Hamburg. Trainer Timo Schultz stand beim 3:0-Sieg gegen den Aufsteiger aber vor allem wegen der offenen Torwartfrage im Fokus.

Ein wenig länger nachdenken musste Johannes Eggestein schon, als er erzählen sollte, wann ihm denn zuletzt zwei Tore in einem Spiel gelungen waren. „In Österreich habe ich das auch mal geschafft“, sagte der 24 Jahre alte Stürmer des FC St. Pauli nach dem hoch verdienten 3:0 (2:0)-Heimsieg am Sonntag gegen den Zweitliga-Aufsteiger 1. FC Magdeburg. Mit einem Schrägschuss mit dem linken Fuß und einem nach rechts unten gezielten Kopfball hatte Eggestein das Team vom Millerntor schon früh (3. und 14. Minute) in die Spur gebracht. Es waren Eggesteins Saisontore zwei und drei. Sie tun ihm auch deshalb besonders gut, weil der Angreifer nach dem Weggang von Torjäger Guido Burgstaller als bisheriger Königstransfer St. Paulis für die aktuelle Saison gilt und unweigerlich an dem von den Fans als „Fußballgott“ gefeierten Österreicher gemessen wird, auch wenn er einen anderen Spielstil verkörpert.

FC St. Pauli: Eggestein hat Torriecher neu entdeckt

In der gesamten vergangenen Saison hatte Eggestein, als er für den belgischen Erstligisten Royal Antwerpen spielte, keinen einzigen Treffer erzielt. Diesen Bann hatte er in dieser Saison schon beim 2:2 in seiner Geburtsstadt Hannover gebrochen. Jetzt konnte er sich erstmals auch im Millerntor-Stadion feiern lassen – und das gleich doppelt. Jetzt führt er die interne Torschützenliste erst einmal an und knüpft an sein erfolgreiches Jahr beim Linzer ASK an, als er in 28 Partien zwölfmal getroffen hatte.

Eggestein hatte bei seinen Toren auch davon profitiert, dass St. Paulis Trainer Timo Schultz die Magdeburger Spielweise nicht nur eingehend analysiert, sondern auch die passenden Maßnahmen gegen den spielstarken Aufsteiger ergriffen hatte. Eine davon war die Umstellung von der sonst gewohnten Mittelfeldraute auf ein flaches 4-4-2-System, in dem Lukas Daschner nicht mehr zentral als „Zehner“ hinter den Spitzen, sondern überwiegend auf der rechten Seite agierte und dort Außenverteidiger Manolis Saliakas unterstützte. Prompt machte der Grieche sein bisher bestes Spiel im St.-Pauli-Trikot. „Wir haben da eine Anpassung vorgenommen“, bestätigte Schultz später den Systemwechsel.

Die Einzelkritik zum Magdeburg-Spiel
Hartel belohnt sich – Smith könnte HSV-Führung stabilisieren

Dass an diesem frühen Sonntagnachmittag nicht alles großartig war, was das St.-Pauli-Team auf den gepflegten Rasen des Millerntor-Stadions zauberte, muss allerdings ebenso festgehalten werden. Unmittelbar nach der Pause, in der Magdeburgs Trainer Christia Titz einen Dreifachwechsel vollzogen hatte, benötigte die Heimmannschaft eine gute Portion Glück, um beim Lattentreffer von Amara Condé (46.), dem direkten Nachschuss von Jason Ceka und dem Pfostenschuss von Moritz Kwarteng (49.) ohne Gegentor blieb.

Schon beim 3:2 gegen den 1. FC Nürnberg zu Saisonbeginn hatte St. Pauli nach einer 3.0-Halbzeitführung unmittelbar nach Wiederanpfiff ein Gegentor kassiert. „Wir haben uns noch ausdrücklich vorgenommen, hellwach in die zweite Halbzeit zu gehen und das zu vermeiden. Irgendwie hat das nicht geklappt“, gab Marcel Hartel später zu. Doch diesmal führte die kurze Phase der Schläfrigkeit zu keinem Schaden. Stattdessen sorgte Hartel nach einem schönen Zuspiel von Daschner mit dem 3:0, bei dem er Torwart Dominik Reimann den Ball durch die Beine schob, für die Entscheidung. In der brütenden Sommerhitze fehlte Magdeburg spätestens danach die Kraft, sich noch einmal aufzubäumen.

FC St. Pauil: So begründet Trainer Schultz seine Torwartwahl

Die spannende Frage, ob der am Montag verpflichtete Torwart Sascha Burchert (32) den Vorzug vor dem zuletzt nicht immer überzeugenden Dennis Smarsch (23) bekommen würde, beantwortete Trainer Schultz mit der unspektakulären Antwort Smarsch. „Ich habe immer gesagt, dass wir ihm zu 100 Prozent vertrauen“, sagte Schultz später, als habe es gar keine sinnvolle Alternative gegeben. Das hatte sich am Freitag bei der Pressekonferenz vor dem Spiel noch ein wenig anders angehört, als Schultz den guten Charakter und die Erfahrung des zuletzt vertragslosen Burchert gelobt hatte. „Es gilt allerdings auch immer das Leistungsprinzip“, stellte Schultz klar. An der Leistung war bei Smarsch an diesem Sonntag jedoch nichts auszusetzen. Beim Pfostenschuss Kwartengs war er noch mit den Fingerspitzen am Ball und verhinderte so womöglich einen Gegentreffer. Ansonsten wirkte er insgesamt souveräner als in manchem Spiel zuvor, hatte aber über die gesamte Spielzeit eher wenig zu tun.

Smarsch dürfte sich mit diesem Spiel und dem gerechtfertigten Vertrauen auch für die nächsten Spiele seinen Startelfeinsatz gesichert haben. Schon am kommenden Sonntag bei Hansa Rostock dürfte eine andere, sprich größere Herausforderung auf ihn zukommen. Mit dem zweiten Saisonsieg und nun sieben Punkten hat St. Pauli den sich zuletzt andeutenden Abwärtstrend gestoppt und den Anschluss an die immer noch sehr breite Tabellenspitze hergestellt. Zwei Punkte Rückstand auf Rang eins sind jedenfalls vielversprechend.

„Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn Jojo auch noch ein drittes Tor gemacht hätte. Es gibt eben immer noch Luft nach oben“, sagte zum Abschluss eines in jeder Beziehung sonnigen Tages Timo Schultz über Matchwinner Eggestein. Als Nörgelei wollte er das nach dem überzeugenden und begeisternden Heimsieg allerdings nicht verstanden wissen.

  • FC St. Pauli: Smarsch – Saliakas (81. Aremu), Nemeth (71. Fazliji), Medic, Paqarada – Irvine, Smith (81. Zander) – Daschner, Hartel – Matanovic (55. Otto), J. Eggestein (81. Metcalfe).
  • 1. FC Magdeburg: Reimann – El Hankouri (64. Beyaz), Cacutalua (46. Gnaka), Bittroff (79. Sechelmann), Bell Bell – Müller – Conde, Krempicki – Ceka, Brünker (46. Ito), Scienza (46. Kwarteng). Tore: 1:0 J. Eggestein (3.), 2:0 J. Eggestein (14.), 3:0 Hartel (77.)
  • Schiedsrichter: Florian Badstübner (Nürnberg).
  • Zuschauende: 29.164.
  • Gelbe Karten: Paqarada, Irvine (3), Matanovic (2).
  • Statistik: Torschüsse: 19:7, Ecken: 7:3, Ballbesitz: 39:61 Prozent. Zweikämpfe: 120:96. Laufleistung: 115,01:108,14 km.
  • Die weiteren Zweitliga-Spiele vom Sonntag: Fortuna Düsseldorf – Greuther Fürth 2:2, Hannover 96 – Jahn Regensburg: 1:0