Hamburg. Im Konflikt mit Israel solidarisiert sich der Offensivspieler mit den Palästinensern. Wie St. Pauli mit Social-Media-Statements umgeht.

Eine der großen Stärken von Omar Marmoush auf dem Fußballfeld ist seine Unberechenbarkeit und Unbekümmertheit. Damit bringt er die Gegner zur Verzweiflung – und manchmal auch Trainer Timo Schultz. Was im Spiel tatsächlich eine Stärke sein kann, ist es im Alltagsleben aber nicht immer.

So sorgte der 22 Jahre alte Ägypter in Diensten des Zweitligisten FC St. Pauli am Dienstag mit einer „Story“ bei Instagram für große Aufregung in der Fanszene, in der er sich zum eskalierenden Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und den Palästinensern mit inzwischen zahlreichen Toten äußerte.

Marmoush Statement ist hochproblematisch

Marmoush hatte also vor der Abfahrt ins Quarantäne-Trainingslager in Herzlake auf seinem Social-Media-Kanal die Umrisse des Staates Israel gezeigt, die jedoch gefüllt waren mit einem Muster der Kufiya, des als „Palästinensertuch“ bekannten Kopftuchs aus der arabischen Welt. Das eigentlich als Sonnenschutz getragene Tuch hat sich im Zuge des Nahostkonflikts spätestens seit Palästinenserchef Jassir Arafat zu einem Symbol für die gegen Israel kämpfenden Palästinenser entwickelt.

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Das von Marmoush geteilte Bild könnte also durchaus symbolisch für die Nichtanerkennung des Staates Israel stehen. Dazu stand in Arabisch noch ein Text, laut dem sinngemäß Gott den Palästinensern den „Sieg“ gewähren solle. Das ist ein politisches Statement, das zumindest hochproblematisch ist.

Marmoushs Israel-Posting: Komplexe Situation

„Die Situation ist überaus komplex, und entsprechend schwer fällt eine Beurteilung der Geschehnisse. Darum haben wir in einem internen Gespräch mit der Mannschaft auf die Komplexität und Vielschichtigkeit des Konflikts sowie der Berichterstattung in den klassischen wie auch sozialen Medien hingewiesen, um die Spieler für das Thema weiter zu sensibilisieren“, teilte der Verein am Abend mit: „Klar ist aber die grundsätzliche Haltung des FC St. Pauli gegen Krieg, Gewalt und jegliche Formen von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung.“  

Der FC St. Pauli ist dafür bekannt, dass er es begrüßt, wenn sich seine Spieler auch für politische Themen interessieren und sich mit ihnen auseinandersetzen. Zugleich versucht der Club, mit seinen Profis in Gesprächen auch problematische Veröffentlichungen aufzuarbeiten. So erhielt der Uruguayer Rodrigo Zalazar Aufklärung über die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Shoah, nachdem er sich zu seiner Zeit in Polen lächelnd vor dem KZ Auschwitz hatte fotografieren lassen. 

FC St. Pauli kann nicht jede Äußerung verhindern

Im November 2019 löste der Verein den Vertrag mit dem türkischen Angreifer Cenk Sahin auf, der nach der Invasion Nordsyriens durch die Türkei das „heldenhafte Militär“ seines Landes unterstützt hatte und auch nach persönlichen Gesprächen nicht von seiner Meinung abgerückt war. „Cenk Sahin war ein sehr mündiger Spieler“, sagte Präsident Oke Göttlich dem Abendblatt vor wenigen Wochen. „Mit seiner Haltung muss man sich auseinandersetzen, die aber mit der des Vereins nicht mehr vereinbar war.“

So sehr der Verein darauf achtet, dass keine unbedachten Aussagen von Spielern oder Mitarbeitern in „klassischen“ Medien veröffentlich werden, so hilflos ist er zunächst bei dem, was die Spieler von sich aus in Onlinemedien veröffentlichen. Freigeben lassen müssen sie das nicht. „Wir verbieten den Spielern nichts“, sagte Medienchefin Anne Kunze dem Abendblatt.

St. Paulis Medienabteilung scannt täglich sozialen Netze

Dennoch scannt die Medienabteilung des Vereins täglich die sozialen Netze, um auf alles mindestens vorbereitet zu sein. „Manche Spieler wollen auch, dass wir sie begleiten“, sagte Kunze, „wir geben Hinweise und Empfehlungen.“ Im aktuellen Fall von Omar Marmoush, der beim Bundesligisten VfL Wolfsburg unter Vertrag steht und nach der Saison zum VW-Club zurückkehrt, wurde sein umstrittener Post nach etwas über einer Stunde wieder gelöscht. Ob aus eigenem Antrieb oder auf Betreiben des Vereins, ist unbekannt.

Auch die St.-Pauli-Profis Christopher Avevor und Leart Paqarada sowie Jeremy Dudziak und Klaus Gjasula vom Lokalrivalen HSV haben in geteilten Posts Solidarität mit der Bevölkerung Palästinas bekundet. Sie haben dabei aber keine Symbole verwendet, die als Leugnung des Existenzrechts Israels verstanden werden könnten. Denn „das ist zumindest problematisch“ urteilt der Fanblog „Millernton“ in einer Aufarbeitung des Vorfalls.

Marmoush: St. Paulis Fanszene ist gespalten

Die Fanszene ist dabei gespalten. So wie die Welt. Es ist kaum möglich, in diesem weltpolitischen Konflikt ein klares Urteil zu fällen. Nur das Existenzrechts Israels muss indiskutabel sein. Aber was ist mit dem Leid der Zivilbevölkerung in Palästina, den Terrorraketen der Hamas, den Vergeltungsschlägen Israels?

Omar Marmoush überzeugt auf dem Spielfeld durch seine Spontanität. Möglicherweise ist er beim Verfassen seines Posts einem spontanen Instinkt gefolgt, als er die Bilder von den palästinensischen Opfern gesehen hat. Vielleicht hat er sich ganz bewusst für sein Statement entschieden. Welche Folgen jedoch politische Äußerungen von Fußballspielern haben können, das hat er an diesem Dienstag gelernt.