Hamburg. Ralph Eggerstedt verrät, worauf der FC St. Pauli jetzt achten muss, um im Aufstiegsrennen der Zweiten Liga nicht zu verkrampfen.

Wenn Sie demnächst in Aktien investieren möchten, sollten Sie sich bei Ralph Eggerstedt Tipps abholen. „Ich sehe, was die Vorstandschefs der Großkonzerne wirklich meinen, aber nicht sagen, wenn sie die rosigsten Zahlen verkünden“, sagt Eggerstedt. Was der Trainer für Mimiksensorik und Experte für Körpersprache aus Lüneburg sieht, sei die erste Reaktion des menschlichen Gesichts, die sich im Bereich von 500 Millisekunden bewege. Die sei untrüglich.

Nun sind wir hier im Sportteil, nicht an der Börse. Da der Transfermarkt geschlossen ist, nicht mal an der Spielerbörse. Doch Eggerstedt kann nicht nur Spitzenmanager decodieren. „St. Pauli, die haben was, die sind anders“, sagt der Borussia-Mönchengladbach-Fan. Anders war beim enttäuschenden 1:1 in Sandhausen auch die Körpersprache des Zweitliga-Dritten. „Minütlich schlechter“ sei sie nämlich laut Trainer Timo Schultz geworden. Grund genug für Eggerstedt, fürs Abendblatt einen detaillierteren Blick darauf zu werfen.

FC St. Pauli: Körpersprache-Experte analysiert Mannschaft

Konfrontiert mit Spielszenen aus der zweiten Halbzeit fällt Eggerstedt direkt eine allgemeine Niedergeschlagenheit auf. „Hier und da hat sich ein Spieler nur noch progravitativ fortbewegt.“ Für die Kleinen: Das heißt, er ist im Schlumpfgang gelaufen. Die Arme hängen herunter, die Erdanziehung macht sich bemerkbar, der Oberkörper fällt nach vorn über, die Knie wippen.

In solchen Momenten sei direktes Handeln auf dem Spielfeld gefordert, sonst gerate die ganze Mannschaft in eine Abwärtsspirale. „Mitunter genügt schon ein Schulterklopfen. Aber das muss aus dem Team kommen, der Trainer von außen reicht da nicht allein“, so Eggerstedt. Dumm nur, dass bei St. Pauli am Ostersonnabend niemand als aufmunternde Präsenz Verantwortung übernahm.

Ralph Eggerstedt, Trainer für Mimikresonanz und  Experte für Körpersprache.
Ralph Eggerstedt, Trainer für Mimikresonanz und Experte für Körpersprache. © k.a. | www.fotografin.info

„Spaß ist das beste Werkzeug, um die Verkrampfung zu lösen"

„Wir hätten uns nach gut einer Stunde gegenseitig mehr pushen können“, bestätigt Etienne Amenyido, der auf der ungewohnten Zehnerposition auch keine Impulse setzen konnte. „Es geht jetzt darum, wieder an den Basics anzusetzen, füreinander da zu sein. Dann kommt das Selbstvertrauen von allein zurück“, so Amenyido.

Genau der richtige Ansatz, meint Eggerstedt. Ebenso wie die Maßnahme von Trainer Schultz, beim ersten Training nach der Sandhausen-Ernüchterung überwiegend auf spaßige Spielchen zu setzen anstatt auf Taktikdrills. „Spaß ist das beste Werkzeug, um die Verkrampfung zu lösen. Der Kopf muss leer sein, um das nächste Spiel gegen Darmstadt zu gewinnen. Der Trainer macht das also absolut richtig. Was passiert, wenn man immer nur muss, sehen wir ja beim HSV.“

Sandhausen ist hiermit abgehakt. Sagt auch Amenyido. „Wir sind immer noch in einer super Lage und freuen uns jetzt auf die heiße Saisonphase. Für diese Momente sind wir doch Fußballer geworden. Bis dahin legen wir alle eine Schippe drauf im Training. Wenn jeder 100 Prozent Gas gibt, schaffen wir es.“

Ursache lascher Körperspannung liege häufig in der Kabine

Vergangenes ist Vergangenes. Doch wie können die Braun-Weißen vorbeugen, um in kritischen Situationen nicht wieder die Köpfe hängen zu lassen? Eggerstedt vermutet, die Ursache lascher Körperspannung liege häufig in der Kabine. „Es kann vorkommen, dass der Trainer oder ein Führungsspieler etwas verkrampft dasteht oder ein Unwohlsein suggeriert. Das macht er natürlich nicht absichtlich, sondern ganz unbewusst. Und die anderen Spieler nehmen das wiederum unbewusst wahr, weil wir immer spiegeln, was unser Gegenüber macht“, sagt der Inhaber der „Eggerstedt Akademie“.

Schuld daran sind die Spiegelneuronen, seit Anbeginn der Menschheit fester Bestandteil des Körpers. Sie sind dafür zuständig, die Stimmung des Gegenübers zu verstehen. „Man kann selbst mal den Versuch starten, bei einer kleinen Menschenansammlung die Arme zu verschränken. Es wird nicht lange dauern, ehe der halbe Raum auch die Arme verschränkt“, so Eggerstedt.

Auf dem FC St. Pauli bezogen bedeutet dies für die Protagonisten nun, ihre Gestik und Mimik möglichst bewusst wahrzunehmen und damit positiv auf die Mitspielern auszustrahlen. Das Rezept laute auch hier wieder: Freude. „Wenn einer schlecht drauf ist und der andere macht dauernd Jokes, kann er sich irgendwann nicht mehr dagegen wehren und lacht mit. So was lockert dann den ganzen Körper auf“, meint Eggerstedt, der Privatpersonen und Unternehmen berät, mitunter beim Einstellungsprozess von Führungskräften.

FC St. Pauli: Kehrt die Lockerheit gegen Darmstadt zurück?

Amenyido hat keinen Zweifel, dass die Lockerheit schon am Sonnabend gegen Darmstadt zurückkehrt. Dreckig gewinnen? Sollen andere. „Wir können Spiele entscheiden, bevor es angespannt wird. Oder zumindest solche über die Zeit bringen mit unserer Art zu spielen“, sagt der Offensivakteur.

Wenn es trotz aller gut gemeinten Ratschläge doch nicht mit dem Aufstieg klappen sollte, dann eben im nächsten Anlauf kommende Saison. „Die erste Liga ist auf kurz oder lang mein großes Ziel“, so Amenyido. Eine Möglichkeit, das Budget für den Großangriff auf der Spielerbörse im Sommer aufzustocken: Wie wär’s denn mit Aktien?