Hamburg. Ex-Kapitän Jan-Philipp Kalla und Partnerin Kim Koschmieder trainieren das Regionalligateam und arbeiten gegen limitierende Faktoren.

Es ist bemerkenswert, wenn eine eingefleischte St. Paulianerin sich über den Nichtaufstieg des HSV ärgert. Aber im Fall von Kim Koschmieder ist es nachvollziehbar – und auch nicht ganz ohne Eigeninteresse. Denn so steht der Lokalrivale und Immer-noch-Regionalligist weiter zwischen der von ihr und ihrem Partner Jan-Philipp „Schnecke“ Kalla trainierten Frauenmannschaft des FC St. Pauli und dem Titel in der Liga sowie im Landespokal.

Was soll’s? Dass sie sich stärkerer Konkurrenz erwehren können, bewiesen die Kiezkickerinnen in der Rückrunde der abgelaufenen Saison, in der sie nach Übernahme des Trainerpärchens sieben Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz noch wettmachten.

Frauenfußball: Duo erfüllt zur Zeit eine Doppelfunktion

Umso beachtlicher ist die Leistung einzuordnen, da Koschmieder und Kalla parallel dazu die Oberligafrauen weitertrainierten, bis zu sieben Einheiten auf Vollzeitjobs und Betreuung der zweijährigen Tochter Emilia draufschlagen mussten und, wie Koschmieder formuliert, einfach mal kurz abtauchten. „Du tauchst unter, holst keine Luft, und irgendwann tauchst du wieder auf“, so die 34-Jährige.

Ende des Tauchgangs: kein Blackout, Abstieg verhindert, und mit der Zweiten, mit der sie vor drei Jahren in der Kreisliga gestartet waren, in die Oberliga aufgestiegen. Die Doppelfunktion ging das Duo nicht ohne Eigeninteresse ein. „Der Abstieg der Ersten Frauen hätte die Zweite am Aufstieg gehindert“, sagt Koschmieder.

„Wir sind ein Duo ohne feste Rollenverteilung"

Fußball begleitet die beiden bis in die Küche des Eigenheims in Oststeinbek. Das erste Wort von Emilia war Ball, die Taktikbesprechung findet beim Kochen statt. „Wir sind ein Duo ohne feste Rollenverteilung, Training ist ein schönes, gemeinsames Hobby“, so Koschmieder. Ein Hobby, das auch in der anstehenden Saison, wenngleich dann nur noch mit Einfachbelastung, Zeit in Anspruch nimmt, zugleich aber nicht immer dankbar ist. Bei drei Einheiten pro Woche kann nur eine Stunde auf dem kompletten Platz an der Feldstraße trainiert werden.

Die Kapazitäten begrenzen St. Paulis Frauen im wörtlichen Sinn. Leistungsorientierter Fußball ist langfristig kaum möglich. „In der Jugend überlegen sich die Toptalente zweimal, ob sie zum FC St. Pauli oder lieber zu einem Verein wechseln, der ihnen ein leistungsorientierteres Umfeld anbieten kann“, so der langjährige St.-Pauli-Kapitän Kalla. Seitens der Vereinsführung sei ihnen Unterstützung zugesichert worden, Levi’s unterstützt in ungewöhnlich starkem Maß, „aber erst mal müssen wir sportlich in Vorleistung treten, und dann passiert Wachstum auch nicht von heute auf morgen“, sagt der an diesem Sonnabend 36 Jahre alt werdende Kalla.

Diskussionen über Equal Pay „großartig"

Dabei gelte es, den Hype, den die EM hervorgerufen habe, zu nutzen. Nachwuchskonzepte haben die beiden „mehr als eines“ geschrieben. Umsetzbar sind die Ideen erst, wenn mehr Plätze verfügbar werden. Auch ein Aufstieg in die Zweite Liga würde derzeit an den technischen Auflagen und begrenzten Kapazitäten scheitern. Die gestiegene Aufmerksamkeit für Frauenfußball sieht das Paar nur als Anfang.

Diskussionen wie die über das Equal Pay findet Koschmieder „großartig, der DFB würde sich damit keinen abbrechen, andere Länder sind weiter“. Das Geschäftsmodell, das der Einstieg von sechs Investorinnen beim Regionalligisten Viktoria Berlin verfolgt, hingegen kritisiert Kalla: „Wir investieren viel harte Arbeit, um uns mit unseren Mitteln in der Regionalliga zu behaupten. Wenn dann ein Verein viel Geld investiert, um an uns vorbeizuziehen, finde ich das aus sportlicher Sicht nicht besonders cool.“

Frauenfußball: Trainerduo absolvierte DFB-Elite-Trainerschein

Was ein Club ohne viel Geld drauf hat, lässt sich vom finalen Augustwochenende an beobachten. Über die Spielweise machen beide ein Geheimnis, verraten nur: Die Profi-Vergangenheit Kallas spielt eine gewichtige Rolle. Für eine Erfolg versprechende Zukunft des Trainerduos ist gesorgt, beide absolvierten den DFB-Elite-Trainerschein. Trotz der immensen Belastung des Noch-Hobbyjobs sagt Kosch­mieder zu einer langfristigen Trainerkarriere mit ihrem Partner: „Es wäre naiv, mehr auszuschließen.“