Hamburg/Benidorm. Der Toptorjäger ist nicht nur wegen seiner bisher 14 Saisontreffer, sondern wegen seiner Führungsqualität der wichtigste Spieler.

Am Dienstagnachmittag war Guido Burgstaller mal wieder voll in seinem Element. Erst köpfte er beim Training von Standards einen Eckball von Christopher Buchtmann per Kopf direkt ins Tor, dann verwandelte er, als es um die Entscheidung beim Wettbewerb zwischen zwei Kleingruppen ging, wie selbstverständlich seinen Elfmeter – unter großem Jubel seiner vier Mitstreiter.

Mit bisher 14 Saisontoren aus 18 Spielen ist der 32 Jahre alte Österreicher auch in der gesamten Zweiten Liga die Nummer eins in dieser Hinsicht. „Wenn er diese Torquote nur annähernd halten kann, hätte ich nichts dagegen“, sagt St. Paulis Cheftrainer Timo Schultz. Doch sofort stellt der Coach auch klar, dass er den prominentesten Spieler seines Kaders bei Weitem nicht allein an seinen Treffern misst.

FC St. Pauli: Guido Burgstaller ist nicht nur beim Toreschießen unverzichtbar

„Die Tore stehen bei mir nicht an Nummer eins, auch wenn wir sie natürlich auch brauchen. Den Spirit zu verkörpern, dieses Aggressive, dieses permanente Anlaufen, dieses Stressige für den Gegner – das ist sein größter Mehrwert für uns“, sagt Schultz. „Seine Art und Weise, Fußball zu spielen und dabei die Mannschaft anzuführen, tut uns sehr gut“, sagt Schultz weiter.

Tatsächlich ist immer wieder gut zu erkennen, wie sich all die jüngeren Mitspieler an Burgstaller orientieren, seinen Anweisungen während des Spiels folgen und ihn als Anspielstation suchen. Wenn sie merken, dass sie allein nicht an einem Gegner vorbeikommen, können sie sich sicher sein, dass es immer eine Option und gute Idee ist, dem Leitwolf in der Offensive den Ball zu geben.

„Ich erwarte von ihm, dass er sich weiter so gibt, wie er es in den eineinhalb Jahren getan hat, seit er hier ist. Dass er auf die Jungs zugeht, dass er einfordert, auch im Training, und jedes Spiel gewinnen will. Neben dem Platz ist bei ihm sowieso alles top, wie er sich verhält und vorweggeht“, sagt Trainer Schultz auf die Frage, was er sich in der zweiten Saisonhälfte von Guido Burgstaller verspricht.

Guido Burgstaller ruht meistens in sich

Keine Frage, Guido Burgstaller ist der Unverzichtbare in St. Paulis ansonsten auch in der Kaderbreite so stark besetzten Mannschaft. Selbst Toptorvorbereiter Daniel-Kofi Kyereh, der jetzt mit Ghana beim Afrika-Cup spielen und auf jeden Fall für St. Paulis erste drei Pflichtspiele des neuen Jahres nicht zur Verfügung stehen wird, scheint leichter zu ersetzen zu sein. Welch ein Horrorszenario, würde sich Burgstaller im Heimspiel gegen Aue am 15. Januar seine fünfte Gelbe Karte einhandeln, damit im Stadtderby beim HSV sechs Tage später gesperrt sein und gemeinsam mit Kyereh ausfallen.

Andererseits sollte er mit seiner langen Profierfahrung clever genug sein, gegen Aue eine Verwarnung zu vermeiden. Schließlich ruht der Kärntner meist in sich und wird nur dann wirklich aufbrausend, wenn er sich oder einen Mitspieler unfair behandelt fühlt, sei es von einem Gegner oder dem Schiedsrichter.

Klare Ansagen eines ruhigen Mitspielers machen mehr Eindruck

Guido Burgstaller, im Spätsommer 2020 vom FC Schalke 04 ans Millerntor gekommen, weiß selbst natürlich, dass er im Grunde noch mehr als Kapitän Philipp Ziereis gefordert ist, die jüngeren Spieler zu führen und ihnen Halt und Orientierung zu geben. Dabei hat er seine ganz eigene Art, dieser Rolle gerecht zu werden.

„Ich mache einen Mix daraus. Ich bin nicht derjenige, der die ganze Zeit spricht und Kommandos gibt. Wenn ich aber das Gefühl habe, ich sollte mal etwas sagen, dann mache ich das auch. Ansonsten gebe ich auf dem Platz Vollgas und versuche, die Jungs mitzuziehen“, sagte er am Dienstag im Gespräch zwischen den beiden Trainingseinheiten des Tages. Ganz nach dem Motto: Wer ständig redet, wird irgendwann überhört. Wenn aber einer, der meistens ruhig ist, eine klare Ansage macht, dann hat das viel mehr Wirkung.

„Guido soll so locker bleiben wie bisher und einfach drauflos spielen und vorweggehen“, wünscht sich Trainer Schultz für den weiteren Saisonverlauf von seinem Topmann. Der wiederum scheint mit der Rolle des Gejagten, die der FC St. Pauli als Herbstmeister und Tabellenführer der Zweiten Liga nun einmal hat, souverän umgehen zu können. „Klar haben wir jetzt etwas zu verlieren. Aber es ist ja nichts Schlimmes. Wir spielen ja nicht gegen den Abstieg. Eigentlich müssten wir befreit aufspielen. Das ist auch bei uns im Kopf drin“, sagt er.

„Es wäre überragend, mit St. Pauli noch mal in der Bundesliga zu spielen“

Dabei sollte die jüngste 0:3-Niederlage bei Holstein Kiel unmittelbar vor der Weihnachtspause Warnung genug gewesen sein. „Zum Schluss haben wir gesehen, dass wir immer bei 100 Prozent sein müssen, sonst wird es schwierig. Da wollen wir wieder hinkommen“, mahnt er an.

Dann könnte das Thema Aufstieg tatsächlich real werden, das Wort aber will Burgstaller weiter erst am 30. Spieltag in den Mund nehmen. Dafür allerdings sagt er schon jetzt: „Klar sind wir auf Platz eins, und klar wollen wir den Platz nicht verlieren. Es wäre natürlich überragend und ein schönes Gefühl, mit St. Pauli noch mal in der Bundesliga zu spielen. Es ist auch ein Ziel von mir, dazu meinen Beitrag zu leisten.“

Mittelfeldspieler Jackson Irvine zog sich am Dienstagvormittag eine Verletzung am linken Fuß zu, brach das Training vorzeitig ab und wurde bandagiert. Bei der Nachmittagseinheit schaute der Australier am Rande zu. Außenverteidiger Sebastian Ohlsson, der am Montag das Training mit Oberschenkelproblemen früher beendet hatte, konnte am Dienstag wieder voll mitmischen.