Hamburg. St. Paulis bester Scorer Daniel-Kofi Kyereh schätzt sich selbst realistisch ein: „Defensiv und offensiv noch Steigerungspotenzial“.
Knapp zwei Stunden Training und dann noch eine ausführliche Videoanalyse hatte Daniel-Kofi Kyereh schon hinter sich, als er sich am frühen Dienstagnachmittag per Videokonferenz dem Gespräch mit den Hamburger Medienvertretern stellte. Der Offensivspieler des FC St. Pauli war am vergangenen Freitag im Stadtderby beim HSV (2:2) mit 12,48 gelaufenen Kilometern der in dieser Hinsicht fleißigste Akteur des gesamten Matches gewesen und untermauerte zudem mit der Vorlage zum zweiten Tor den Status als Führender in der teaminternen Scorerwertung – mit drei Treffern und zwei Torvorbereitungen.
Dennoch sieht der 24 Jahre alte Kyereh, der in dieser Saison vom SV Wehen Wiesbaden ans Millerntor gekommen war, seine eigene Leistung im Derby kritisch. „Es war nicht mein bestes Spiel“, sagt er wohltuend ehrlich. Eine echte Torchance konnte er sich nicht erarbeiten. „Auch defensiv war es von mir vor allem in der ersten Halbzeit nicht so gut. Da habe ich einiges nicht so gut gelöst“, stellt er treffend fest.
Kyereh ist selbstkritisch
Dies betraf insbesondere auch die Szene, die zur 1:0-Führung des HSV führte, als Kyereh in der Rückwärtsbewegung etwas zu nachlässig war und in der Folge sein Mitspieler Maximilian Dittgen unglücklich im Duell mit Josha Vagnoman aussah.
„Ich bin mir meiner Schwächen und Stärken absolut bewusst. Defensiv und offensiv habe ich noch Steigerungspotenzial. Aber ich bin mir sicher, dass mich Schulle, Loic und Fabi sowie die ganze Mannschaft fördern und zu meinen bestmöglichen Leistungen führen werden“, sagt Kyereh über die Arbeit mit den Trainern Timo Schultz, Loic Favé und Fabian Hürzeler.
Kyereh fühlt sich wohl in Hamburg
Im vergangenen Sommer hatte der flexibel einsetzbare Stürmer aus mehreren Angeboten auswählen können. Sein Plus war, dass sein Vertrag bei Zweitligaabsteiger SV Wehen Wiesbaden ausgelaufen war und er somit ablösefrei wechseln konnte. Neben St. Pauli hatte auch Nordrivale Holstein Kiel deutliches Interesse an dem Deutsch-Ghanaer hinterlegt. Aus finanziellen Gründen aber sah man an der Förde dann doch von einer Verpflichtung ab.
So kämpften HSV und St. Pauli um die Stadtmeisterschaft:
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Kyereh selbst hat es bisher nicht bereut, sich für St. Paulis Angebot entschieden zu haben. Ganz im Gegenteil – und das nicht nur aufgrund des finanziellen Aspektes. „Ich fühle mich absolut angekommen und super wohl. Auf jedes Training freue ich mich, selbst wenn es nur zum Laufen ins Niendorfer Gehege geht. Da weiß ich, dass ich mit den Jungs zusammen bin und quatschen kann. Auch neben dem Platz machen wir viel zusammen.“
Der Offensivspieler kann auch kochen
Verzichten muss Kyereh seit Anfang dieser Woche allerdings auf die Besuche in seinem neuen Lieblingsrestaurant, dem Hadjia in der Repsoldstraße. „Dort gibt es Speisen aus meinem Geburtsland“, sagt der in Accra, der Hauptstadt Ghanas, zur Welt gekommene Fußballprofi. Im Alter von eineinhalb Jahren war er nach Braunschweig gekommen, der Heimat seiner Mutter.
Die ghanaische Küche aber favorisiert er noch immer. „Viel Reis, viel Fleisch und super gewürzt“, schwärmt er. Dazu kommt das Nationalgericht Fufu. „Ich kenne keinen, dem das nicht schmeckt“, sagt Kyereh. „Zum Glück hat mein Papa mir beigebracht, es selbst zu kochen“, sagt Kyereh über den festen und stärkehaltigen Brei aus Maniok oder Yams und Kochbananen. „Im Restaurant aber ist es entspannter und schmeckt auch besser, als wenn ich es selber mache“, gibt er zu.
Seit vier Punktspielen wartet er auf seinen nächsten Torerfolg
Nachdem er schon in der Vorbereitung im Sommer seine Torgefahr unter Beweis gestellt hatte, trumpfte Kyereh bekanntlich auch in den ersten Spielen der neuen Zweitligasaison mächtig auf, erzielte beide Treffer bei St. Paulis erfolgreicher Aufholjagd beim VfL Bochum (2:2) und schoss sein Team auch im ersten Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim (4:2) in Führung.
Seit nunmehr vier Punktspielen aber wartet er auf seinen nächsten Torerfolg. „Dafür haben andere, wie zum Beispiel Rodrigo Zalazar, getroffen. Ich mache mir keine Gedanken, dass ich unbedingt Tore schießen muss“, sagt Kyereh. Eine Marke, auf wie viele Treffer und Torvorlagen er in dieser Spielzeit kommen wolle, habe er sich nicht gesetzt, versichert er. In seiner ersten Zweitligasaison war er für Wehen Wiesbaden in 28 Spielen auf sechs Tore und sieben Vorbereitungen gekommen – eine Quote, die bei einem Absteiger ordentlich, aber nun angesichts des neuen Offensivstils von St. Pauli auch steigerungsfähig ist.
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Dies gilt umso mehr, da Daniel-Kofi Kyereh zu jenen Profis im St.-Pauli-Kader gehört, die ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft und somit ihren Leistungszenit noch nicht erreicht haben. „Wir alle sind hungrig, wild und heiß darauf, besser zu werden. Man kann die Entwicklung Tag für Tag, Woche für Woche und Spiel für Spiel sehen“, sagt er. „Das ist das, was mich nach drei Monaten absolut positiv stimmt und auf die Zukunft hoffen lässt. Wir werden irgendwann an den Punkt kommen, dass wir eine Mannschaft sind, vor der sich die Gegner fürchten können“, sagt er mutig.
Zunächst aber gilt es für Kyereh und sein Team, am kommenden Sonntag (13.30 Uhr/Sky) im Heimspiel gegen den Tabellenvorletzten Karlsruher SC den zweiten Saisonsieg einzufahren und den Abstand zur kritischen Tabellenregion zu vergrößern. Erstmals in dieser Saison geht das Millerntor-Team als Favorit in ein Punktspiel. „Wir sollten nicht den Fehler machen, uns in Sicherheit zu wiegen. Es wird kein leichteres Spiel als gegen jemanden anders.“
Im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr bleiben die Fanshops des FC St. Pauli am Millerntor-Stadion und auf der Reeperbahn im November geöffnet.