Hamburg. Hansa Rostock erstmals nach elf Jahren mit Fans ins Millerntor-Stadion. Was kommt auf die Hamburger Polizei zu?

Der Aufruf startet unverdächtig. „Mit dem Zug nach St. Pauli! 26.02.2023 Abfahrt: Rostock Hbf 07:08 Uhr Gleis 3“, heißt es auf dem digitalen Flyer der Ultragruppierung „Suptras Rostock“. Was danach folgt, darf allerdings als Provokation des FC St. Pauli und dessen Anhängern verstanden werden: „Alle in Bomberjacke! Mit breiter Brust für Hansa!“ Vereint gegen den Kiezclub, bei dem der FC Hansa Rostock am Sonntag gastiert.

Die Bomberjacke ist dabei eine subtile Kampfansage. Sie gilt als Sinnbild des Neonazismus der 1990er-Jahre und wird auch heute noch von vielen Neonazis getragen. Inzwischen ist die Jacke, die ursprünglich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für amerikanische Bomberpiloten hergestellt wurde, allerdings im Mode-Mainstream angekommen.

Rostocker Fanclubs wollen nicht mit Hamburger Medium sprechen

Vielmehr ist zu befürchten, dass es über den Dresscode hinaus zu Auseinandersetzungen kommen wird. Beide Fanlager sind bis auf wenige Ausnahmen zutiefst rivalisierend. Die Geschichte ist gut dokumentiert und reicht bis 1993 zurück. Damals hatten etwa 400 Hooligans und Rechtsextreme aus Rostock versucht, den Gästeblock der politisch eher links orientierten St.-Pauli-Fans zu stürmen. Fortsetzungen folgten verlässlich. In der Ros­to­cker Fan­szene herrscht Einigkeit darüber, poli­ti­sche Inhalte aus Sta­dien zu ver­bannen. Eine Annäherung der Fehde aus Richtung der Hansa-Kurve scheiterte unter anderem daran, dass Rostocker Fanclubs zurückhaltend auf Anfragen des Abendblatts und darauf, mit einem Hamburger Medium zu sprechen, reagierten.

Weniger Schüchternheit dürften hingegen die Hansa-Fans an den Tag legen, deren Regionalexpress am Sonntag um 9.38 Uhr am Hamburger Hauptbahnhof eintrifft, an dem dann bereits ein Empfangskomitee der Polizei warten wird. Die Behörden stufen die Begegnung als Hochrisikospiel ein, sind vorbereitet.

Rückkehr der Rostocker ins Millerntor-Stadion nach fast elf Jahren

Es ist die Rückkehr der Rostocker ins Millerntor-Stadion nach fast elf Jahren. Am 22. April 2012 mussten die Anhänger der Gäste einen 3:0-Sieg von St. Pauli über sich ergehen lassen. In Folge spielten beide Clubs in unterschiedlichen Ligen – mit Ausnahme der Vorsaison. Doch den Auftritt ihrer Mannschaft auf St. Pauli am 24. Oktober 2021 boykottierten die Ostdeutschen. Damals galt in Hamburger Stadien noch die 2G-Regelung, wonach nur geimpfte und genesene Menschen Zutritt erhielten. Das Kontingent von knapp 1000 Tickets nahm Hansa nicht wahr. Womöglich besser so. St. Pauli gewann mit 4:0.

So werden nun erstmalig Hansa-Fans – gerechnet wird mit rund 3000 – die Nordtribüne des Millerntor-Stadions besetzen. Beim Gastspiel 2012 existierte die im Juli 2015 fertig gestellte Nordkurve noch nicht. Um die Situation zu entschärfen, werden kein Alkohol verkauft und eine Pufferzone zwischen dem Heim- und Auswärtsbereich eingerichtet. So bleiben etwas mehr als 200 Steh- und Sitzplätze frei.

Immerhin: Im Vergleich zu vorherigen Aufeinandertreffen flogen die Giftpfeile zwischen den Fans nicht Wochen im Voraus. Rostock hat als abstiegsbedrohter Tabellenzwölfter, der in der Rückrunde erst drei Punkte geholt hat, momentan andere Probleme.

Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes trüben jedoch die Hoffnung auf ein vergleichsweise ruhiges Spiel. Rund um das Heimspiel gegen Zweitligaspitzenreiter SV Darmstadt 98 am Sonnabendabend kam es zu mehreren gewalttätigen Vorfällen. Unter anderem wurde eine schwedische Jugendmannschaft aus Kalmar angegriffen. Zudem waren Shuttlebusse, mit denen Darmstädter Fans vom Ostseestadion zum Rostocker Hauptbahnhof gebracht wurden, von Unbekannten mit Steinen beworfen worden.

FC Hansa selbst bezieht überraschend eindeutig Stellung dazu

Der FC Hansa selbst bezog eindeutig Stellung dazu. „Um es ganz deutlich zu sagen: Mit derart asozialen und völlig sinnbefreiten Handlungen werden Grenzen überschritten und man kann sich als Verein für so ein Verhalten nur schämen“, hieß es auf der Website des Clubs. Solche Aktionen seien unvereinbar mit den Werten des Zweitligisten: „Kurzum: Vielleicht einfach mal das Gehirn einschalten, bevor man auf ,tolle‘ Ideen kommt, die in jeglicher Hinsicht nur Schaden anrichten und rein gar nichts mit Vereinsliebe oder Fankultur zu tun haben.“

Wichtig in diesem Kontext: Die Eskapaden und Gewaltexzesse leistet sich nur ein geringer Anteil der Rostocker Fans. Dies allerdings seit Jahrzehnten, was wiederum den Ruf der „Kogge“ und einer ganzen Stadt massiv in Mitleidenschaft zieht.