Hamburg. Am Sonntag wird der FC St. Pauli gegen Kaiserslautern spielen und im Fritz-Walter-Stadion auf aufgeheizte Stimmung stoßen.

Seine Vorfreude konnte Timo Schultz am Freitagmorgen kaum verhehlen. „Es ist immer etwas Besonderes, mit dem Bus da hochzufahren. Wir freuen uns darauf, endlich wieder dort spielen zu dürfen“, sagte der Trainer des FC St. Pauli in der vor einem Pflichtspiel obligatorischen Pressekonferenz. Mit „da hochfahren“ meinte der 44 Jahre alte Schultz natürlich den Betzenberg in Kaiserslautern und das dort über der Stadt thronende Fritz-Walter-Stadion, das zum Heimspiel gegen St. Pauli am Sonntag (14 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) voraussichtlich mit mehr als 40.000 Zuschauenden gut gefüllt, ja eventuell sogar ausverkauft (49.850) sein wird.

Nur drei seiner potenziellen Startelfspieler haben den Betzenberg bereits live kennengelernt – Kapitän Leart Paqarada mit dem SV Sandhausen, Jakov Medic mit dem SV Wehen Wiesbaden und Lukas Daschner mit dem MSV Duisburg. Alle drei haben dort ihre bisher letzten Spiele sogar gewonnen. Allerdings lernte nur Paqarada die sehr spezielle, leidenschaftliche, aber zum Teil auch hasserfüllte Atmosphäre kennen. Medic und Daschner dagegen erlebten coronabedingt nur leere Ränge im Fritz-Walter-Stadion.

Zweite Liga: FC St. Pauli erwartet extremes Spiel

„In der Videoanalyse achten wir jetzt auch darauf, Bilder von den Stadien zu zeigen“, verriet Schultz jetzt. Es ist zweifellos eine schlüssige Konsequenz daraus, dass St. Pauli inzwischen viele Akteure in seinen Reihen hat, die erst relativ kurz in der Zweiten Liga zu Hause sind. Hinzu kommt in diesem Fall, dass Kaiserslautern nach vier Jahren in der Dritten Liga erst jetzt wieder zweitklassig ist.

„Man weiß aber auch ohne viel Video, was einen da erwartet. Von der Intensität her wird es ein ex­tremes Spiel vor einer tollen Kulisse. Von daher müssen wir unsere Jungs darauf sowohl taktisch als auch mental top einstellen“, sagte Schultz jetzt. Immerhin ist es sein Team aus den Heimspielen am Millerntor gewohnt, dass im Stadion durchgehend eine gewisse Lautstärke herrscht und die Verständigung daher eingeschränkt ist.

Jeder Spieler reagiert individuell auf Feindseligkeit

Bewusst ist ihm aber auch, dass jeder Spieler individuell unterschiedlich auf die feindselige Stimmung gegenüber dem gegnerischen Team reagiert. „Es gibt Spieler, die sich an so einer Atmosphäre hochziehen und freuen sich vielleicht auch darüber, wenn sie ausgepfiffen werden und können daraus Energie ziehen. Andere müssen sich erst daran gewöhnen oder brauchen ein, zwei gute Aktionen, um in so ein Spiel hineinzukommen“, sagt er jetzt dazu. „Der Großteil meiner Mannschaft freut sich auf die Atmosphäre. Der Rest, der damit Probleme hat, muss von den anderen mitgetragen werden.“

Wie St. Pauli ist auch der FCK – nach seinem Aufstieg durch die erfolgreiche Relegation gegen Dynamo Dresden – mit einem Heimsieg (2:1 gegen Hannover 96) und einem Unentschieden auswärts (2:2 bei Holstein Kiel) in die Saison gestartet. Zuletzt gab es im DFB-Pokal eine etwas unglückliche 1:2-Heimniederlage nach Verlängerung gegen den SC Freiburg.

„Dirk ist ein Trainer, der für etwas steht"

„Dirk ist ein Trainer, der für etwas steht. Das finde ich gut. Ich glaube auch, dass er sehr gut nach Kaiserslautern passt. Es ist ihm gelungen, dort eine Euphorie zu entfachen durch die Relegation und die ersten Spiele jetzt“, sagte Schultz über den FCK-Trainer Dirk Schuster. Er lege bei seinen Teams vor allem Wert auf „sehr viel Energie, Physis und eine extreme Kompaktheit“.

Der 54 Jahre alte Ex-Nationalspieler hatte erst am 10. Mai das in der Schlussphase nach drei Niederlagen in Folge auf den dritten Platz der Dritten Liga zurückgefallene FCK-Team übernommen und bereitete es erfolgreich auf die Relegation vor. Vieles deutet darauf hin, dass die Liaison zwischen dem Sachsen Schuster und dem Club aus der Pfalz zu einem längerfristigen Erfolgsmodell werden könnte.

Schultz erwartet von seinen Spielern Leidenschaft

Ein solches ist die Verbindung zwischen dem Ostfriesen Schultz und dem Hamburger Stadtteilclub schon längst. Als Trainer lebt der seit mehr als zwei Jahren amtierende Cheftrainer eine ähnliche Leidenschaft wie Schuster vor und erwartet diese auch von seinen Spielern. Umso mehr ärgerte es ihn, dass es zuletzt beim glücklichen 4:3-Sieg im DFB-Pokal gegen den Regionalligisten SV Straelen daran gehapert hatte.

„Wir sind eine Mannschaft, die in der Woche sehr viel im Training und auch im Spiel investieren muss im läuferischen und kämpferischen Bereich. Wenn wir da nicht am Anschlag sind, bekommen wir Probleme. Das ist uns wieder vor Augen geführt worden“, sagte er jetzt und berichtete, dass er die Defizite sowohl gegenüber dem gesamten Team als auch einzelnen Spielern gegenüber angesprochen hatte.

„Wir haben gesehen, was auf uns zukommt“

Dirk Schuster misst diesen Nachlässigkeiten gegen ein unterklassiges Team allerdings keine größere Bedeutung bei und erwartet einen FC St. Pauli, der auf dem Betzenberg die Qualität aus den ersten beiden Ligaspielen an den Tag legen wird. „Wir haben gesehen, was auf uns zukommt“, sagte er am Freitag und lobte vor allem die Mittelfeldraute sowie die Außenverteidiger. „Wir sollten St. Pauli gegenüber Respekt aufbringen. Das Team hatte in den ersten Spielen mit Nürnberg und Hannover auch nicht gerade leichte Gegner.“

Dazu lobte er die Personalpolitik geradezu über den grünen Klee: „Großer Respekt, wie es Andy Bornemann immer wieder schafft, Spieler für teuer Geld zu verkaufen, und dann von irgendwo nahtlos Ersatz herzaubert, der brutal in die Mannschaft passt und überhaupt keinen Qualitätsverlust mit sich bringt.“

Zweite Liga: Schultz hofft auf Smith und Medic

Schultz hofft derweil, auch wieder Mittelfeldspieler Eric Smith und Innenverteidiger Jakov Medic einsetzen zu können, die zuletzt mit dem Training ausgesetzt hatten. Bedenken, Medic könnte durch seinen Flirt mit dem VfB Stuttgart abgelenkt sein, teilt er ausdrücklich nicht und verweist auf dessen beide Treffer gegen Straelen.

Bleibt am Ende nur die Frage, in was sich bei Timo Schultz die Vorfreude auf den Betzenberg am Sonntagnachmittag gegen 15.25 Uhr verwandelt hat – in pure Freude über einen Erfolg, in Frust über die erste Saisonniederlage oder in irgendetwas dazwischen.

1. FC Kaiserslautern: Luthe – Durm, Tomiak, K. Kraus, Zuck – Ritter, Niehues – J. Zimmer, Wunderlich, Hanslik – Boyd.

FC St. Pauli: Smarsch – Saliakas, Fazliji, Medic, Paqarada – Smith – Irvine, Hartel – Daschner – Otto, Eggestein.