Hamburg. St. Paulis Australier Connor Metcalfe spricht übers Autofahren, sein erstes Tor und den Traum von der Weltmeisterschaft.

Obwohl er von „Down Under“, also der anderen Seite der Erde, stammt, stand die Welt für Connor Metcalfe seit seinem Wechsel zum FC St. Pauli nur für einen kurzen Moment kopf. Kulturschock? „No“, sagt Metcalfe, der an die meisten Sätze das typisch australische „Mate“ (zu Deutsch: Kumpel) hängt. Alles völlig entspannt in Hamburg.

Doch dann war da dieser eine Moment. Sportpark Ronhof, Fürth, 85. Minute, etwas, das die „Men at Work“ in ihrer inoffiziellen aus­tralischen Nationalhymne „Down Under“ mit „Can’t you hear, can’t you hear the thunder?“ (Kannst du den Donner hören?) passend beschrieben hätten. Metcalfe donnerte kurz hinter dem Strafraum einen Linksschuss zum 2:2 ins Netz. Sein erstes Tor für St. Pauli. Für diesen Moment verlor der 22-Jährige kurz die Fassung. Seitdem ist er auch öffentlich angekommen. Das Abendblatt hat mit ihm darüber gesprochen.

Hamburger Abendblatt: Mister Metcalfe, wie sind Sie heute Morgen zum Training gekommen?

Connor Metcalfe: Mit dem Auto.

Das Rechtsfahren ist für Sie als Australier also kein Problem mehr?

Metcalfe: Das war zunächst etwas gruselig, ich habe ein paar Versuche gebraucht, mittlerweile komme ich aber gut zurecht.

War die Umstellung beim Autofahren die größte Hürde seit Ihrem Umzug aus Australien?

Metcalfe: Nein, das war wahrscheinlich die Sprache. Ich habe vergangene Woche begonnen, Privatstunden zu nehmen. Ein bisschen was habe ich mittlerweile drauf: „Wie geht’s dir?“ „Ich komme aus Australien.“ „Auf geht’s, St. Pauli!“

Wie sind Sie in Australien, in dem Rugby die Nationalsportart ist, mit Fußball in Kontakt gekommen?

Metcalfe: Ursprünglich bin ich nördlich von Sydney, in New South Wales, geboren und aufgewachsen. Als ich 14 war, sind wir nach Melbourne gezogen. Dort haben Kinder in der Schulpause Fußball gespielt. Ich hatte den Sport zuvor nie gesehen, es aber ausprobiert und mich direkt verliebt. Deshalb bin ich in den Verein eingetreten und bis vor Kurzem in Melbourne geblieben.

Ihr Trainer Timo Schultz hat kürzlich gesagt, physisch sei es Ihnen zu Beginn schwergefallen, in Deutschland mitzuhalten. Das lässt darauf schließen, dass Sie nie Rugby gespielt haben.

Metcalfe: Tatsächlich nicht, höchstens als Kind mal mit meinen Freunden. Aber ich bin zu schmächtig dafür und würde ständig nur umgehauen werden.

In den ersten Wochen bei St. Pauli seien Sie kaum in der Lage gewesen, die zweite Trainingseinheit am Tag mitzumachen. Ist diese Physis der größte Unterschied zwischen dem australischen und europäischen Fußball?

Metcalfe: Alles spielt sich hier einfach auf einem höheren Level ab. Als ich angekommen bin, war ich geschockt von der Größe der Spieler. Nehmen wir Igor Matanovic, der Junge ist 19 Jahre, aber besitzt einen gewaltigen Körper. Am Anfang war ich aber einfach auch noch nicht richtig fit. Direkt nach Saisonende in Australien hatte ich zehn Tage Urlaub, in denen ich nicht trainiert habe, dann ging es schon nach Deutschland. Ich habe dann hier viele Extraeinheiten eingelegt, um wieder frisch zu werden. Mittlerweile bin ich gut dabei.

Sie haben in den ersten sechs Spielen insgesamt nur 18 Minuten gespielt. Inwiefern sind Sie bereits nervös geworden wegen Ihrer geringen Einsatzzeiten?

Metcalfe: Überhaupt nicht. Letztlich entscheidet der Trainer, wer wie viel spielt. Ich war mental aber stets auf einen Einsatz vorbereitet. Das Spiel in Fürth war ein gutes Beispiel dafür, wie ich dem Team helfen kann.

Wie denn?

Metcalfe: Ich möchte dem Team das geben, was es gerade braucht. Seien es Tore, Vorlagen oder auch Läufe in den Raum, um meine Mitspieler freizubekommen. Außerdem weiß ich, was es braucht, um Spiele zu gewinnen. (Connor Metcalfe wurde mit Melbourne City zweimal australischer Meister, die Red.)

Auf welcher Position fühlen Sie sich am wohlsten?

Metcalfe: Wenn wir die Raute spielen, sicher auf der Acht.

Zufällig derselben Position, die Ihr Landsmann Jackson Irvine in der Raute bekleidet. Inwiefern hat er Ihnen beim Einleben in Deutschland geholfen?

Metcalfe: Er hat mir schon vor meinem Wechsel geholfen, indem er mich davon überzeugt hat, dass es das absolut Beste sei, zu St. Pauli zu kommen. Der Club sei fantastisch, er hat kein schlechtes Wort verloren. Als ich dann hier war, hat er es mir einfach gemacht, schnell anzukommen und mich wohlzufühlen. Ich hole ihn häufiger zum Training ab und fahre ihn nach Hause. Wir essen regelmäßig gemeinsam, er hat mir seine Freundin und viele Freunde vorgestellt. Dazu hilft er mir mit der Sprache, da er bereits sehr gut Deutsch spricht.

Den Schnäuzer haben Sie sich bislang nicht von ihm abgeschaut.

Metcalfe: Nein, damit warte ich bis zum November.

Also pünktlich zur Weltmeisterschaft in Katar. Wie sehen Sie Ihre Chancen, zum Nationalteam zu gehören?

Metcalfe: Allein schon dadurch, dass ich jetzt in Europa spiele, habe ich sie gesteigert. Daher kam der Wechsel nach Hamburg genau zur richtigen Zeit. Letztlich benötige ich in den nächsten Wochen aber auch genügend Spielpraxis. Die zu erhalten habe ich mit guten Trainings- und Spielleistungen aber selbst in der Hand. Es wäre fantastisch, die Weltmeisterschaft für Australien zu spielen. Gemeinsam mit Jackson.

Irvine befasst sich viel mit gesellschaftspolitischen Themen. Was sind Ihre Themen in der Freizeit?

Metcalfe: Um ehrlich zu sein, momentan immer noch, mich erst einmal richtig in Hamburg einzuleben. Daher gehe ich viel in der Stadt spazieren, schaue mir die Sehenswürdigkeiten an. Neulich war ich auf dem Michel, die Aussicht war spektakulär.

Einen Kulturschock hatten Sie also nicht zu verdauen, oder?

Metcalfe: Nein, da ich in Melbourne gelebt habe, war ich eine multikulturelle Atmosphäre gewöhnt.

Wie halten Sie den Kontakt zu Ihrer Familie in Australien?

Metcalfe: Indem ich sie jeden Morgen anrufe. Wenn ich zu spät aufstehe, schlafen sie schon wieder. Das Timing ist entscheidend. Sie haben geplant, kommendes Jahr hierherzukommen, um mich zu besuchen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Stammen Sie denn aus einer sportbegeisterten Familie?

Metcalfe: Das kann man nicht sagen. Mein Bruder beispielsweise ist komplett unsportlich, mein Vater ist Jazzmusiker.

Welche Musik hören Sie?

Metcalfe: Alles, außer Jazz. (lacht)

Mussten Sie der Mannschaft nach Ihrem ersten Tor eigentlich etwas ausgeben?

Metcalfe: Ich glaube, ich muss dafür in die Mannschaftskasse einzahlen. Nächstes Mal sollte ich mir zweimal überlegen, ein Tor zu schießen. (lacht)

Vielen Dank und allzeit gute Fahrt auf der rechten Spur!