Hamburg. St. Paulis David Nemeth sieht es österreichisch gelassen, 1,3 Millionen Euro plus x zu kosten. Doch was zeichnet den 21-Jährigen aus?
Normalerweise sind Sportler stolz auf ihre Rekorde. David Nemeth versucht jedoch, seinen aktuellen Topwert höchstens als Nebensache zu betrachten, besser noch, ihn ganz zu ignorieren. Fakt ist jedoch, dass der 21 Jahre alte Innenverteidiger zum bisher teuersten Spieler werden dürfte, den der FC St. Pauli jemals verpflichtet hat. Mit der Ablöse von rund 1,3 Millionen Euro plus weiterer erfolgsabhängiger Bonuszahlungen und Wiederverkaufsbeteiligungen wird der Österreicher die bisherigen Rekordhalter Ugur Inceman (2001/umgerechnet 1,38 Millionen Euro) und Cenk Sahin (2017/1,3 Millionen Euro) fast sicher übertreffen.
„Das machen die zwei Vereine unter sich aus, was da bezahlt wird. Ich versuche nur, meine Qualität auf den Platz zu bringen. Dann wird man sehen“, sagte Nemeth am Donnerstag in einer Runde mit Hamburger Medienvertretern nach dem Training zu dem Thema – und versuchte damit zu demonstrieren, eine gute Portion österreichischer Gelassenheit zu besitzen.
FC St. Pauli könnte Nemeth mit Gewinn verkaufen
Im Gegensatz zum Transfer von Ugur Inceman vor nunmehr 21 Jahren ist heutzutage eine Ablöse von knapp über einer Million Euro für einen ambitionierten Zweitligaclub, wie es der FC St. Pauli betont zu sein, zwar keine alltägliche, aber eben auch keine schwindelerregend hohe Ablösesumme mehr. Zudem ist die Aussicht gegeben, den längerfristig verpflichteten Nemeth – die Rede ist von einem Vierjahresvertrag – mit Gewinn wieder verkaufen zu können.
Beidfüßigkeit, Zweikampfstärke und der weitgehende Verzicht auf grobe Fouls zeichnen Nemeth aus. Als er in der vorvergangenen Saison von Mainz 05 an den österreichischen Erstligisten Sturm Graz verliehen war, handelte er sich in 28 Punktspielen nicht eine Gelbe Karte ein. Und auch in seinen sieben Einsätzen für Mainz in der Saison 2021/22 wurde er nicht verwarnt.
David Nemeth wird Rückennummer vier tragen
Dabei nimmt Nemeth durchaus für sich in Anspruch, robust in die direkten Duelle mit den gegnerischen Stürmern zu gehen. „Ich würde schon sagen, dass man als Burgenländer eine gewisse Härte hat. Ich versuche das beizubehalten und in den Zweikämpfen umzusetzen“, sagte er am Donnerstag. Dass er aus der knapp 15.000 Einwohner zählenden burgenländischen Hauptstadt Eisenstadt stammt, reizt auf jeden Fall zu gewissen Wortspielen.
Die älteren St.-Pauli-Fans erinnern sich dabei an „Eisen-Dieter“ Schlindwein (61/von 1989 bis 1996 bei St. Pauli), der noch den Prototypen des Vorstoppers verkörperte. Wie jener wird jetzt auch David Nemeth die Rückennummer vier tragen. Direkter Vorgänger in dieser Hinsicht war der bisherige Kapitän und Innenverteidiger Philipp Ziereis (29).
Nemeth hatte schon mit 18 Jahren sein Erstligadebüt
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Nemeth und der vor einem Jahr aus Wiesbaden geholte und sofort zur Stammkraft avancierte Jakov Medic (23) als Innenverteidiger-Paar favorisiert sein werden. Bedenken, dass dies der jugendlichen Frische etwas zu viel sein könnte, hat Nemeth nicht. „Ich habe in den vergangenen Jahren ein paar Erfahrungen sammeln können. Und Jakov hat schon extrem viel Erfahrung“, sagt Nemeth dazu, der schon als 18-Jähriger sein Erstligadebüt für den SV Mattersberg im Spiel gegen Wacker Innsbruck gegeben hatte.
In der vergangenen Saison in Mainz war er gleich zweimal durch eine Corona-Infektion gestoppt worden, zudem standen in der internen Hierarchie drei bis vier andere Innenverteidiger vor ihm. Der Schritt zurück, um danach wieder vorwärts zu kommen, scheint daher konsequent zu sein.
„Ich muss ja wissen, wo ich spiele"
In seiner Heimat fand der Wechsel zudem Zustimmung. „Ein paar Kollegen von meinem Vater sind St.-Pauli-Fans. Das ist eine ganze Gruppe, die kommen auch öfter ins Stadion“, erzählt er. Allein deshalb musste er sich auch nicht lange über seinen neuen Arbeitgeber schlau machen. Doch wie das Millerntor-Stadion wirklich aussieht, wollte er dann doch wissen. Deshalb ist er in den vergangenen Tagen schon ein paarmal ganz bewusst daran vorbeigefahren. „Ich muss ja wissen, wo ich spiele. Ich freue mich schon extrem, die Fans im Stadion zu sehen und den Platz betreten zu dürfen“, sagt er. Rund einen Monat wird er sich bis zum Zweitligastart noch gedulden müssen.
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Auf jeden Fall hat David Nemeth alle Chancen, die bisher wenig erfreuliche Geschichte von St. Paulis Rekordeinkäufen ins Positive zu korrigieren. Der offensive Mittelfeldspieler Ugur Inceman (heute 41) stieg mit St. Pauli erst aus der Ersten und ein Jahr später aus der Zweiten Liga ab, ehe er im Sommer 2003 ablösefrei nach Fürth wechselte. Und Cenk Sahin (27) wurde im Oktober 2019 vom FC St. Pauli suspendiert, nachdem er seine Unterstützung für den türkischen Militäreinsatz in Syrien bekundet hatte.
Stürmer Igor Matanovic (19), der nach den Spielen mit der kroatischen U-21-Nationalmannschaft noch bis zum 20. Juni frei bekommen hatte, absolvierte bereits am Donnerstag wieder ein leichtes Lauftraining an der Kollaustraße. Der neuverpflichtete Australier Connor Metcalfe war erstmals auf dem Trainingsplatz und lief ebenfalls einige Runden um die beiden Rasenplätze.