Hamburg. Trainer Luhukay lässt den Torhüter gegen den KSC spielen, stellt aber keinen Freifahrtschein für die Zukunft aus.

Als Jos Luhukay um kurz nach zwölf Uhr den Medienraum des Trainingszentrums an der Kollaustraße betrat, waren gleich vier Mikrofone auf dem Tisch drapiert. Pressekonferenzen mit dem Trainer des FC St. Pauli können vieles sein. Irritierend, impulsiv, detailliert, hin und wieder auch humorvoll. Aber eines sind sie nie: langweilig.

Unmittelbar nach dem 1:2 im DFB-Pokal-Spiel gegen Eintracht Frankfurt machte der 56-Jährige kurzerhand die Baustelle Torwart auf, als er nicht nur die etatmäßige Nummer drei Korbinian Müller hatte spielen lassen, sondern es auch vermied, seiner vermeintlichen Nummer eins Robin Himmelmann das Vertrauen auszusprechen. Und so war die Frage aller Fragen: Wer steht im Heimspiel an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky live) gegen den Karlsruher SC am Millerntor zwischen den Pfosten?

Der Kiezclub holte Korbinian Müller zurück

„Wer spielt, entscheide ich ja normalerweise erst am Tag vor dem Spiel oder am Spieltag selbst. Wir haben ja noch ein Training“, hielt Luhukay das Pokerspiel zunächst offen, ehe er dann doch mitteilte: „Sie können davon ausgehen, dass Himmelmann spielt.“

Einen Freifahrtschein für die Zukunft wollte Luhukay seinem Torhüter aber nicht ausstellen. Im Gegenteil. Er lobte Ersatzmann Müller, der seine Fußballerkarriere eigentlich bereits beendet hatte, nachdem er seinen Vertrag beim FC St. Pauli im vergangenen Sommer nicht verlängern wollte. Als sich die Nummer zwei Svend Brodersen vor drei Wochen das Schlüsselbein brach, holte der Kiezclub den Keeper aus der Rente zurück, und plötzlich stand dieser gegen den Europa-League-Teilnehmer Frankfurt im Tor. „Korbinian präsentiert sich total positiv. Fußballspezifisch, aber auch als Mensch und vom Charakter her“, sagte Luhukay: „Für mich war er nicht erst seit vorgestern ein Konkurrent. Vom ersten Tag an habe ich ihm gesagt, dass er nicht nur den Kader auffüllen soll und er sich eine Konkurrenzsituation erarbeiten muss im Hinblick auf die Nummer eins.“

Luhukay fordert mehr von Robin Himmelmann

Und dieser Konkurrenzkampf ist jetzt offen wie nie. Luhukay macht keinen Hehl daraus, dass er mit der Saison von Himmelmann nicht wirklich zufrieden ist.

In den bisherigen elf Saisonspielen hielt der 30-Jährige zumeist solide. Lediglich beim 3:3 in Dresden hatte er einen rabenschwarzen Tag. Bei den Siegen gegen Holstein Kiel (2:1) und den HSV (2:0) rettete der Keeper St. Pauli mit zum Teil spektakulären Paraden jedoch wichtige Punkte. „Ich weiß nicht, ob ich in die Tiefe gehen möchte“, sagte Luhukay auf Abendblatt-Nachfrage. „Ich habe meine Sichtweise, die vielleicht der eine oder andere anders sieht“, so der Trainer etwas nebulös.

„Aber um es kurz zu machen: ich finde, dass er es viel besser kann und viel besser werden muss, um noch ein größerer Rückhalt zu werden“, sagte der St.-Pauli-Trainer und legte nach: „Damit meine ich nicht nur Bälle halten. Ältere Spieler müssen in meinen Augen mehr Verantwortung übernehmen sowie stimulieren, motivieren und korrigieren. Diese drei Schlagworte sind das Entscheidende, ob man ein Führungsspieler ist“, erklärte Luhukay, der betonte, damit nicht ausschließlich, aber eben auch Himmelmann meint.

Cheftrainer spart nicht mit Kritik an Himmelmann

Der Vorwurf der fehlenden Ausstrahlung ist bei Himmelmann nicht neu. Bereits frühere Trainer attestierten dem Schlussmann überdurchschnittliches Spiel auf der Linie, aber große Schwächen in der Strafraumbeherrschung und Führung seiner Vorderleute. Auch daran macht Luhukay St. Paulis Schwäche in dieser Saison bei Standardsituationen fest.

Bereits sechs Gegentore kassierten die Hamburger im Anschluss an eine Ecke oder Freistoß. Zuletzt führten zwei Eckbälle zu zwei vermeidbaren 0:1-Niederlagen gegen Darmstadt 98 und den 1. FC Heidenheim. „Da wurde wenig Verantwortung übernommen. Das erwarte ich aber von Robin Himmelmann. Er war nicht allein, aber zum Großteil mit verantwortlich, dass die Organisation nicht so umgesetzt wurde, wie es abgesprochen war“, kritisierte der Cheftrainer.

Luhukay fordert mehr Härte im eigenen Strafraum

Eine deutlich bessere Struktur sollte St. Pauli gegen den KSC hinbekommen. Die Badener sind extrem gefährlich bei Standardsituationen. Allein der 1,96 Meter große Stürmer Philipp Hofmann erzielte vier seiner sieben Saisontreffer nach einem Eckball. „Standards können Spiele entscheiden, werden immer wichtiger.“

St. Pauli verteidigt die gegnerischen Ecken mit einer klaren Zuteilung, sprich Manndeckung. Zudem decken zwei Spieler den Raum am kurzen Pfosten sowie am Fünfmeterraum ab. „Wir haben keine ,fünf, sechs Spieler, die über 1,90 Meter groß sind“, stellte Luhukay fest. „Wir wissen, dass wir die fehlende Länge nicht kompensieren können. Wenn wir dort aber unterlegen sind, müssen wir die Robustheit haben und den Gegner mal aus dem Gleichgewicht bringen oder eher am Ball sein“, sagte der Niederländer und fordert von seinen Spielern mehr Härte im eigenen Strafraum an den Tag zu legen. „Wir sind manchmal zu lieb, um unser Heiligtum mit allen Mitteln zu verteidigen.“

FC St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson, Kalla, Östigard, Kalla – Knoll, Becker – Miyaichi, Möller Daehli, Sobota – Diaman­takos.

Karlsruher SC: Uphoff – Thiede, Gordon, Pisot, Roßbach – Stiefler, Fröder, Wanitzek – Choi, Fink – Hofmann.

Schiedsrichter: Günsch (Marburg).