiner Familie lebt in Freiburg, ich habe dort gewohnt, bis ich 21 war. Inzwischen ist die Strecke nach Hause doch schon recht weit, daher bin ich froh, wenn sich die Möglichkeit ergibt, für ein paar Tage dort eine entspannte Zeit zu verbringen.
Sie besitzen allerdings auch algerische Wurzeln. Welche Beziehung haben Sie zu diesem Land? War die dortige Nationalmannschaft mal ein Thema?
Mein Großvater mütterlicherseits ist aus Algerien nach Deutschland gekommen, und prinzipiell wäre es möglich, dass ich die algerische Staatsbürgerschaft erhalte. Allerdings gab es bis jetzt keine Anfrage vom Verband. Das Level des Fußballs dort ist inzwischen ja auch ziemlich hoch.
Sie haben erst in Freiburg, dann in Regensburg gespielt und sind nun in Hamburg unter Vertrag. Beauftragen Sie Ihren Berater, Sie nur in attraktiven Städten unterzubringen?
(lacht) Das nicht, aber ich hatte bis dato tatsächlich das Glück, ausschließlich in tollen Städten gelebt zu haben.
War es demnach schwierig, aus kleineren Städten in eine Metropole zu ziehen?
Eigentlich nicht. Ich bin hier in Hamburg sehr schnell angekommen. Obwohl ich allein hier lebe, gibt es keinerlei Schwierigkeiten, Verein und Mitspieler unterstützen mich jederzeit.
Was hatten Sie sich mit dem Wechsel aus Regensburg, dem kommenden Gegner des FC St. Pauli, im Sommer erhofft?
Dass ich mich weiterentwickele und auf einem noch höheren Niveau durchsetze.
Sie sind bislang in neun Pflichtspielen aufgelaufen, Ihr letzter Einsatz datiert vom 8. November 2022 und dauerte eine Minute. Unter Fabian Hürzeler als Cheftrainer sind Sie noch gar nicht eingesetzt worden. Muss man da nicht festhalten, dass Ihr Plan bislang nicht aufgegangen ist?
Das würde ich differenzierter sehen. Ich merke auf jeden Fall, dass ich Fortschritte mache, zuletzt im Testspiel gegen Hannover 96 habe ich das sehr deutlich gespürt. Nur weil ich wenig spiele, bedeutet das ja nicht, dass ich im Training nicht jeden Tag etwas lernen kann, denn das Niveau ist sehr hoch. Und so ein Spiel wie gegen Hannover motiviert mich dann natürlich, wenn es so ordentlich gelaufen ist.
Was haben Sie denn im Training Konkretes gelernt?
Ach, was ist schon konkret im Fußball? Du merkst das einfach, gehst auf den Platz und bist ballsicherer und souveräner.
Ihre große Stärke ist Ihre Vielseitigkeit, Sie können im defensiven, zentralen und offensiven Mittelfeld auflaufen. Aber ist dies in der aktuellen Situation eine Schwäche, weil Sie auf keiner Position Spezialist und damit gesetzt sind?
Ich habe das nie als Schwäche gesehen, sondern eher als Vorteil. Wenn etwas frei wird, ist die Chance als Allrounder viel größer, sich durchzusetzen.
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Wie verarbeiten Sie es, trotz aller Lernerfolge, in der Rückrunde noch gar nicht zum Zug gekommen zu sein?
Das ist natürlich nicht schön, aber ich mache auch niemandem einen Vorwurf. Es herrscht hier einfach ein hohes Niveau vor, und die anderen machen es sehr gut. Ich versuche, einfach auf mich zu schauen und das zu beeinflussen, was ich beeinflussen kann.
Sowohl Ihre Stimmung, als auch die Ihrer Kollegen auf der Ersatzbank scheint kaum getrübt zu sein. Wie gelingt es Fabian Hürzeler, alle bei Laune zu halten, obwohl er vergleichsweise wenig rotiert?
Indem das Training sehr viel Spaß macht. Dazu kommt, dass es allgemein gut läuft, dann ist die Stimmung immer besser. Es ist aber auch Typsache.
Sie scheinen ein guter Typ zu sein. Egal, mit welchem Ihrer Mitspieler man redet, fast jeder erwähnt Ihren Namen, wenn es darum geht, mit wem er am besten auskommt.
Das ist schön zu hören. Ich glaube, mit mir kann man ganz gut reden. Am ehesten beschreibt mich wahrscheinlich das Adjektiv unkompliziert.
Diese Unkompliziertheit stand kürzlich zur Debatte. Es wurde kolportiert, dass Sie keine Lust auf einen Einsatz im U-23-Team in der Regionalliga besaßen, stattdessen lieber das Spielersatztraining der wenig belasteten Akteure mitgemacht haben. Fabian Hürzeler stellte dann klar, dass dies seine Entscheidung gewesen sei. Wie war das denn nun eigentlich?
So, wie es der Trainer gesagt hat. Er entscheidet, und er benötigte mich, um ein qualitatives Spielersatztraining durchzuführen. Ich bin offen für alles und sehe es überhaupt nicht als Degradierung an, für die U 23 zu spielen. Fußball zu spielen, das macht in jeder Liga Spaß.
Was genau macht Ihnen daran so viel Spaß?
Am Ball zu sein, mit dem Ball zu spielen, den Jungs auch abseits vom Spielfeld, in der Kabine, ein gutes Gefühl zu geben.
Da sprechen Sie etwas an. Torwart Nikola Vasilj sagte kürzlich im Abendblatt-Interview, dass Sie sich als Kabinen-DJ betätigen – dabei allerdings keine Balkanmusik, wie von ihm gewünscht, auflegen.
Ab und zu versuche ich mich mal, aber muss ja zusehen, dass das möglichst vielen gefällt. Folglich wird viel Hip-Hop und R’n’B gespielt, bei Balkanmusik würde es vermutlich Beschwerden geben. (lacht)
Mal abgesehen von aller guten Laune. Sie wollen ja nicht nur an der Musikanlage, sondern auch auf dem Platz bald wieder überzeugen. Wie wird Ihnen das gelingen?
Das geht nur übers Training oder solche Testspiele wie gegen Hannover. Nur mit Vollgas. Ich werde weitermachen, bis meine Chance kommt.
Was können Sie der Mannschaft geben?
Energie und Kreativität am Ball.
Sehen wir Sie dann auch künftig mal als St.-Pauli-Spieler in Freiburg und nicht nur Privatier?
Sie meinen, in einem Bundesligaspiel? Ich hätte nichts dagegen, aber der Fußball ist so kurzlebig. Daher traue ich mir keine Prognose zu.