Hamburg. Rund 600.000 Euro zahlte der Kiezclub für den 25-jährigen. Dabei wollte der als Kind in einer ganz anderen Branche durchstarten.

Kaum in Hamburg angekommen, und schon ein altes – zugegebenermaßen ziemlich dämliches – deutsches Sprichwort entkräftet. „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen“, wird vor allem Profisportlern häufig nachgesagt.

Geradezu unfair, dass Oladapo Afolayan, der angesichts seiner Explosivität als Paradebeispiel hierfür gelten könnte, mit reichlich Qualität in Beinen und Kopf gesegnet ist. Aber mit Unfairness kennt sich der 25-Jährige, dessen Dienste sich der FC St. Pauli Mitte Januar rund 600.000 Euro kosten ließ, ohnehin aus.

FC St. Pauli: Oladapo Afolayan setzt auf Defensive

In der vergangenen Saison war Afola­yan, damals noch bei den Bolton Wanderers, der meist gefoulte Spieler der drittklassigen englischen League One. In der Zweiten Liga – das gleiche Bild. Eine nachhaltige Defensivstrategie, den pfeilschnellen Londoner mit nigerianischen Wurzeln auf diesem Niveau legal zu stoppen, scheint nicht zu existieren.

„Ich kenne es nicht anders. Mein Spielstil basiert darauf, schnell in die Gefahrenzone vorzudringen, das kommt auf Kosten der Fouls“, sagt Afolayan. Sich auf das ständige Gehacke vorzubereiten, Verletzungsprophylaxe zu betreiben, sei nicht effektiv möglich. „Aber ich bin einfach robust als Spieler“, sagt der Engländer und fügt entscheidend an, „und als Mensch.“

"Dapo" spielte auch beim FC Chelsea

Wer den Zusatz verstehen möchte, muss wissen, wo Afolayan herkommt. Aufgewachsen in der britischen Hauptstadt, entging sein Talent selbstverständlich keinem namhafteren Club. So war es der FC Chelsea, bei dem „Dapo“ bereits gespielt hatte, der Familie Afolayan offerierte, ihren 14 Jahre alten Sohn in die Jugendakademie aufzunehmen.

Das Angebot der „Blues“ lag auf dem Tisch. Und der Flügelstürmer ließ den Traum eines wohl jeden jugendlichen Fußballers aus freien Stücken einfach mal platzen. Die Begründung ist umso erstaunlicher: „Ich wollte mich auf meine Schule konzentrieren. Bildung hat immer eine große Rolle in unserer Familie gespielt. Es ist etwas, das dir niemand jemals wegnehmen kann.“

Eigentlich wollte der Sportler Tiefbau studieren

Überzeugt davon, seinen Weg in den bezahlten Fußball auf anderen Pfaden zu nehmen, zog es Afolayan zunächst in die kanadische Metropole Toronto, da seine Mutter dort ein Jobangebot angenommen hatte, dann wieder zurück nach England. Abermals der Bildung zuliebe. Der 1,80-Meter-Athlet mit reichlich Tiefgang wollte Tiefbau studieren. Nebenher spielte er semiprofessionellen Fußball für die Lough­borough University und den fünftklassigen Solihull Moors FC.

„Damals habe ich dafür bezahlt, am Wochenende Fußball spielen zu dürfen, heute werde ich dafür bezahlt. Dafür lasse ich mich auch foulen. Und verglichen mit den Fouls, die auf dieser Ebene durchgegangen sind, sind die auf gehobenem Niveau sanft“, sagt Afolayan. „Ich stehe einfach immer wieder auf und spiele weiter.“

Technisches Level in Deutschland „extrem hoch“

Weiterstudieren konnte der Linksaußen schließlich beim besten Willen nicht mehr, als Premier-League-Club West Ham United ihn Anfang 2018 unter Vertrag nahm, in den Folgejahren aber an unterklassige Clubs verlieh. Zu einem Einsatz in der besten Liga der Welt kam es nie.

Dafür in der zweitbesten deutschen. „Das technische Level hier ist extrem hoch. Die Entscheidungsfindung der Spieler schneller und effektvoller“, hat der Neuzugang in seinen ersten vier Spielen, die alle gewonnen wurden, festgestellt. In jeder Partie offerierte er mehrere Momente, in denen sein Potenzial aufblitzte, das Tempo für alle um ihn herum zu hoch erschien. Nüchtern betrachtet ist Afolayan dabei noch längst nicht am Limit. Mitunter fehlt ihm die Einbindung ins Spiel, zeitweise finden ihn die Mitspieler nicht.

Afolayan blickt optimistisch in die Zukunft

„Wir kommen noch dorthin, haben genug Qualität im Team dafür. Ich glaube an harte Arbeit“, sagt Afolayan, der sich im Vorweg seines Transfers genauestens über Hamburg und den FC St. Pauli informiert hat. „Es interessiert mich, in welchem Umfeld ich mich bewege, wofür mein Verein steht, was die Fans ausmacht. Und ich weiß, dass am Sonntag gegen Rostock ein ganz spezielles Match ansteht“, sagt Afolayan, der sich als „Student des Spiels“ bezeichnet.

Ein Student des Tiefbaus wird er auf absehbare Zeit nicht – was sehr unfair für die Zweitligakonkurrenz erscheint. „Aber später möchte ich sehr gern an die Uni zurück. Es gibt auch ein Leben nach dem Fußball.“ Well said.