Bremen/Hamburg. Werder Bremens Sport-Geschäftsführer Frank Baumann fordert gleiche Voraussetzungen für alle Vereine und kritisiert die 50+1-Regel.

Der ehemalige Nationalspieler Frank Baumann (46) arbeitet seit dem Ende seiner Profikarriere 2009 bei Werder Bremen in der sportlichen Leitung. Seit 2016 ist er als Geschäftsführer Sport tätig. Vor dem Zweitligatopspiel am Sonnabend beim FC St. Pauli sprach er mit dem Abendblatt unter anderem über die Herausforderungen in der Zweiten Liga und das Verhältnis beider Vereine zueinander.

Hamburger Abendblatt: Das Spiel am Sonnabend ist eines von etlichen Duellen zwischen den Aufstiegsanwärtern. Welche Bedeutung hat dieses Spiel für beide Teams? Ist es schon ein kleines Finale?

Frank Baumann: Es ist auf jeden Fall ein Spitzenspiel und, wenn man so will, auch eines von sechs Finalspielen. Wobei ich ein Finale allerdings immer daran festmache, dass danach nichts mehr kommt. Das wird ja für beide nicht der Fall sein.

Die Zweite Liga war ja für Sie als Sportchef Neuland in dieser Saison. Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat?

Baumann: Ich habe natürlich auch schon vor dem Abstieg die Liga verfolgt. Zudem haben wir mit Markus Anfang und auch Ole Werner ganz bewusst zwei Trainer verpflichtet, die die Zweite Liga kennen. Auch bei den Neuzugängen im Sommer haben wir darauf geachtet, dass wir Spieler bekommen, die wissen, wie es sich anfühlt, in Sandhausen oder Aue zu spielen und welche Qualitäten in der Zweiten Liga gefordert sind. Dass wir erst nach einigen Monaten ins Rollen gekommen sind, hing weniger damit zusammen, dass wir uns an die Liga gewöhnen mussten, sondern mehr damit, dass wir im Sommer einen sehr späten Umbruch hatten und uns viele Leistungsträger verletzungsbedingt lange gefehlt haben.

Gab es eine Phase, in der Sie befürchteten, dass Sie Ihre Pläne nicht wie gewünscht umgesetzt bekommen?

Baumann: Langweilig war es tatsächlich nicht. Wir haben direkt nach dem Abstieg aber klar gesagt, wie der Kader sportlich und wirtschaftlich vernünftig zusammengestellt werden soll und dass dies eine gewisse Zeit brauchen wird. Uns war klar, dass viele Transfers erst im August über die Bühne gehen würden. Wir hätten den einen oder anderen Spieler auch früher als erst im August verkaufen können. Dann hätten wir aber sechs bis sieben Millionen Euro weniger eingenommen.

War es im Nachhinein ein Glücksfall, dass Sie sich von Markus Anfang wegen seines gefälschten Impfpasses trennen mussten?

Baumann: Faktisch ist es so, dass Markus zurückgetreten ist. Ich halte Markus nach wie vor für einen sehr guten Trainer. Es gab viele Spieler, die weggegangen sind, viele Spieler, die unzufrieden waren. Er hat die sehr schwierige Situation im Sommer gut gehandhabt. Er hat da schon den Grundstein gelegt, auf dem Ole Werner jetzt aufbauen konnte.

Müssen Sie Ihren Etat noch einmal absenken, wenn Sie in der Zweiten Liga bleiben?

Baumann: Ja. Wir werden dann das Gehaltsbudget zurückfahren müssen, aber wir müssen auch einen Transferüberschuss erzielen, der allerdings geringer ausfällen würde als in dieser Saison.

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  • Das Verhältnis der Fans von Werder und St. Pauli ist eng und freundschaftlich. Auch auf Clubebene scheint man sich gut zu verstehen. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten der Vereine, abgesehen von der Aversion gegen den HSV?

    Baumann: Das hängt sicher mit einer ähnlichen grundsätzlichen Ausrichtung zusammen. Beide Vereine versuchen, gewisse Werte in die Gesellschaft zu tragen und der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.

    Welche Erinnerungen haben Sie an Timo Schultz aus dem einen gemeinsamen Jahr bei Werder (1999/2000)?

    Baumann: Timo war da einer der jungen Spieler aus der U23-Mannschaft. Er war ein sehr talentierter Spieler, bei dem man aber auch immer gemerkt hat, mit welcher Leidenschaft er auf dem Platz ist. Das hat er auch mit in sein Trainerdasein genommen. Man merkt, dass er Freude daran hat, mit Menschen umzugehen und weiter im Fußball tätig sein zu können. Er hat schon im Nachwuchsleistungszentrum bei St. Pauli eine sehr gute Arbeit geleistet und war jetzt für eine sehr gute Entwicklung der Profimannschaft verantwortlich. Er passt zudem sehr gut zum Verein.

    Und damit ja auch zu Werder Bremen. Hatten Sie Timo Schultz im Sommer auf der Liste Ihrer Kandidaten für den Trainerjob?

    Baumann: Ich habe die Liste gerade nicht zur Hand (lacht). Wir haben in Ole Werner einen sehr guten Trainer und sind mit ihm absolut zufrieden. Aber man hat durch seine NLZ-Tätigkeit den Namen Timo Schultz natürlich schon vor seiner Cheftrainerzeit bei St. Pauli immer wieder wahrgenommen und seinen Weg im NLZ bei St. Pauli immer verfolgt.

    Ein wichtiger Einnahmefaktor sind Fernsehgelder. Der FC St. Pauli macht sich bekanntlich dafür stark, die Schere zwischen Erster und Zweiter Liga nicht mehr so weit auseinanderdriften zu lassen. Wie ist Ihre Meinung dazu? Sollte die Zweite Liga künftig mehr Geld bekommen?

    Baumann: Grundsätzlich setzen wir uns als Werder Bremen für eine gerechtere Verteilung der Fernsehgelder ein. Man sieht ja, dass es in der Zweiten und Dritten Liga, in der die Schere nicht so weit auseinandergeht, einen sehr spannenden Wettbewerb gibt, was grundsätzlich gut für den Fußball ist. Andererseits beeinflussen die internationale Vermarktung und die Erfolge in internationalen Wettbewerben die Verteilung der Gelder. Dadurch geht die Schere ja so weit auseinander. Wir wünschen uns einen spannenden nationalen Wettbewerb, wollen aber auch, dass unsere Clubs international wettbewerbsfähig bleiben und Stars wie Lewandowski oder Haaland in der Bundesliga spielen.

    Wie stehen Sie zur 50+1-Regel?

    Baumann: Grundsätzlich ist das ein sehr gutes Mittel, um eine Fußball- und Fankultur zu erhalten, durch die sich der deutsche Fußball positiv abhebt. Das größte Pro­blem aus meiner Sicht ist, dass es zu viele Ausnahmen für 50+1 gibt, sodass keine gleichen Voraussetzungen vorhanden sind. Also muss man darüber sprechen, wie man dieses Ungleichgewicht wieder normalisieren kann.

    Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Ihrem ehemaligen Mitspieler Viktor Skripnik in der Ukraine?

    Baumann: Ja, wir haben auch seit Kriegsbeginn immer wieder geschrieben und auch mittlerweile mal länger telefonieren können. Der Kontakt ist bei vielen aus dem Verein zu ihm noch vorhanden. Man wird aber irgendwie hilflos. Es ist eine dramatische, schwierige Situation für alle Menschen, wenn das Heimatland angegriffen wird. Wenn man vor Ort lebt und arbeitet, ist es besonders schwer.

    Was erwarten Sie am Sonnabend für ein Spiel, und was wird entscheidend sein?

    Baumann: Beide Mannschaften stehen für einen spielerischen Ansatz. Es wird ein sehr intensives, dynamisches Spiel. Beide Teams werden sich definitiv nicht verstecken. Es wird spannend, es werden sicherlich auch Kleinigkeiten entscheiden, dass man im richtigen Moment das Tor macht, vielleicht auch ein bisschen Glück hat, um nicht in Rückstand zu geraten.