Hamburg. Der ehemalige Kapitän versucht, bei der U 23 fit zu werden. Spielfähig ist er noch nicht. Ist die Sportinvalidität eine Option?

Beim Testspiel der U 23 des FC St. Pauli am Montagabend gegen Oberligist Altona 93 fehlte Christopher Avevor (31) im Kader der Braun-Weißen. Der ehema­lige Mannschaftskapitän der Zweitligamannschaft trainiert zwar seit etwa drei Wochen bei der Reserve mit, spielfähig aber ist er immer noch nicht.

Auch bei der Regionalliga-Mannschaft kann „Jackson“ die volle Belastung noch nicht mitgehen, sondern muss ab und an aussetzen. Noch spricht es niemand offen aus im Verein, aber die Anzeichen sind unübersehbar: Mit dem Vertragsende am 30. Juni 2023 endet die Zeit des populären Innenverteidigers bei St. Pauli – und vielleicht sogar seine gesamte Profikarriere.

FC St. Pauli: Avevors lange Leidensgeschichte

Am 21. November 2020 hat Avevor bei der 0:2-Auswärtsniederlage gegen den SC Paderborn zum bisher letzten Mal für den FC St. Pauli ein Spiel bestritten. Im Heimspiel eine Woche darauf gegen den VfL Osnabrück fehlte er wegen einer Sprunggelenkverletzung – und ist seitdem nicht zurückgekommen. Es ist eine schier endlose Geschichte von körperlichen Problemen, über die Avevor nicht sprechen mag, zu der auch sein Berater, der renommierte Münchner Robert Schneider, trotz Anfragen jeden Kommentar verweigert.

In der Saison 20/21 stand Avevor nur für fünf längere Einsätze auf dem Platz. Zum Ende der Saison davor waren es zwei Einwechslungen. Seit August 2019 war er mit einem Wadenbeinbruch ausgefallen. Seit seiner Vertragsverlängerung am 19. Februar 2019 konnte Avevor so insgesamt nur 16-mal für den FC St. Pauli auflaufen.

„Der FC St. Pauli unterstützt alle seine Spieler vollumfänglich, insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versorgung“, teilte der Club auf Nachfrage mit, „dies gilt auch und in besonderem Maße für Jackson Avevor.“

Meldet sich Avevor sportinvalide?

Fakt ist aber auch, dass Avevor für den Verein finanziell praktisch kein Faktor mehr ist. Nach einer sechswöchigen Übergangszeit zum Beginn einer Verletzung übernimmt die für Profisport zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) das Krankengeld. Auch eventuelle Reha-Maßnahmen durch Vereinsärzte werden in der Regel von der VBG bezahlt. Erst wenn ein Spieler wieder als vollkommen arbeitsfähig gilt, ist der Verein verpflichtet, das Gehalt zu zahlen. Arbeitsfähig für den Einsatz in der Zweiten Liga ist er jedoch nicht, wenn er sich im Aufbautraining befindet oder in der zweiten Mannschaft fit gemacht wird.

„Wenn ein Spieler fast zwei Jahre draußen ist, tun wir gut daran, ihn behutsam wieder aufzubauen, bei uns ist die Belastung sehr intensiv“, sagt Cheftrainer Fabian Hürzeler zu Avevors Versetzung zur U 23, „ich sehe es total positiv, dass er wieder auf dem Platz steht. Er soll das als Chance sehen, dass er langfristig wieder ein Thema im professionellen Fußball sein kann.“ Das wird sicherlich nicht beim FC St. Pauli sein, aber wenn alles gut geht, vielleicht woanders.

Die Alternative wäre Sportinvalidität – und dann wird es wirklich schwierig. „Viele Spieler haben keine Zusatzversicherung gegen Sportinvalidität abgeschlossen“, sagt ganz allgemein Ulf Baranowsky, der Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV), „wir raten allerdings dringend dazu.“ Viele Berater empfehlen diese Zusatzversicherung auch, es ist aber schwierig, vor allem in der Zweiten oder Dritten Liga.

FC St. Pauli: Welche Optionen Avevor bleiben

Die Prämien sind extrem hoch, weil üblicherweise bei Berufsunfähigkeit das Dreifache des Bruttojahresgehalts ausgeschüttet wird. In Deutschland gibt es keinen Anbieter dieser Versicherung. Die meisten Topspieler sind deshalb über Syndikate von Lloyds of London abgesichert, vermittelt über den ehemaligen Stürmer des 1. FC Köln, Dieter Prestin. Auch werden die Tarife oft jährlich angepasst, Alter und mögliche Vorschäden werden miteinbezogen sowie manche Vorverletzungen ausgeschlossen.

Über Vertragsinhalte gibt der FC St. Pauli logischerweise keine Auskunft, es ist aber gut möglich, dass Avevor keine Berufsunfähigkeitsversicherung hat. Fit zu werden wäre dann schon aus finanziellen Erwägungen für die Zukunft wohl alternativlos. Auch weil eine berufliche Perspektive außerhalb des Fußballs schwer ist. Der gebürtige Kieler trat schon mit 16 Jahren ins Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96 ein.

Die VdV kennt solche und ähnliche Fälle zu Genüge und bietet Unterstützung an: „Über das DFB-VDV-Versorgungswerk haben Fußballprofis und weitere Angestellte von Clubs und Verbänden grundsätzlich die Möglichkeit, sich im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine zusätzliche Fußballrente aufzubauen“, empfiehlt Baranowsky und rät auch dazu, sich „neben der finanziellen Absicherung mit Fernstudiengängen möglichst auf die nachfußballerische Berufslaufbahn vorzubereiten. Denn schon das nächste Foul kann das Karriereende bedeuten.“