Hamburg. Nach den menschenverachtenden Szenen gegen Hansa Rostock will St. Paulis Präsident die Vereine mehr in die Pflicht nehmen.

  • Beim Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock kam es zu Gewalt
  • Im Gästeblock gab es massive Sachbeschädigung durch Rostocker Fans
  • Auch rechtsradikale und homophobe Aufkleber wurden gefunden

Am Morgen danach haben die Verantwortlichen des FC St. Pauli selbst in Augenschein genommen, in welchem Zustand die Gäste von Hansa Rostock am Sonntag „ihren“ Block auf der Nordtri­büne des Millerntor-Stadions hinterlassen hatten. Dass Waschräume zerstört, teilweise in Brand gesteckt wurden, dass Waschbecken herausgerissen und Keramikteile als Wurfgeschosse verwendet wurden, das war ja bereits kurz nach Spiel­ende der Zweitligapartie (1:0) bekannt. Hunderte homophobe, offen rechtsextreme und Hass auf St. Pauli ausdrückende Aufkleber zeigten zudem, wes Geistes Kind offenbar zahlreiche der mitgereisten rund 2600 Hansa-Fans sind.

Das Aufhängen eines Banners, das indirekt an den Überfall auf ein Wohnheim von Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 erinnert, war eine weitere Provokation. Außerdem wurde eine Regenbogenfahne verbrannt und ein wegen versuchten Mordes und Brandstiftung in Lichtenhagen verurteilter Straftäter im Hansa-Block identifiziert.

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Auch wenn sich der FC Hansa deutlich von rechtsradikalem Gedankengut distanziert, hat der Verein offenbar überdurchschnittlich viele Anhänger aus diesem Spektrum.

FC St. Pauli stellt Hansa Rostock die Reparaturkosten in Rechnung

Der FC St. Pauli wird die Kosten für die Reparaturen dem FC Hansa Rostock in Rechnung stellen. Laut ersten Schätzungen handelt es sich um einen fünfstelligen Betrag. Weiterhin hat der Verein Strafantrag wegen Sachbeschädigung gestellt und prüft weitere Anzeigen wegen aller darüber hinaus infrage kommender Delikte.

Die Ausschreitungen während der Partie brachten eine besonders menschenverachtende Dimension der Gewalt. Fans des FC St. Pauli und Ordner wurden mit Wurfgeschossen aus Keramiktrümmern sowie Raketen und Böllern attackiert. Es gab einen verletzten Ordner, der mit sechs Stichen am Kopf genäht werden musste, und mindestens einen verletzten Fan. Die Dunkelziffer mag höher sein. Abendblatt-Leser, die sich in der Nordkurve befanden, berichteten von weinenden Kindern und Anzeichen einer beginnenden Panik. Die Hamburger Polizei hat Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung eingeleitet.

Hansa Rostocks Vorstandschef Robert Marien bat zum Entschuldigung

Hansa Rostocks Vorstandschef Robert Marien nahm die Aktionen von Menschen, die sich als Anhänger des FC Hansa bezeichnen, offensichtlich beschämt zur Kenntnis und bat um Entschuldigung. „Es war Gewalt im Spiel, in einer Form, in der eine rote Linie weit überschritten wurde. Da hat bei einigen das Gehirn ausgesetzt. Das sind einfach nur Vollidioten. Von denen distanziere ich mich, die haben mit Hansa Rostock nichts zu tun.“

St. Paulis Präsident Oke Göttlich stellte im „Sportclub“ des NDR-Fernsehens fest, „dass man eine gewisse Klientel nicht mehr in die Verantwortung bekommt.“ Alle Appelle und auch die saftigen Euro-Strafen durch das Sportgericht des DFB haben bei diesen Tätern keine Wirkung. In der aktuellen Geldstrafentabelle liegt Hansa Rostock mit 179.280 Euro auf Platz zwei hinter Hannover 96 (273.000). Die Hamburger Vereine HSV (169.900) und St. Pauli (133.940) folgen. „Vielleicht ist ein unmittelbarer Punktabzug etwas, über das man reden muss, wenn gewisse Grenzen überschritten sind“, sagte Göttlich. Diese Grenze liegt für ihn vor, wenn Menschen attackiert werden.

DFB-Kon­trollausschuss leitete am Montag Ermittlungen ein

Göttlich hat als Mitglied des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Möglichkeit, eine interne Diskussion aller 36 Vereine der Ersten und Zweiten Liga anzustoßen. Rechtlich wird das Thema Punktabzug dennoch schwierig, weil die DFL die Gerichtsbarkeit an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) abgegeben hat. Der DFB würde also mit einem Punktabzugsurteil in den Spielbetrieb der DFL entscheidend eingreifen. Der DFB-Kon­trollausschuss leitete am Montag allerdings Ermittlungen ein.

Problematisch war am Stadion die Einlasssituation zum Gästeblock. Zunächst waren dort nur vier Ordner im Einsatz, die ab Stadionöffnung um 12 Uhr die Besucher kontrollieren sollten. Das ist ohnehin nicht effektiv möglich. Dafür bräuchte es Körperscanner, wie auf Flughäfen. Es ist bekannt, dass sämtliche Körperöffnungen genutzt werden, um illegale Pyrotechnik in ein Stadion zu schmuggeln. Der Druck der Fans war zudem so groß, dass genaue Kontrollen nicht mehr stattfanden. Dass die Polizei nicht in den Block ging, um Straftäter dingfest zu machen, erklärte ein Sprecher mit Risikoabwägung: „Die Gefahr, dass Unbeteiligte dadurch gefährdet werden könnten, war zu groß.“

Außerhalb des Stadions ist der Einsatz der Hamburger Polizei mit dem System der strikten Fantrennung offenbar gelungen. „Es war ein schwerer, komplexer Einsatz“, sagte ein Polizeisprecher. Dabei gab es vier leicht verletzte Polizisten und zwei Ingewahrsamnahmen. Auf dem Rückweg nach Rostock kam es nach Angaben der Bundespolizei zu erheblichen Sachbeschädigungen in zwei Regionalbahnen. Im ersten Zug waren etwa 710 Fans des FC Hansa, im zweiten 350 Anhänger. Laut der Bundespolizei wurde in der ersten Regionalbahn die Tür der Zugtoilette aus den Scharnieren gerissen. In der anderen Bahn wurde insgesamt dreimal die Deckenverkleidung eingeschlagen und ein Sonnenschutz am Fenster zerstört.