Hamburg. Die Podcasterin stellt in den „Female St. Pauli Stories“ Geschichten von Frauen aus der Fanszene und dem Umfeld des Kiezclubs vor.
Irgendwann stolpert man in diesem Internet über das Logo. Ein echter Hingucker, sehr cool gezeichnet. Eine offenbar junge, weibliche Person (blonder Pferdeschwanz), Atemschutzmaske (oder will sie sich vermummen?) hält demonstrativ mit beiden Händen eine Fahne in den Vereinsfarben des FC St. Pauli vor sich. Stark, wirkt sie, selbstbewusst, überzeugt. „Female St. Pauli Stories“ steht darunter – und darum geht es: Geschichten von Frauen aus der Fanszene und dem Umfeld des FC St. Pauli, zu hören in einem monatlichen Podcast.
Debbie Kunkel gehört zum festen Team des "Millernton"-Podcasts
„So viele Frauen aus unserer Fanszene machen so viele tolle Sachen, und ich möchte sie gerne zu Wort kommen lassen“, sagt Deborah Kunkel, die den Podcast „hostet“, also Gastgeberin ist und die Idee dazu hatte. Sie gehört als einzige Frau zum festen Team des längst etablierten „Millernton“-Podcasts und hat auch dort festgestellt, dass Frauen unterrepräsentiert sind. „Sofort machen“ war die Reaktion der Chefredakteure Maik Krükemeier und Tim Eckhardt, als sie mit ihrer Idee ankam. Also machte sie, am 8. März ist einjähriges Jubiläum, elf Folgen sind bislang erschienen.
„Meine Gäste kommen aus der Fanszene, sie wirken und arbeiten normalerweise im Verborgenen, das wollte ich ändern“, sagt Kunkel. So begründet sie auch, warum noch keine der prominenteren Frauen im Verein bei den Female St. Pauli Stories zu Gast war. Obwohl es ja eine Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler gibt oder die Vizepräsidentinnen Christiane Hollander und Esin Rager. „Die kennt man ja und sie sind auch sehr nah am Verein“, sagt die Podcasterin, „ich möchte in Zukunft aber gerne mit ihnen sprechen.“
Podcasterin Kunkel ist Fans des FC St. Pauli seit 2002
Die 35 Jahre alte Deborah Kunkel, die rund ums Millertor alle nur „Debbie“ nennen – und sie sich auch – war das erste Mal mit ihrem Vater 1996 beim FC St. Pauli im Stadion, aktiv als Fan definiert sie sich seit 2002. „Das Klischee, dass Frauen nur über die Familie oder als Begleitung von ihrem Freund ins Stadion kommen, stimmt natürlich auch nicht“, sagt sie, „aber die Vorstellung, dass ganz viele sich einfach wirklich für Fußball interessieren, ist bei manchen Männern noch nicht angekommen.“
Sie arbeitet zum Broterwerb als Sendeassistentin beim NDR, der Umgang mit technischem Aufnahmegerät ist ihr also keineswegs fremd. Außerdem legt sie regelmäßig nach Heimspielen als D-Jane in der Fankneipe „Jolly Roger“ auf („hauptsächlich 80er“). Ihr „Künstlername“ ist „Debbie Derbysiegerin“. „Seit 2011 nutze ich den, leider musste ich mich im Frühjahr in ,Debbie Herbstmeisterin´ umbenennen, aber seit dem 14. Oktober geht Derbysiegerin ja wieder“, sagt sie und hofft, dass dieser Name auch nach dem 23. April, dem Rückspiel gegen den Stadtnachbarn aus Bahrenfeld, bleiben kann.
Dauerkarte, D-Jane, Fanszene – wenn man dann noch ein offener und kommunikativer Mensch ist, ergibt sich eine gute Vernetzung mit der Zeit von allein. „Ich habe mir sehr schnell eine Liste gemacht“, mit welchen Frauen ich gerne sprechen möchte“, erinnert sie sich. Manche waren schnell dabei, andere zögerten, wieder andere wollten gar nicht.
So kreiert Debbie Kunkel eine entspannte Gesprächsatmosphäre
Eine Wahrheit nämlich ist nicht zu leugnen: „Männer trauen sich öfter, sich in die Öffentlichkeit zu begeben als Frauen, auch wenn sie gar nicht so viel vorzuweisen haben“ hat auch Debbie Kunkel festgestellt. Sozialisation, Rollenbilder, was auch immer – der Spruch „Tue Gutes und rede drüber“ trifft auf Männer offenbar wirklich eher zu.
„Ich gehe deshalb mit meiner Ausrüstung für den Podcast immer dahin, wo die Frauen arbeiten oder zu Hause sind“, berichtet Kunkel, „es ist wichtig, dass sie sich in einem sicheren Raum fühlen.“ So können dann die vertrauensvollen Gespräche entstehen, auf Augenhöhe, ohne Rollen zu spielen.
Drei Frauen von Ultra St. Pauli waren bereits zu Gast, der angeblich so harten Fanszene von der Südtribüne, Corinna, die sich bei Hanseatic Help engagiert, Britta, Celina und Hanna vom FC St. Pauli-Museum, die Tätowiererin Rike, Melli und Franzi, die in dem Projekt „Kiezkick“ des Fanladens Mädchen und junge Frauen in Fußball und auch Boxen trainieren. Auch Lydia hat schon ihre Geschichte erzählt, die als einzige Frau in der Arbeitsgemeinschaft für interessierte Mitglieder (Agim) mitarbeitet und auch im Ständigen Fanausschuss aktiv ist.
Bis zu 35 Prozent der Stadionbesucher des FC St. Pauli sind Frauen
Zwischen 30 und 35 Prozent der Stadionbesucher sind beim FC St. Pauli -besucherinnen. Der Frauenanteil ist damit höher als die bundesweit durchschnittlich 22 Prozent. Und obwohl sich Verein und Fans am Millerntor nun wirklich sehr eindeutig nicht nur gegen Nazis und Rassismus, sondern eben auch gegen Homophobie und Sexismus positionieren, kommt es in den Kurven immer wieder zu Übergriffen. „Auch in der Fanszene erleben wir, dass wir in so eine Frauen-Sekretärinnenrolle gedrängt werden“, berichtet Celina vom Museum, „das Millerntor ist nicht der Safe Space, den wir gerne hätten.“
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Um so wichtiger ist es eben, den Frauen eine Stimme zu geben, die auch ohne männliche Zwischenrufer zu vernehmen ist. „Mittlerweile haben sich auch schon Frauen proaktiv bei mir gemeldet, um ihre Geschichte zu erzählen“, berichtet Debbie Kunkel. Die „Female St. Pauli Stories“, die auf allen gängigen Podcatchern und auch über die Seite des „Millerton“ zu streamen sind, sind nach einem Jahr noch lange nicht auserzählt.
Mittelfeldspieler Afeez Aremu (23), der beim Spiel in Magdeburg nicht im Kader stand und seitdem nicht am Training teilnahm, postete bei Instagram ein Foto von seinem bandagierten rechten Fuß. Der Verein gab noch keine Diagnose bekannt. Igor Matanovic wird am Montag an der verletzten Schulter operiert.