Hamburg. Dennis Smarsch fordert Nikola Vasilj als Stammkeeper heraus und hat erstmals eine echte Chance, sich durchzusetzen.
Am Donnerstag war der Platzhirsch als einziger Torwart auf dem Trainingsrasen des FC St. Pauli in Aktion. Nach seinem verlängerten Urlaub war der bisherige Stammtorwart Nikola Vasilj (26) erstmals wieder voll im Teamtraining dabei, während seine Kollegen Dennis Smarsch (23) und Sören Ahlers (24) ein wenig regenerieren durften. Der bosnische Nationalspieler Vasilj, der die vier jüngsten Länderspiele in der ersten Junihälfte von der Bank aus erlebt hatte, lernte dabei auch den neuen Torwarttrainer Marco Knoop (43) kennen, der Urgestein Mathias Hain (49) abgelöst hat.
An diesem Freitag werden die drei Keeper wohl wieder in trauter Gemeinsamkeit ihrem Job nachgehen, sich mit Marco Knoop die Bälle aufs Tor schießen, sich gegenseitig anfeuern, loben und auch lachen. Dieses kleine Team im Team ist ein ganz spezielles. Irgendwie schweißt der gemeinsame, oft undankbare Job zusammen, andererseits aber weiß jeder, dass er niemals mit einem der beiden anderen gemeinsam auf dem Platz stehen wird.
Torwart-Kampf eröffnet – Smarsch oder Vasilj?
Neben der fachlichen Kompetenz ist es daher die wichtigste Aufgabe des Torwarttrainers, jeden seiner zupackenden Schützlinge bei Laune zu halten und Missstimmungen im Keim zu ersticken. In diesen Wochen der Saisonvorbereitung kommt bei den St.-Pauli-Schlussmännern ein spezieller Aspekt hinzu. Es gibt erstmals seit Jahren einen wirklich offenen Kampf darum, wer die Nummer eins ist.
Klar ist nur, dass Sören Ahlers kein Kandidat dafür ist. Der 24-Jährige dürfte weiter Torwart Nummer drei im Profikader sein und sich Spielpraxis im Regionalligateam aneignen. Doch ob Vasilj seinem Nimbus als Stammkeeper behalten oder er von Smarsch beerbt und in die Rolle des Backups verdrängt wird, ist längst nicht entschieden. Vielmehr ist dies in diesem Sommer eine der spannendsten Fragen im Team des FC St. Pauli, die wohl erst kurz vor dem Auftaktspiel gegen den 1. FC Nürnberg am 16. Juli geklärt wird.
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„Ich werde zu Beginn der Saisonvorbereitung ganz bestimmt noch keine Stammplätze vergeben“, stellte Trainer Timo Schultz zuletzt schon klar, als er auf die Torwartfrage angesprochen wurde. Das Duell Vasilj versus Smarsch ist also jetzt voll eröffnet. Einen echten Vorsprung konnte sich Smarsch, der seit dem Trainingsauftakt am 11. Juni dabei ist, allerdings nicht wirklich erarbeiten. Im einseitigen Testspiel beim Hetlinger MTV (13:0) am vergangenen Sonntag war er in den ersten 45 Minuten, in denen er im Tor stand, nicht gefordert worden.
St. Paulis Smarsch will Stammkeeper werden
Nach seiner Rolle als reiner Ersatzmann in der Saison 2020/21 hatte Smarsch in der vergangenen Spielzeit den Status als Pokaltorwart erhalten. Dabei konnte er sich in den siegreichen Spielen in Magdeburg (3:2), in Dresden (3:2 n. V.) und gegen Borussia Dortmund (2:1), aber auch im Viertelfinale beim 1:2 bei Union Berlin mit starken Paraden profilieren. Und auch im letzten Zweitliga-Auswärtsspiel beim FC Schalke 04 (2:3), als er den noch coronageschwächten Vasilj vertrat, hatte er trotz der drei Gegentore gute Szenen. Der nächste Karriereschritt wäre, im dritten Jahr bei St. Pauli die Nummer eins nicht nur auf dem Rücken zu tragen.
„Ich bin nicht hierhergekommen, um die Ersatzbänke der Zweiten Liga kennenzulernen“, hatte Smarsch schon vor zwei Jahren direkt nach seiner Verpflichtung von Hertha BSC erstaunlich selbstsicher gesagt. Die Realität war, dass er erst einmal an einigen Defiziten arbeiten musste. So besaß er anfangs nur eine bestenfalls durchschnittliche Sprungkraft, wie der bisherige Torwarttrainer Mathias Hain im Abendblatt-Interview berichtete.
Auf der anderen Seite hat Nikola Vasilj den Vorteil, nahezu eine komplette Zweitligasaison durchgespielt zu haben. Dabei ließ er sich wenig zuschulden kommen. Die 43 Gegentore in seinen 33 Spielen waren in aller Regel die Folgen einer nachlässigen Defensive und nicht etwa seiner Patzer. Dennoch wird er sich bis zum Ligastart profilieren müssen, um seinen Status zu behalten. Egal, wie sich Cheftrainer Schultz am Ende entscheidet: Einen schwer Enttäuschten wird es geben.