Fürth. Der Hamburger Kiezclub wechselt den Torwart, kommt bei Greuther Fürth aber nicht über ein 2:2 hinaus. Metcalfe wird zum Helden.

Eine Saison nach sieben Spieltagen abzuschreiben verbietet sich. Wenngleich es sich beim FC St. Pauli nach dem 2:2 (1:0) bei Greuther Fürth durchaus anbieten würde, angesichts eines auf fünf Punkte angewachsenen Rückstands auf die Aufstiegsränge der Zweiten Liga und ganz viel Potenzial, aber bislang etwas weniger Potenz im Kader von einem Übergangsjahr zu sprechen.

Geschenkt, vorerst. Kann ja noch kommen, geht manchmal schneller als erwartet. Für Dennis Smarsch gilt diese Aussage allerdings nicht mehr. Nicht erst seit Fürth, sondern bereits den Tagen zuvor kann der Torwart seine Saison bei St. Pauli aller Voraussicht nach abschreiben. Übergangsjahr eben.

FC St. Pauli: Nikola Vasilj kehrt zurück

Dabei wollte der 23-Jährige genau das nicht mehr erleben. Den Übergang zum professionellen Fußball bewältigte der ehrgeizige Berliner bereits vergangene Saison als sicherer Rückhalt im DFB-Pokal. In diesem Sommer wurde dann ein angeblich offenes Duell mit Stammtorwart Nikola Vasilj ausgerufen, der sich dann auch noch pünktlich zum Saisonbeginn den kleinen linken Finger brach. Smarsch spielte also – und wackelte, aber fiel nicht. Öffentlich sprachen ihm die Verantwortlichen stets ihr volles Vertrauen aus, selbst nach der Verpflichtung des erstligaerfahrenen Sascha Burchert. Seit Sonnabend um 12 Uhr weiß die Öffentlichkeit, was Trainer Timo Schultz Smarsch schon unter der Woche mitgeteilt hatte: Dass der überraschend schnell genesene Vasilj in Franken als Nummer eins zurückkehrt.

Nun soll dies keineswegs als Abgesang auf Smarsch dienen. Es ist keine Entscheidung gegen ihn, sondern für Vasilj. Der sehr wahrscheinlich von Saisonbeginn an gespielt hätte, wäre er fit gewesen. „Niko war in der Vorsaison unsere Nummer eins und hat konstant und gut gehalten. Fußball basiert auf dem Leistungsprinzip, das gilt auch für Torhüter“, sagte Schultz nach der Begegnung, „Smash hatte die Möglichkeit, Ausrufezeichen zu setzen. Es wird nicht der letzte Rückschlag seiner sicher langen Karriere bleiben.“

Smarsch gegen Fürth nicht im Kader

Eine Möglichkeit, seiner Enttäuschung Ausdruck zu verleihen, erhielt Smarsch in Fürth nicht. Er stand nicht einmal im Kader. Darin sollte man jedoch nicht zu viel hineininterpretieren. „Dennis und Sascha werden sich als Nummer zwei künftig abwechseln“, so Schultz. Dass Burchert an seiner alten Wirkungsstätte, wo er von 2016 bis 2022 gespielt hatte und vor der Partie offiziell verabschiedet wurde, auf der Bank Platz nahm, war ebenso logisch, wie Smarsch im ersten Spiel nach seiner Degradierung nicht zu exponieren.

Für den eigentlichen Protagonisten der Torwartdebatte – bis dato in diesem Bericht sträflich übergangen – verlief die Rückkehr wie ein Déjà-vu. Der bosnische Nationaltorhüter parierte souverän, war bei beiden Gegentreffern wie fast schon üblich machtlos. „Wir haben vor den Toren zu schwach verteidigt, hatten Angst, Fürth richtig anzugehen“, kritisierte der 26-Jährige, der in den Vorwochen stets am Training teilnahm, lediglich die Hände weitgehend aus dem Spiel lassen musste.

Fürth überrumpelte St. Pauli

Und mit dem, was er ansprach, legte Vasilj den Finger direkt in die Wunde. Nachdem St. Pauli die erste Halbzeit gegen den komplett verunsicherten Bundesligaabsteiger, der noch immer auf den ersten Sieg wartet, dominiert hatte, kam der Gast wie ausgewechselt aus der Pause. „Wir hatten in der Kabine noch darüber gesprochen, was gut gelaufen ist“, sagte der erneut starke Marcel Hartel. Gut nämlich liefen das frühe, gnadenlose Pressing, die Ballzirkulation, der permanente Druck auf den gegnerischen Strafraum. Die Kiezkicker hätten höher führen können.

Davon zu sehen unmittelbar nach der Pause: nichts mehr. Fürth überrumpelte St. Pauli mit einer physischeren Herangehensweise komplett und offenbarte, wie zerbrechlich das defensive Konstrukt noch immer ist. Vor dem 1:1 gingen Zweikämpfe in Serie verloren, vor der Fürther Führung wurde der eingewechselte Luca Zander mehr oder wenig regelkonform umgerannt, ehe Jackson Irvine den Ball unglücklich ins eigene Netz köpfte.

Leart Paqarada scheiterte beim Elfmeter

Spielerische Lösungen finden die Hamburger, resolutere zu selten. „Manchmal ist es auch mal nötig, den Ball einfach auf die Tribüne zu dreschen, um ihn zu klären. Wir müssen klarer in unseren Aktionen werden, um in die Lage zu kommen, ein 1:0 mal länger zu halten und dann gezielte Konter zu setzen. Das ist der nächste Entwicklungsschritt, den wir schnellstmöglich lernen müssen“, sagte Schultz. Seine Elf ist angesichts von zehn Akteuren der Jahrgänge 1998 und 1999 noch außerordentlich lernfähig. Ob die Lektionen schon bald wirken oder eben doch ein Übergangsjahr bevorsteht – aber nach sieben Spieltagen verbietet sich das ja.

Dennoch deutet sich ein weiterer Übergang an. Leart Paqarada scheiterte zum zweiten Mal in Folge beim Elfmeter, diesmal an der Latte. „Der Nächste auf der Liste der Schützen bin ich, aber es war völlig in Ordnung, dass Paqa wieder angetreten ist, bei seiner Schusstechnik ist das klar“, so Hartel, der beim nächsten Strafstoß nicht übergangen werden dürfte.

FC St. Pauli: Metcalfe wird zum Helden

Umso treffender, dass ein bis dato weitgehend Übergangener zum Helden für St. Pauli avancierte. Nach bislang nur zwei Neun-Minuten-Einsätzen kam der im Sommer aus Australien ans Millerntor gewechselte Connor Metcalfe für die finalen elf regulären Minuten. Und feuerte sechs Minuten später ein Geschoss zum Ausgleich in Richtung Fürther Tor, das es selbst von Down Under ins Frankenland geschafft hätte.

„Connor musste erst mal Rechtsfahren lernen und sich an die höhere Intensität der Zweiten Liga im Vergleich zur australischen gewöhnen. Eine zweite Trainingseinheit war für ihn anfangs gar nicht darstellbar“, sagte Schultz, ehe er auf eine Qualität des 22 Jahre alten Mittelfeldspielers verwies, die St. Pauli derzeit besonders benötigt: „Er ist nicht so verspielt, sondern löst die Sachen einfach und mit Klarheit.“ Metcalfe braucht seine Saison definitiv nicht abzuschreiben. Sie hat gerade erst richtig begonnen.

Greuther Fürth: Linde – Asta (90.+1 Mhamdi), Michalski, Haddadi, John – Raschl, Christiansen – Abiami (87. Pululu), Tillmann, Sieb (75. Ache) – Hrgota.FC St. Pauli: Vasilj – Saliakas (46. Zander), Nemeth, Medic, Paqarada – Irvine, Smith (79. Metcalfe) – Daschner (60. Amenyido), Hartel – Otto (60. Matanovic), Eggestein (88. Boukhalfa).Tore: 0:1 Hartel (18.), 1:1 Hrgota (48.), 2:1 Irvine (52./Eigentor), 2:2 Metcalfe (85.). Besonderes Vorkommnis: Paqarada schießt Foulelfmeter an die Latte (73.). Schiedsrichter: Petersen (Stuttgart). Zuschauer: 10.553. Gelbe Karten: Christiansen (1) – Saliakas (1), Otto (2), Irvine (4), Amenyido (1), Boukhalfa (2). Mannschaftsstatistiken:Torschüsse: 10:15. Ecken: 6:6. Ballbesitz: 42:58 Prozent. Zweikämpfe: 103:104. Laufleistung: 115,4:115,8.