Hamburg. St. Paulis junger Mittelfeldspieler ist auf dem Weg vom Talent zur festen Größe. Das ist auch dem Trainer zu verdanken.
Nach einem freien Sonntag hatten die Fußballprofis des FC St. Pauli am Montag gleich zwei Trainingseinheiten zu absolvieren. Bei spätsommerlich anmutenden 19 Grad Celsius an diesem zweiten Tag im November mischte auch Finn Ole Becker am Vormittag unter den 17 Feldspielern munter auf dem Rasen mit, ehe es am Nachmittag in den Kraftraum ging.
Drei Tage zuvor war der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler beim 2:2 im Stadtderby gegen den HSV im Volksparkstadion einer der auffälligsten Akteure seines Teams gewesen. Seine 58 Ballkontakte waren – gemeinsam mit Sebastian Ohlsson – der teaminterne Topwert, und auch seine positive Passquote von 78 Prozent konnte sich für einen, der nur ungern Sicherheitspässe nach hinten spielt, absolut sehen lassen.
Finn Ole Becker ist robuster geworden
Nachdem Becker wegen eines Mitte August erlittenen Muskelfaserrisses einige Wochen lang das Mannschaftstraining verpasst hatte und in den ersten beiden Ligaspiele der Saison nur als Joker ins Spiel gekommen war, gehörte er in den danach folgenden vier Partien regelmäßig der Startelf an – und wurde seither immer besser.
Dies trifft auch auf Komponenten zu, die bisher eher zu seinen Schwächen zu zählen waren. Wurde er von den meist physisch überlegenen Gegenspielern hart angegangen, war er häufig zu Boden gegangen und hatte vergeblich auf einen Freistoß gehofft. Jetzt aber wehrt er sich deutlich mehr als bisher, wenn es einmal robust wird.
55 Prozent gewonnene Zweikämpfe gegen den HSV
Gegen den HSV standen 55 Prozent gewonnene Zweikämpfe für ihn zu Buche, womit er zu den Besten seines Teams zählte. „Auch schon beim Spiel in Darmstadt hat er die Zweikämpfe angenommen und geführt. Da waren es 31 Stück, was völlig untypisch ist für ihn“, lobte Trainer Timo Schultz seinen Schützling, den er schon in St. Paulis Nachwuchsteams trainiert und dessen Weg er intensiv begleitet hatte.
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Schon Schultz’ Vorgänger Jos Luhukay hatte vom Amtsantritt im April 2019 an auf den zuvor von Markus Kauczinski ignorierten Becker gesetzt und ihm zu seinen ersten 33 Zweitligaspielen verholfen. Und doch blieb das aus Elmshorn stammende Fußballjuwel unter Luhukay in seiner Entwicklung nahezu stehen.
Erst jetzt, da Timo Schultz ihn wieder unter seinen Fittichen hat, rafft er sich zum nächsten Schritt auf. Auf der einen Seite schwärmt St. Paulis Trainer von Beckers „Wahnsinnspotenzial“, auf der anderen Seite aber fordert er auch weitere Steigerungen. „Er muss seinen Weg schon noch gehen, an sich arbeiten und bei allem noch stabiler werden“, sagt Schultz. Und weiter: „Darüber, dass er auch mal ins Kopfballduell geht, kann sich ja gern freuen. Das sollte aber absolute Normalität sein.“
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Dann ist da noch das Thema Torgefahr. Beckers bisher einziger Zweitligatreffer, der ihm per Flachschuss von der Strafraumgrenze beim 2:0 gegen den SV Sandhausen gelang, datiert vom 29. September 2019. Trotz dieses Erfolgserlebnisses traute er sich in der Folge nur wenige Torschüsse zu. Schon seit der U16, so berichtet Schultz, werfe er Becker vor, dass er zu selten den Weg nach vorn suche und dabei zu wenig herauskomme.
„Er geht aber jetzt gerade auch die Schritte Richtung gegnerisches Tor“, lobt Schultz die aktuelle Veränderung. Im Derby hatte Becker mit einem 18-Meter-Schuss HSV-Torwart Sven Ulreich zu einer spektakulären Parade gezwungen.
Ähnlich mutige Abschlüsse erhoffen sich alle, die es mit dem FC St. Pauli halten, zumal Becker zweifellos über die nötige Schusstechnik verfügt. „Das Schöne an Finn ist, dass er selbst weiß, wo er herkommt, und selbst sein größter Kritiker ist“, sagt Trainer Schultz.
Stürmer Simon Makienok absolvierte am Montagvormittag nur eine individuelle Einheit. Der Schütze des zweiten Tores im Derby beim HSV hatte eine Oberschenkelprellung erlitten, sollte aber am kommenden Sonntag im Heimspiel gegen den Karlsruher SC wieder zur Verfügung stehen. Innenverteidiger Philipp Ziereis, der wegen einer Verhärtung im Oberschenkel das Derby verpasst hatte, konnte wieder Teile des Mannschaftstrainings mitmachen.