Hamburg. Der 26-Jährige präsentiert sich in Topform – auf und neben dem Spielfeld. Auch das Kapitänsamt hätte er sich zugetraut.
Wahrscheinlich wäre selbst Max Kruse, der kürzlich angab, sein typischer Arbeitstag ginge von 9 bis 13 Uhr, neidisch auf das, was der Dienstplan für Marcel Hartel am Montag vorsah: nämlich einen komplett freien Tag. Und während andere Profis des FC St. Pauli, wie Jakov Medic beispielsweise, den Ruhetag regelmäßig für Krafttraining nutzen, durfte Hartel endlich mal so richtig ausspannen. Es dürfte längst verblasste Erinnerungen wecken. Denn seit Saisonbeginn ist der 26-Jährige immer auf den Beinen.
83,4 Kilometer, fast zwei Marathondistanzen, hat Hartel bereits erlaufen. Nur sein Mittelfeldkollege Jackson Irvine (84,1 km) und Paderborns Ron Schallenberg (84,4 km) waren länger auf den Beinen, spielten aber auch jeweils zehn Minuten mehr. Von Spielern, die mindestens 500 Minuten eingesetzt wurden, läuft pro Partie sowieso keiner mehr.
FC St. Pauli: Hartel ist der beste Akteur der Hamburger
Mit 520 sogenannten intensiven Läufen befindet sich der gebürtige Kölner ligaweit auf Rang sechs. Die eigentlich gute Botschaft hinter den begrenzt aussagekräftigen Zahlen: Hartel verschwendet keine Energie auf seinen Reisen zwischen den Strafräumen sinnlos, sondern ist der formstärkste und zuletzt häufig auch effektivste und beste Akteur der Hamburger.
Die Gründe hierfür sind auf dem Platz und abseits desselben zu suchen. Auf dem Spielfeld hat es Hartel geholfen, dass St. Pauli vom 4-4-2 mit Raute abrückte zugunsten eines 4-2-2-2, in dem er etwas höher steht und seine Stärken im hohen Pressing besser einsetzen kann. Regelmäßig tauscht er die Positionen im Zentrum mit Irvine und Lukas Daschner, was der Vielseitigkeit im Offensivspiel St. Paulis zuträglich ist. Dadurch hat Hartel, an dessen Abschluss ständig gemäkelt wurde, plötzlich sogar eine Torgefahr entwickelt, die er erst am vergangenen Wochenende mit seinem Führungstreffer bei Greuther Fürth untermauerte.
Hartel's Vertrag läuft bis zum Sommer 2024
Die nette Anekdote hierzu: Im Vorfeld des Heimspiels gegen den 1. FC Magdeburg (3:0) hatte der beidfüßig begabte Eckenspezialist, dessen Vertrag noch bis zum Sommer 2024 läuft, St. Paulis Trainer Timo Schultz von der bevorstehenden Geburt seines ersten Kindes erzählt, das er mit seiner Frau Maike erwartet – und angekündigt, die Nachricht per Jubelbotschaft im Millerntor-Stadion bekannt zu geben, sollte er ein Tor erzielen.
Schultz schmunzelte und mutmaßte, dass das Baby womöglich früher dran wäre als der Papa mit seinem Treffer. Im Endeffekt jubelte Hartel schon gegen Magdeburg als Daumenlutscher mit unter das Trikot gestecktem Ball. „Auf der Doppelzehn gemeinsam mit Daschi zu spielen, hilft mir schon sehr, da ich mir nicht vermehrt die Bälle in der eigenen Hälfte abholen muss wie in der Raute, mit der ich allerdings auch bestens klarkomme“, sagte Hartel nach der Begegnung in Fürth.
FC St. Pauli: Hartel hätte sich das Kapitänsamt zugetraut
Noch viel besser kommt er in seiner zweiten Saison in Braun und Weiß in der Kabine zurecht. Das Kapitänsamt, das sich sein Kumpel Leart Paqarada und Irvine teilen, hätte er sich zugetraut. Letztlich ist Hartel, der beim 1. FC Köln und Arminia Bielefeld schon Bundesligaerfahrung in insgesamt 30 Spielen gesammelt hat, zumindest in den Mannschaftsrat gewählt worden. „Ich habe mir vorgenommen, mehr Verantwortung zu übernehmen. In allen Bereichen“, sagt Hartel. Ein weiterer Beleg dafür: Nach jedem Spiel, unabhängig vom Ausgang, stellt er sich für Interviews zur Verfügung – womit er sich von einigen seiner Kollegen abhebt.
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Im Übrigen auch von Max Kruse, der nach der 2:4-Niederlage seines VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln zwar wie Hartel auch lief, aber eben nur an den Mikrofonen vorbei.