Kaiserslautern. Der Kiezclub unterlag beim 1. FC Kaiserslautern trotz viel Ballbesitz mit 1:2 und machte den Mittelmaß-Start perfekt.

Es war heiß auf dem Betzenberg. Hitzig auf den Rängen. Aber auch im wörtlichen Sinn. Zweimal unterbrach Schiedsrichter Harm Osmers für eine Trinkpause. Und dennoch: Die „Freeze Cam“, die das Kamerabild einfriert, hätte es nicht gebraucht, um aufzuzeigen, woran es dem FC St. Pauli im Gastspiel beim 1. FC Kaiserslautern mangelte und was maßgeblich für die 1:2 (0:1)-Niederlage verantwortlich war.

FC St. Pauli: Offensivspiel über weite Strecken zu statisch

Der bloße Blick aufs Spielfeld im Fritz-Walter-Stadion lieferte Standbild genug. Erste Hälfte, 0:1-Rückstand, der Ball bei Torwart Dennis Smarsch – ungefähr 30 Meter vor einem eigenen Kasten. Und dann passiert: nichts, und zwar so richtig, absolut gar nichts. Zehn Feldspieler der Gäste bewegten sich auf einem Radius, der selbst für die Friedrich Merzsche Bierdeckel-Steuererklärung zu klein wäre.

Smarsch versucht es mit einem Kurzpass auf Jakov Medic. Weiter nichts, außer ein Pass zurück zum Schlussmann. Also Pass nach links. Und dann, Trommelwirbel: nichts. Ein Ausschnitt, symptomatisch für den vor dem Seitenwechsel uninspirierenden und ideenlose Auftritt des Aufstiegskandidaten gegen den Aufsteiger.

„Es war wirklich schwierig, heute unseren Stil zu spielen, Kaiserslautern hat das Zentrum gut abgedichtet“, sagte Jackson Irvine, der erstmals die Kapitänsbinde anstelle seines gleichberechtigten Kollegen Leart Paqarada trug. „Wir müssen viel klarer und schneller die Seite wechseln, den Gegner ins Laufen bringen, auch mal mutig versuchen, ein Eins-gegen-Eins im Zentrum zu spielen“, meinte Marcel Hartel. Und: „Die erste Hälfte war mir zu statisch, wir sind kaum in die Tiefe gekommen“, gab schließlich noch Trainer Timo Schultz zu Protokoll.

Trainer Schultz hätte gerne einen Stürmer wie Boyd gehabt

Der 44-Jährige hatte allerdings noch einen weiteren Gegensatz zwischen dem neuen Tabellenzweiten und dem jetzt nur noch Zwölften ausgemacht: „Der große Unterschied war: Eine Mannschaft hatte Terrence Boyd.“ Also einen Stürmer, der im Strafraum Bälle festmachen, gleichzeitig aber auch aus der Tiefe kommen kann. Beim Führungstreffer (9.), dem Tinnitus verursachende Jubelstürme folgten, entwischte der in Bremen geborene US-Amerikaner Betim Fazliji in dessen Rücken und übersprang anschließend Manolis Saliakas beim Kopfball locker.

Das 2:0 durch Kenny Prince Redondo bereitete der 31-Jährige überlegt vor (86.). Und zwischendrin hätte Boyd, erneut sträflich freigelassen im St.-Pauli-Strafraum, seinen zweiten Treffer machen müssen, scheiterte aus nächster Distanz aber am Pfosten (65.).

Ein Knipser dieser Güte fehlt St. Pauli noch. Und dies schien zunächst auch so gewollt zu sein. Denn gegen einen erwartet tiefstehenden Kontrahenten versuchte es Schultz mit einer spielstarken Variante um Johannes Eggestein und Lukas Daschner im Sturm. Dass der eigentliche Zehner Daschner nach vorn beordert wurde, sorgte für eine Rochade an Veränderungen.

Mittelfeldspieler Smith mal wieder verletzt

Carlo Boukhalfa sollte sich als Spielmacher versuchen, Afeez Aremu vertrat den schon am dritten Spieltag wieder verletzten Eric Smith, dessen Adduktorenprobleme zumindest in den kommenden Tagen ausgestanden sein dürften. Zur Pause revidierte Schultz seine Auswahl: Daschner rückte wieder ins offensive Mittelfeld, wo zuvor die kreativen Momente fehlten, Igor Matanovic kam als Zielspieler ins Angriffszentrum.

Wo das 19 Jahre alte Toptalent allerdings seinen Lauf von tor- und glücklosen Spielen auf vier ausbaute, mit einer durchschnittlichen und einer großen Chance jeweils an FCK-Keeper Andreas Luthe scheiterte. „Wenn man die Dinger nicht macht, die wir hatten, verliert man so ein Spiel. Der Satz trifft besonders auf mich zu, beim zweiten Schuss stehe ich zentral zum Tor, der muss drin sein“, gab sich der reife Deutsch-Kroate gewohnt reflektiert. Als „unglücklich“ wollte er seine bisherige Saison dennoch nicht durchgehen lassen. „Ich habe dafür schon zwei Vorlagen gespielt, das darf man nicht vergessen. Und ich komme immerhin in die Situation, solche Chancen zu haben, daher stresse ich mich überhaupt nicht.“

FC St. Pauli erneut stark bei Standardsituationen

Auch sein Trainer war nach seiner Boyd-Lobhudelei darum bemüht, keinen Stress unter den Medienvertretern aufkommen zu lassen: „Bevor ihr das jetzt wieder aufgreift: Das heißt nicht, dass ich neue Stürmer fordere. Im Gegenteil, ich bin sehr froh mit denen, die wir haben. Es fehlt aktuell einfach nur die Effektivität, das letzte, kleine Mü. Das ist eine Frage der Matchpraxis, aber nicht auf Knopfdruck zu erwarten.“ Zum derzeit gefährlichsten Torjäger entwickelt sich ausgerechnet Medic, ein Innenverteidiger, der noch dazu kräftig von Bundesligist VfB Stuttgart umworben wird. Doch der 1:2-Anschlusstreffer des Kroaten (88.), dem wieder mal eine Standardsituation vorausgegangen war, kam zu spät für St. Pauli, um die Pfälzer noch ernsthaft ins Wanken zu bringen.

Dass momentan aus dem Spiel zu wenig Offensivdrang ausgestrahlt wird, ist offensichtlich. Bis zum 0:1 war die Idee des hohen und aggressiven Anlaufens des Gegners noch zu sehen. Immerhin neun Minuten. Oder gerade einmal. „Heute war definitiv nicht unser bester Tag, durch die Bank weg. Mehr Kombinationen durch die Mitte zu kreieren, könnte ein Lösungsansatz sein“, mutmaßte Captain Irvine. „Wir müssen jetzt schleunigst in unsere Schritte kommen“, sagte Schultz und spielte damit ungewollt auf die Rumsteh-Standbild-Orgie an.

Was Kaiserslauterns Trainer Dirk Schuster von Spielfeld-Standbildern hält, stellte er übrigens auch noch einmal unmissverständlich bei der Pressekonferenz im Anschluss an die atmosphärische Begegnung klar: „Das war das schlechteste Heimspiel der Saison, es hat mir gar nicht gefallen.“

Schema:

  • 1. FC Kaiserslautern: Luthe – Durm, Tomiak, Kraus, Zuck – Ritter, Niehues (64. Ciftci) – Zimmer (79. Hercher), Wunderlich (64. Prince Redondo), Hanslik (89. Schad) – Boyd (89. Lobinger).
  • FC St. Pauli: Smarsch – Saliakas (86. Zander), Fazliji (79. Dzwigala), Medic, Paqarada – Aremu (46. Matanovic) – Irvine, Hartel – Boukhalfa (67. Amenyido) – Daschner, Eggestein (67. Otto).
  • Tore: 1:0 Boyd (9.), 2:0 Prince Redondo (86.), 2:1 Medic (88.)
  • Schiedsrichter: Osmers (Hannover)
  • Zuschauer: 39.579
  • Gelbe Karten: Boyd (2). – Matanovic (1)
  • Mannschaftsstatistiken: Torschüsse: 7:10, Ecken: 8:4, Ballbesitz: 41:59 Prozent, Zweikämpfe: 99:105, Laufleistung: 118,2:118,2