Herzlake. Sie sind erst 27 – doch Fabian Hürzeler und Loic Favé überzeugen auch den zwei Jahre älteren Marvin Knoll.

Ein gewisses Maß an Skepsis schwang schon mit, als die Fußballprofis des FC St. Pauli vor ein paar Wochen erfuhren, dass sie es künftig neben Cheftrainer Timo Schultz (43) mit zwei 27 Jahre jungen Co-Trainern zu tun bekommen werden: mit Loic Favé und Fabian Hürzeler. „Als ich hörte, dass
Loic schon ein Buch geschrieben hat, dachte ich, da kommt vielleicht so ein Lehrertyp“, gibt Mittelfeldspieler Marvin Knoll in seiner typischen, direkten und ehrlichen Art zu.

Die anfänglichen Bedenken sind längst einem bemerkenswerten Respekt gewichen. „Loic ist, glaube ich, ein kleines Genie. Der hat richtig Ahnung von dem, was er da macht. Das hat Fabi auch, aber er ist mehr so ein emotionaler Typ. Deshalb ergänzen sie sich auch sehr gut. Es macht echt Spaß mit den beiden, sie passen richtig gut in die Truppe rein“, gerät Knoll geradezu ins Schwärmen.

St.-Pauli-Trainer Schultz lässt Favé und Hürzeler ran

Dabei gehört der meinungsstarke, 29 Jahre alte Knoll zu jenen Profis im Kader des FC St. Pauli, die älter als die beiden neuen Co-Trainer sind, die auf ausdrücklichen Wunsch von Cheftrainer Timo Schultz verpflichtet wurden und gleichzeitig die deutlich älteren Markus Gellhaus (50), André Trulsen (55) und Hans Schrijver (61) ablösten. „Wenn du merkst, dass sie dich besser machen wollen, dann hörst du zu und bist neugierig“, sagt Knoll weiter und scherzt: „Wenn sie frech werden, müssen sie mich siezen.“

Auch der wie Favé und Hürzeler 27 Jahre alte Innenverteidiger Philipp Ziereis sieht den deutlichen Verjüngungsprozess im Trainerteam positiv. „Wir sind es alle nicht gewohnt, aber ich finde es geil. Es wird in den nächsten Jahren aber immer öfter so kommen. Wenn gute Leute einfach gute Arbeit machen, spielt das Alter keine Rolle“, sagt er.

St. Paulis Trainer Schultz will "einen Schuss Frechheit"

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    In der täglichen Arbeit auf dem Platz müssen sich auch Favé und Hürzeler ebenso beweisen wie bei den Analysen und Besprechungen im internen Kreis. Cheftrainer Timo Schultz zieht sich dabei gelegentlich bewusst zurück, lässt seine beiden Wunschassistenten die Übungen und Spielformen erklären und danach auch leiten.

    Favé und Hürzeler finden richtiges Maß

    Dabei trauen sich die Trainertalente durchaus, auch mal deutlich Tacheles zu reden. Kürzlich kritisierte Hürzeler mit klaren Worten die mangelnde Körperspannung, als im Training Angriffsvarianten nicht zu Torabschlüssen führten, obwohl es außer dem Torwart gar keine Gegenspieler gab.

    „Wenn es nicht läuft, ist es wichtig, dass man auch mal eine klare Ansage macht – unabhängig davon, ob wir jetzt Co- oder Cheftrainer sind. Ich glaube, dazu hat jeder die Berechtigung. Timo fordert es auch immer wieder ein, dass wir konsequent eingreifen, wenn es uns nicht gefällt“, sagt Hürzeler dazu. „Es ist ihr gutes Recht, dass sie uns auch mal ein paar Sachen sagen“, bestätigt Philipp Ziereis. „Jeder weiß seine Rolle einzuschätzen. Wenn der Co-Trainer mir etwas sagt, was ich schlecht mache, ist das kein Problem.“

    Am Ende kommt es eben immer auf die Art an, wie man miteinander umgeht. Damit haben die St.-Pauli-Profis ja zuletzt mit Schultz’ Vorgänger Jos Luhukay ihre ganz speziellen Erfahrungen gemacht. Favé und Hürzeler finden dagegen, ebenso wie Timo Schultz, bisher offenbar das richtige Maß zwischen
    Lockerheit und Autorität.

    Hürzeler wurde mit 22 Spielertrainer

    Fabian Hürzeler, der schon als Trainer des SC Pipinsried Erfahrungen mit einer Erwachsenenmannschaft gemacht hat und in die Regionalliga Bayern aufgestiegen ist, hat da eine im Grunde einfache und plausible Herangehensweise. „Ich sehe die Spieler nicht nur als Profis, sondern auch als Menschen. Sie sind Menschen wie wir. Die Spieler haben bestimmte Ansprüche auch an uns, wie wir sie weiterentwickeln. Ich glaube, dass Loic und ich versuchen, inhaltlich zu überzeugen“, sagt er. Was den beiden ganz wichtig ist: „Wir schauen nicht von oben herab auf die Spieler herunter.“

    Trainiert hat der in Hamburg-Eimsbüttel aufgewachsene Loic Favé beim ETV zwar bislang nur Nachwuchsteams, als Jugendkoordinator des Vereins musste er aber auch etliche erwachsene Trainer führen und sich mit den Eltern der Kinder auseinandersetzen. „Mit ihnen musste ich teilweise auch unangenehme Gespräche führen. Diese Erfahrung hat mir auf jeden Fall geholfen“, sagt der Sohn einer französischen Mutter, die einst zum Studium nach Hamburg kam. „Ich finde es immer entscheidend, mit den Menschen, mit den Persönlichkeiten klarzukommen und eine Verbindung aufzubauen“, lautet seine Devise.

    Während Favé, abgesehen von einem Semester seines Sportmanagementstudiums in Leipzig, immer in Hamburg lebte, ist Hürzeler schon etwas herumgekommen. Sein Vater ist Schweizer, er wurde in Houston (US-Bundesstaat Texas) geboren, wo seine Eltern eine Zahnarztausbildung absolvierten, und kam über Freiburg nach München. Beim FC Bayern durchlief er die Jugendteams, stand in Hoffenheim kurz vor einer Profikarriere, ehe er zu 1860 München ging und sein Studium aufnahm. Schon mit 22 Jahren wurde er beim SC Pipinsried (bei Dachau) Spielertrainer.

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    Kennengelernt haben sich die Trainertalente erst in Hamburg. So motiviert sie auch sind, ist ihnen klar, dass das Projekt unter Beobachtung steht. „Auch wir finden es mutig. Zwei junge Co-Trainer sind im Fußball-Business unüblich. Wir wollen nicht daran denken, aber wenn es schiefgeht, wird es Timo bestimmt um die Ohren fliegen“, sagt Hürzeler.