Hamburg. Ex-Profi Jan-Philipp Kalla über seinen Erfolg als Trainer bei den Fußballerinnen des FC St. Pauli und seine Pläne.

Am 25. März verabschiedet sich St. Paulis Jan-Philipp Kalla (36) am Millerntor mit einem Abschiedsspiel von den Fans. Weg ist er aber nicht. Kalla, Spitzname „Schnecke“, ist seit 2018 als Frauentrainer des FC St. Pauli sehr erfolgreich. Das von seiner Lebensgefährtin Kim Koschmieder und ihm gegründete Team stieg dreimal hintereinander von der Kreisliga bis in die Oberliga Hamburg auf.

Seit einem Jahr legen die Regionalliga-Fußballerinnen unter Führung des Duos einen sensationellen Aufschwung hin. Höchste Zeit also für ein Interview mit Kalla über den Frauenfußball und sein Trainerdasein bei St. Pauli.

Herr Kalla, Kim Koschmieder und Sie haben als gleichberechtigtes Trainerteam im Jahr 2022 in 27 Spielen 44 Punkte mit den 1. Frauen des FC St. Pauli in der Regionalliga Nord geholt. Erst gelang der kaum noch für möglich gehaltene Klassenerhalt, nun steht das Team auf Rang sechs. Verraten Sie uns das Erfolgsgeheimnis?

Jan-Philipp Kalla: Kim und ich haben ein intaktes Team übernommen. Die Spielerinnen haben vom ersten Tag an mit Ehrgeiz und Begeisterung daran gearbeitet, die Art und Weise unseres Fußballs auf dem Platz umzusetzen. Geduld und der Glaube an die eigene Stärke gehören auch dazu. In diese Saison sind wir bei einem sehr schwierigen Auftaktprogramm nicht gut gestartet. Wir haben den Spielerinnen aber immer wieder vermittelt: ,Ihr habt vergangene Saison Großes geleistet! Ihr könnt es!‘ Das ist ein Grund für die jüngste Siegesserie.

St. Pauli: Warum Kalla Trainer wurde

In der Winterpause der Vorsaison verpflichteten Sie in höchster Abstiegsnot Stürmerin Emma Lisa Frings vom Bramfelder SV aus der Landesliga. Sie übersprang zwei Spielklassen und schoss zwölf wichtige Tore zum Klassenerhalt. Ein kleines Märchen?

Kalla: Torsten ist auf jeden Fall ein Phänomen ...

Torsten?

Kalla: Das ist Emmas Spitzname (schmunzelt). Wir hatten schon eine Emma, also haben wir sie nach Torsten Frings benannt. Kim und ich kannten sie jedenfalls schon als Gegenspielerin unseres zweiten Teams in der Landesliga. Aus dieser Spielklasse haben wir im selben Winter auch Torfrau Friederike Ihle geholt. Wir haben beiden Spielerinnen die Regionalliga Nord zugetraut, und sie haben sich wie das gesamte Team prächtig entwickelt.

Warum wollten Sie Trainer werden?

Kalla: Als Spieler konnte ich nicht immer jede Entscheidung eines Trainers so ganz nachvollziehen. Manchmal dachte ich: Das würde ich anders machen. Trotzdem habe ich versucht, mir von allen meinen Trainern das Beste abzuschauen. Besonders motivierten mich die Trainer, die es geschafft haben, die ganze Gruppe mitzunehmen. Sie haben stets offen und ehrlich kommuniziert. Hast du nicht gespielt, warst du enttäuscht. Aber du wusstest immer, wo du stehst und hast mit deinem Trainer nie ein negatives Gefühl verbunden. Ein solcher Trainer möchte ich sein. Kim und ich setzen auf diese offene und ehrliche Kommunikation.

Wie viel Freude macht Ihnen die Tätigkeit?

Kalla: Sehr große Freude. Das liegt vor allem an den Spielerinnen. Sie bekommen hier keinen Cent. Trotzdem sind sie dreimal in der Woche beim Training plus am Wochenende beim Spiel. Alle haben Bock darauf, auf dem Platz mit uns zu arbeiten. Sie nehmen Auswärtsfahrten bis nach Meppen auf sich und haben viel Spaß dabei. Ich finde das sehr ehrlich. Auch deshalb arbeiten wir im Verein alle gemeinsam intensiv daran, die Bedingungen für unsere Spielerinnen zu verbessern.

Gehört dazu auch die Zahlung von Aufwandsentschädigungen?

Kalla: Das ist ein Punkt, den wir zunächst in der Abteilung diskutieren, bevor wir uns öffentlich dazu äußern.

St. Paulis Frauen bald am Millerntor?

Ein weiteres Zeichen der Wertschätzung vonseiten des Vereins wäre ein Spiel am Millerntor, wie es die U 23 der Herren in der Hinrunde bestreiten durfte. Wie stehen Sie dazu?

Kalla: Ich kann es mir grundsätzlich vorstellen, mit unserem Frauenteam hier am Millerntor zu einem Heimspiel aufzulaufen. Klar ist aber auch: Eine Stadionöffnung kostet viel Geld. Wir haben jetzt – je nach Wetter und Gegner – zwischen 200 und 400 Zuschauern pro Heimspiel an der Feldstraße. Da muss man auch Verständnis für den Aufwand haben, den das bedeutet, und es muss dementsprechend sinnvoll geplant werden.

Der FC St. Pauli steckt gerade in den Planungen für den Ausbau seines Trainings- und künftigen Nachwuchsleistungszen­trums an der Kollaustraße. Werden sich die Trainingsmöglichkeiten für das Frauenteam verbessern, welches aktuell dreimal in der Woche an der Feldstraße trainiert?

Kalla: Ein vereinsinternes Gespräch zu diesem Thema wird im Februar stattfinden. Dem möchte ich nicht vorgreifen.

Sind Sie denn optimistisch?

Kalla: Ja. Ich spüre die Unterstützung des Vereins. Mehr Trainingsmöglichkeiten wären ein weiterer großer Schritt auf unserem leistungsorientierten Weg. Langfristig ließe sich so vielleicht auch der Aufstieg in die Zweite Liga in Angriff nehmen.

Der Chef des Hamburger Fußball-Verbandes, Christian Okun, setzt sich für ein mittelgroßes Stadion für Hamburg ein. Eines seiner Argumente: Wenn ein Hamburger Frauenteam in den Profibereich aufsteigt, braucht es eine solche Spielstätte. Halten Sie mehrere Tausend Fans bei einem Frauenprofifußballspiel in Hamburg für eine realistische Vision?

Kalla: Grundsätzlich ist das sicherlich denkbar. Bei der letzten Europameisterschaft war zu sehen, wie fabelhaft sich der Frauenfußball entwickelt hat. Diese Entwicklung wird übrigens nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite voranschreiten. Der DFB will jetzt Förderzentren für die Juniorinnen analog zu den Nachwuchsleistungszentren bei den Junioren einführen. Das ist ein sehr sinnvoller Schritt für die leistungsorientierte Ausbildung der Mädchen. Den Fans wird künftig immer besserer Frauenfußball geboten werden. Dann kann es sein, dass viele sagen: Ich gucke mir die Heimspiele der Frauen an, weil mir dieser Fußball und dieses Team gut gefällt.

Zum Abschluss noch einmal in die Gegenwart. Wie lautet Ihr Saisonziel?

Kalla: Wir wollen im Lotto-Pokal ins Finale kommen und das möglichst gewinnen. Werden wir in der Regionalliga Nord Fünfter oder Sechster, wäre das ein Riesenschritt im Vergleich zur vergangenen Saison. Diesen Schritt wollen wir gehen.