Hamburg. Im Kampf um den Aufstieg hat der Hamburger Kiezclub in vier Partien noch drei Heimspiele. Am Sonnabend kommt Darmstadt 98.

„Am liebsten wäre mir, wir beide steigen auf. Ich bin ein bisschen Fußballromantiker, und ich wünsche es uns beiden am meisten.“ Trainer Torsten Lieberknecht weiß natürlich, dass dieser Wunsch sich nur schwer erfüllen wird. Aber träumen ist immer erlaubt. Für seine Mannschaft von Darmstadt 98 ist ein Sieg im Zweitligaspitzenspiel am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport 1) jedoch fast schon Pflicht, um die Chancen im Kampf um den Aufstieg zu wahren.

Der Tabellendritte FC St. Pauli kann seinerseits mit einem Erfolg Verfolger Darmstadt auf fünf Punkte distanzieren und sich näher an die Führenden von Schalke 04 und Werder Bremen heranrobben, die sich schon am Sonnabendnachmittag ebenfalls gegenseitig Punkte abnehmen.

Zweite Bundesliga: St. Pauli hat einen großen Vorteil

Es ist also ein Spieltag, an dem noch keine Entscheidung fällt, wohl aber wichtige Weichen gestellt werden. „Wir haben eine überragende Ausgangssituation“, sagt St. Paulis Cheftrainer Timo Schultz. Das A-Wort nimmt er zwar immer noch nicht in den Mund, aber jeder weiß natürlich, was er meint: „Wir haben die Chance, etwas Riesiges zu erreichen.“

Die Braun-Weißen haben tatsächlich einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz an der Tabellenspitze: Drei der verbleibenden vier Saisonspiele finden am Millerntor statt – Heimspiele, Millerntor-Roar, stete Unterstützung der eigenen Fans. Das ist ein dickes Faustpfand. Mit 33 Punkten aus 14 Spielen ist St. Pauli die beste Heimmannschaft der Saison. Es gab nur eine Niederlage, so selten hat niemand sonst vor eigener Kulisse verloren. Also …

Timo Schultz zählt auf die Fans

„Dass das Millerntor ausverkauft ist, wird die Jungs beflügeln. Dieses Kribbeln, das Nervöse vor dem Spiel, das man braucht, wird durch das Stadion noch verstärkt“, weiß Schultz. Er zählt auf die Anhänger vor allem, wenn es Probleme gibt: „Ich sehe Vorteile mit den Zuschauern in den Situationen, wo es mal nicht so gut läuft. Da können wir uns auf unsere Fans verlassen.“

Am besten soll es zu solchen schwierigen Situation natürlich gar nicht kommen. St. Paulis Übungsleiter hat aber großen Respekt vor den Hessen, auch wenn die in der Rückrunde ihre vier Spiele gegen die anderen Topteams Schalke, Bremen, HSV und Nürnberg alle verloren haben. „Wir stellen uns auf eine top eingestellte Mannschaft ein. Sie haben einen sehr ausgewogenen Kader und kommen viel über ihre Physis.“

Lieberknecht darf nicht auf Trainerbank sitzen

Sein Kollege Lieberknecht, der wegen der vierten Gelben Karte nicht auf der Trainerbank sitzen darf, aber die An sprachen vor der Partie und in der Halbzeit durchführen kann, muss mit Innenverteidiger Lasse Sobiech (Gehirnerschütterung), Stürmer Aaron Seydel (Wade) und dem schnellen Brydon Manu (Gelbsperre) allerdings auf drei Leistungsträger verzichten. Lieberknecht bemüht im Saisonendspurt zur Motivation nun wieder das Motto „Du musst kämpfen“, mit dem der 2016 an Krebs verstorbene 98-Fan Johnny Helmes 2014 zu einer Ikone und Vorbild bei seinem Lieblingsverein wurde: „Ich erwarte von den Spielern genau diese Aufstehmentalität, bis gar nichts mehr geht.“

Die Kiezkicker sind darauf vorbereitet. „Es wird ein intensives, körperbetontes Spiel, Darmstadt kommt mit einer Riesenwucht“, sagt Flügelspieler Leart Paqarada, „wir müssen alles reinwerfen, es ist keine Zeit mehr für liegengelassene Punkte.“ Womit er natürlich vor allem die zwei am vergangenen Sonnabend beim 1:1 in Sandhausen in der Nachspielzeit weggeworfenen Zähler meint. Da wirkte das Team in der Schlussphase tatsächlich voller Angst, den Sieg und den Dreier noch zu verlieren. Und wie es dann oft so ist …

St. Pauli hat Spiel gegen Sandhausen aufgearbeitet

„Es kommt darauf an, unseren Plan komplett durchzuziehen“, sagte Schultz, „das war uns in Sandhausen nicht gelungen.“ Sandhausen sei aber aufgearbeitet und abgehakt, meint der Trainer: „Die Enttäuschung, die da war, ist in positive Energie übergegangen.“ Das tatsächlich am Sonnabend abzurufen und mit der Hilfe von den Rängen auf den Platz zu bringen, ist nun die schwere Aufgabe.

In seiner Geschichte hat es der FC St. Pauli schon einige Male geschafft, wichtige Heimspiele zu gewinnen. Das 1:0 gegen Arminia Bielefeld am 33. Spieltag 2017/18 war entscheidend für den Klassenerhalt, ebenso das 5:1 gegen Bochum und das 1:0 gegen RB Leipzig am 33. und 31. Spieltag zwei Jahre zuvor. Für viele unvergessen auch das 6:1 am 32. Spieltag 2010 gegen Koblenz, mit dem die Weichen für den bislang letzten Bundesligaaufstieg gestellt wurden.

Zweite Bundesliga: Viele Darmstadt-Fans reisen an

Schultz saß damals als Spieler auf der Ersatzbank. Er weiß, wie es geht. „Es ist positiver Druck, meine Spieler schaffen es inzwischen, die Situation zu genießen. Wir haben bereits eine sehr, sehr gute Saison gespielt“, meint der 44-Jährige: „Es ist schön, solch eine Aufgabe vor der Brust haben. Das macht Spaß.“ „Die Mannschaft, die in dieser Schlussphase der Saison mit dem Druck am besten umgehen und performen kann, wird es schaffen“, sagt auch Kapitän Philipp Ziereis. Auch auch er verweist auf die Kulisse: „Wir haben noch drei Heimspiele, da wollen wir das Maximale zeigen.“

Die ganze Heimspielhoffnung hat nur einen kleinen Haken. Auch die Gegner mögen es auf St. Pauli. Knapp 3000 Darmstadt-Fans reisen mit. „Sie können sich darauf freuen. Das ganze Flair – das Millerntor ist eine ganz besondere Fußballstätte in Deutschland“, sagt Lieberknecht: „Wir haben große Lust darauf, das Spiel bestreiten zu dürfen.“