Hamburg/Benidorm. Auch Physiotherapeut Rashwan fehlt im einwöchigen Trainingslager in Benidorm. Bremen sagt gemeinsame Reise wegen Corona ab.
Die äußeren Bedingungen könnten kaum besser sein, unter denen die Mannschaft des FC St. Pauli von diesem Montag bis zum kommenden Sonntag ihr Trainingslager in Benidorm, an der Costa Blanca Spaniens absolviert. Jeden Tag Sonnenschein, teilweise bis zu neun Stunden, dazu Temperaturen zwischen 15 und 17 Grad Celsius. „Da kann man auch mal zwei oder drei Stunden draußen trainieren, ohne Angst haben zu müssen, dass am Tag danach fünf, sechs Spieler Schnupfen haben“, sagte Cheftrainer Timo Schultz vor dem Abflug aus Hamburg nach Alicante per Chartermaschine.
Allerdings gab es noch vor der Abreise einige schlechte Nachrichten. Zum einen sagte Werder Bremen sein Trainingslager und damit die gemeinsame Flugreise nach Alicante kurzfristig ab, weil es in der Mannschaft gleich fünf neue Corona-Fälle gab. Auch der FC St. Pauli blieb nicht verschont. So hatte Außenverteidiger Luca Zander bereits „rund um Weihnachten“, wie es der FC St. Pauli formulierte, einen positiven Corona-Befund. Und auch Athletik-Trainer Karim Rashwan wurde positiv getestet. Zuvor hatte bereits Liga-Konkurrent Fortuna Düsseldorf sein Trainingslager in Marbella abgesagt.
Warum St. Pauli trotz Corona ins Trainingslager reist
Das Wetter ist also die eine, die Corona-Situation nun die andere Angelegenheit, die natürlich ein Thema auch bei diesem Trip sind, nachdem die Infektionszahlen zuletzt gerade in Spanien explodiert waren und die Inzidenz zuletzt auf über 1200 gestiegen war. Die Verantwortlichen bei St. Pauli sind allerdings davon überzeugt, dass die Spieler im Trainingslager sicherer sind, als wenn sie in Hamburg täglich nach den Einheiten wieder nach Hause fahren und dann Kontakte zu anderen Personen weit schlechter zu vermeiden sind, als wenn sie im Teamhotel nur unter sich sind. „Wir haben Bedingungen, die in etwa die gleichen sind, wie wir sie im Quarantäne-Hotel zum Ende der vergangenen Saison hatten“, sagte Timo Schultz.
Damals hatte sich die Mannschaft in Herzlake für gut eine Woche in Isolation begeben. „Im Hotel haben wir jetzt unseren eigenen Komplex.“ Das Team bezog sein Quartier in der Vier-Sterne-Herberge Melia Villaitana, die Trainingsanlage gehört zu dem Anwesen ebenso wie Tennisplätze und ein Golfplatz.
„So ein Trainingslager hat auch den Vorteil, dass ich als Trainer die Mannschaft einmal für mehrere Tage beisammenhabe. Das bietet die Chance, am Abend noch mal eine Besprechung zu haben“, sagte Schultz weiter und rechtfertigte den Aufwand für die vergleichsweise kurze Zeit von praktisch nur einer Woche. Auch Ernährung und Schlaf seien im Trainingslager optimal. Dazu komme natürlich das Wetter. Der für diesen Montag und Dienstag in Hamburg angekündigte Dauerregen bestätigt ihn in dieser Hinsicht zweifellos.
Woran St. Pauli im Trainingslager arbeitet
Die fußballerischen Schwerpunkte des Trainingslagers haben Schultz und sein Trainerteam längst festgelegt und klar definiert. „Wir wollen wieder an der Schärfe gegen den Ball arbeiten. Die ist uns zuletzt zwar nicht abhandengekommen, aber wir können da wieder einen Schritt nach vorn machen“, sagte er jetzt. Der Eindruck des jüngsten 0:3 bei Holstein Kiel unmittelbar vor der kurzen Winterpause ist schließlich noch frisch. „Wir haben zuletzt wieder zu viele Chancen des Gegners zugelassen.“ Zudem seien die Standards ein Schwerpunkt im Trainingslager.
Wie erfolgreich diese Trainingsschwerpunkte umgesetzt worden sind, soll am Ende des Trainingslager das für Sonnabend vorgesehene Testspiel zeigen. Der Gegner wird alsbald bekanntgegeben werden, am Sonntag fehlten noch die Unterschriften.
St. Paulis Trainer Schultz warnt sein Team
Genau eine Woche später, am 15. Januar (13.30 Uhr), kommt der abstiegsbedrohte FC Erzgebirge Aue zum ersten Punktspiel des neuen Jahres ins Millerntor-Stadion. Schon jetzt schwant Schultz, dass dieses Spiel in der allgemeinen Wahrnehmung nur als lockerer Aufgalopp für die unmittelbar danach folgenden Höhepunkte in Form des DFB-Pokal-Heimspiels gegen Borussia Dortmund (18. Januar) und des Stadtderbys beim HSV (21. Januar) betrachtet wird. Dem will er unbedingt entgegenwirken.
Schließlich weiß der Coach, dass ein Ausrutscher gegen Aue für den Tabellenführer der Liga nicht nur schmerzhaft, sondern vor allem gegenüber den direkten Verfolgern das Signal wäre, doch eher nervös als selbstbewusst zu sein. „Der Fokus ist jetzt auf das Trainingslager gerichtet, und danach zählt für mich nur das Spiel gegen Aue“, sagte Schultz denn auch deutlich.
Im Trainingslager, aber auch in den drei genannten Pflichtspielen danach muss St. Pauli bekanntlich auf seinen besten Torvorlagengeber Daniel-Kofi Kyereh (neun Assists) verzichten, der für Ghana am Afrika-Cup in Kamerun teilnimmt. Ansonsten aber waren am Sonntag alle Profis dabei, die zuletzt am Training teilnehmen konnten. Und auch der defensive Mittelfeldspieler Afeez Aremu flog mit nach Alicante, auch wenn der Nigerianer nach seiner Oberschenkelverletzung noch nicht wieder voll belastbar ist. Schultz hielt es aber für sinnvoller, den 22-Jährigen im Team dabei zu haben, als ihn allein in Hamburg sein Programm abspulen zu lassen.
Verzichtet St. Pauli auf Wintertransfers?
Ob der Kader in der bis Ende Januar laufenden Transferperiode noch einmal punktuell verstärkt wird, sei hingegen noch nicht entschieden. Nichts muss, aber manches kann – so lautet offenbar das Motto in dieser Hinsicht. „Wir machen uns Gedanken, was das Feintuning angeht. Wenn noch einer kommt, dann müssen wir sicher sein, dass es hundertprozentig passt. Ich will nichts ausschließen, aber im Trainingslager wird kein Neuer dabei sein“, stellte Schultz klar.
Die Sorge, dass ein neuer Spieler das teaminterne Gefüge außer Balance bringen könnte, schwingt dabei immer mit. Andererseits wäre die Verstärkung mit einem unumstrittenen Leistungsträger, etwa als Vorgriff auf die kommende Saison, auch ein Signal nach außen und innen, es jetzt ernst wirklich zu meinen mit dem Aufstieg in die Bundesliga.
Wer weiß schon, ob in den kommenden Jahren die Ausgangsposition mit sechs Punkten Vorsprung auf den Aufstiegsrelegationsplatz nach 18 Spielen so schnell wiederkommen wird.
St. Paulis Endspurt bis zum Aufstieg
In den sieben Tagen unter der spanischen Sonne soll jetzt auf jeden Fall die Basis für eine erneut erfolgreiche Halbserie gelegt werden. „Ich bin grundsätzlich immer so eingestellt, dass das neue Jahr hoffentlich immer noch besser als das alte wird“, sagte Trainer Schultz jetzt auf die Frage, wie persönlich mit einem Jahreswechsel umgeht. „Wenn wir das sportlich hinbekommen, wäre das schon mal eine Ansage.“
In der Tat würde schon eine Rückrunde wie im vergangenen Frühjahr mit 31 Punkten fast sicher den Aufstieg bedeuten. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 reichten 67 Punkte in der Abschlusstabelle nur ein einziges Mal (2011/12) nicht zum direkten Sprung in die Bundesliga.