Hamburg. Spieler mit 18 Nationalitäten stehen im Kader des Kiezclubs, zwei Lehrerinnen unterrichten Deutsch. Deutsche Profis sind zu teuer.
„That was not a Handspiel!“, schallt es während eines intensiven Trainingsspiels laut über den Trainingsplatz des FC St. Pauli. „Right shoulder, right shoulder“, die rechte Schulter nach vorne zu drehen, fordert ein Torwart seinen Verteidiger auf. Und irgendwann mischt sich dann Trainer Fabian Hürzeler lautstark ein: „Jungs, mehr Druck – more pressure“.
„Fußball-Denglisch“ scheint die Amtssprache bei den Zweitliga-Kickern vom Millerntor zu sein. So viel Deutsch wie möglich, so viel Englisch wie nötig. „Der Trainer wechselt die Sprache in den Sitzungen, wenn es sein muss“, sagt Sportchef Andreas Bornemann, der dort eine wahre „Multi-Kulti-Truppe“ zusammengestellt hat, wie es sie in der Geschichte des FC St. Pauli noch nie gegeben hat.
„Denglisch“ ist die Amtssprache beim FC St. Pauli
Spieler mit 18 Nationalitäten stehen im kompletten 32-köpfigen Kader wenn man auch Doppelstaatsangehörigkeiten mitzählt. Rechnet man deutsche Muttersprachler wie den Kosovaren Leart Paqarada und Spieler mit zwei Pässen heraus, bleiben immer noch zehn „Fremdsprachler“ – acht davon standen beim 2:0-Sieg gegen Hannover 96 am vergangenen Sonntag in der Startaufstellung.
St. Pauli folgt damit einem Trend, der sich in den ersten beiden deutschen Ligen verstärkt hat. Der HSV hat 13 ausländische Spieler, davon neun, die nicht deutschsprachig aufgewachsen sind. In der Bundesliga sind inzwischen 52 Prozent der Profis aus dem Ausland, bei den Stammspielern schätzt Spielerberater Stefan Backs den Anteil sogar auf 72 Prozent. „Das ist ganz schlecht für den deutschen Fußball“, sagt er, „denn jeder Ausländer nimmt einem deutschen Talent die Möglichkeit zu Einsätzen und Entwicklung.“
Bornemann begründet den Ausländeranteil im Team auch mit dem Kostenfaktor: „Einen deutschen Spieler mit dem Profil von Connor Metcalfe – jung, entwicklungsfähig mit Erstligaerfahrung – könnten wir uns nicht leisten. Der Marktwertunterschied zu deutschen Spielern ist deutlich und kaum nachvollziehbar.“ Der Spielerberater Backs hält dieses Argument jedoch für vorgeschoben. „Das stimmt so nicht. Wir wären doch froh, wenn deutsche Spieler durchkommen.“
Eric Smith oder Jackson Irvine verstehen inzwischen Deutsch
In der Bundesliga würden allerdings nur der SC Freiburg und der 1. FC Union Berlin auf die Entwicklung junger deutscher Spieler setzen. Es gehe bei den meisten Vereinen um das Geschäftsmodell Entwicklung – günstig einkaufen, teuer verkaufen. Das geht mit ausländischen Spielern einfacher, „weil die Ausbildung von denen in der Jugend besser ist.“ Und weil sie für den ausländischen Markt attraktiver seien.
Das sei ein Grundproblem, was auf Deutschland und die Nationalmannschaft zukommt: „Bei uns werden die Nachwuchstrainer unterbezahlt, also versuchen diese, in den Profibereich zu kommen.“ Das gehe über Ergebnisse der betreuten Mannschaften. Individualismus werde vernachlässigt, die Spieler in Systeme gepresst, Eins-gegen-eins ist verboten.
Und der FC St. Pauli muss einen schnellen Dribbelkünstler wie Oladapo Afolayan für 600.000 Euro in Englands dritter Liga kaufen. Der wird nun täglich bei Hürzeler vorstellig, um zu fragen, wo er sich verbessern kann. Auf Englisch. „Kommunikation ist sehr wichtig“, sagt Bornemann, „mir fällt aber in unserem Kader kein Spieler ein, der nicht Englisch spricht.“
FC St. Pauli: Viele deutsche Spieler sprechen gerne Englisch
Bei der Verpflichtung von Neuzugängen war das demnach ein wichtiges Kriterium. „Unser Brasilianer Maurides spricht zum Beispiel sehr gut Englisch“, erzählt der Sportchef, „wir checken das vorher ab.“ Das Ziel des Vereins bleibt aber, dass die Spieler Deutsch verstehen und sprechen können. Neben der langjährigen Deutschlehrerin Dorit Seiffe-Kohn hat der Club deshalb mittlerweile eine weitere Lehrerin engagiert. Mindestens einmal in der Woche müssen die Spieler zum Deutschunterricht erscheinen, der in unterschiedlichen Lerngruppen organisiert ist, die sich nach dem Sprachniveau der Schüler richten.
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„Eric Smith oder Jackson Irvine verstehen inzwischen auf Deutsch praktisch alles“, berichtet Bornemann, „anderen fällt es etwas schwerer. Das ist aber ganz normal.“ Auch der Este Karol Mets kam nach einem Jahr beim FC Zürich bereits mit guten Deutschkenntnissen nach Hamburg: „Ich verstehe fast alles an Fußball-Vokabeln.“ Der zurzeit verletzte Österreicher David Nemeth erzählte im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“: „Die Spieler, die in der Kabine neben mir sitzen, sprechen fast alle nur Englisch. Dort rede ich mehr Englisch als Deutsch.“ Das soll zwar nicht so sein, erleichtert aber die Verständigung.
Bornemann hat noch eine Besonderheit festgestellt: „Viele unserer deutschsprachigen Spieler sprechen gerne Englisch, um selbst ihre Kenntnisse zu verbessern.“ Wie auch immer, das Wichtigste ist gegenseitiges Verständnis – gerade beim FC St. Pauli.