Hamburg. Der beim FC St. Pauli freigestellte Flügelstürmer hält sich ab sofort in der Türkei fit. Folgt der Wechsel im Winter?
Göksel Gümüşdağ wirkte stolz, als er für ein gemeinsames Foto den Arm fast schon väterlich um Cenk Sahin legte. Der Präsident von Basaksehir Istanbul verkündete glücklich, dass der beim FC St. Pauli freigestellte Flügelstürmer sich ab sofort beim türkischen Vizemeister fit halten wird.
„Ich bin sehr stolz auf das, was er (auf Instagram, Anm. d. Red.) geteilt hat. Cenk ist nicht nur ein guter Spieler, sondern auch ein türkischer Fußballer. An solch schlimmen Tagen halten wir als Türken zusammen. Nachdem er das Bürokratische gelöst hat, und er wieder zurück möchte, sind die Türen im Januar für ihn geöffnet“, verkündete Gümüşdağ auf der Internetseite.
Ein sofortiger Wechsel ist nicht möglich, weil der Transfermarkt erst am 1. Januar 2020 wieder öffnet. Sobald die von St. Pauli ausgestellte Gastspielerlaubnis beim türkischen Club eingegangen ist, wird Sahin bei Basaksehir auf dem Trainingsplatz stehen. „Unser Bruder Cenk hat ein sehr berechtigtes Anliegen gepostet. Wir als türkisches Volk halten bei nationalen Fragen immer zusammen und sind stolz auf den emotionalen Post von Cenk. Wenn jemand damit ein Problem hat, ist es sein Problem“, sagte Basaksehir-Präsident.
Sahin gefällt türkischer Angriffskrieg in Syrien
Sahin hatte am vergangenen Donnerstag via Instagram seine Sympathie für die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien bekundet, der FC St. Pauli stellte seinen Spieler daraufhin frei. Am Montagabend postete Sahin bei Instagram nach dem 1:1 der Türkei in der EM-Qualifikation gegen Frankreich ein Bild von salutierenden Nationalspielern.
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„Der Anruf des Präsidenten an so schwierigen Tagen hat mich sehr berührt und stolz gemacht“, wird Sahin auf der Club-Homepage zitiert. „Als ich hier in der Mannschaft gespielt habe, war unser Verhältnis wie Vater und Sohn. Ich bin auch für den Zuspruch sowohl von den anderen türkischen Clubs als auch innerhalb der Bevölkerung sehr froh, denn wir Türken halten an solchen Tagen immer zusammen. Ich war sehr stolz darauf, als nach dem Tor gegen Frankreich die Spieler salutierten.“
Nun kehrt der bei St. Pauli in Ungnade gefallene Offensivspieler zu jenem Club zurück, für den er bereits von 2012 bis 2016 spielte – und an den der Hamburger Zweitligaclub 2017 1,3 Millionen Euro überwiesen hat.
Cenk Sahin und der Erdogan-Club
Basaksehir Istanbul ist eng mit dem türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verbandelt. Der Verein ging 2014 aus dem Verein der Stadtverwaltung, Istanbul Büyükşehir Belediyespor hervor. Erdogan, der laut eigener Aussage an der Clubgründung beteiligt war, ließ sogar ein 17.000 Zuschauer fassendes Stadion bauen. Präsident Gümüşdağ hat in Erdogans Familie eingeheiratet, zudem stehen die großen Sponsoren des aufstrebenden Clubs in engem Verhältnis zum Staatspräsidenten. Die Investitionen zahlen sich offenbar aus: In den vergangenen drei Jahren wurde Basaksehir in der türkischen Süper Lig zwei Mal Vizemeister und einmal Dritter.
Die aktuelle Mannschaft ist gespickt von namhaften Spielern: Der Brasilianer Robinho (ehemals AC Mailand), Hoffenheims Aufstiegsheld Demba Ba und Ex-Liverpool-Star Martin Skrtel stehen ebenso im Aufgebot wie die ehemaligen HSV-Profis Eljero Elia, der gebürtige Hamburger Tunay Torun sowie Berkay Özcan, der erst in der Sommerpause vom St.-Pauli-Rivalen verliehen wurde.
Aktuell ist der ambitionierte Erdogan-Club nur Tabellensechster – und Europa-League-Gruppengegner von Borussia Mönchengladbach. Am Rande der Partie am 3. Oktober (1:1) echauffierte sich Manager Max Eberl über das Vorgehen der Istanbuler Polizei, die überhart Blockfahnen der Borussia-Fans einkassiert hatten, weil das Stadtwappen Mönchengladbachs, in dem ein Kreuz abgebildet ist, zu sehen war. Der 46-Jährige prangerte eine „Polizei-Diktatur an.
Maulkorb beim FC St. Pauli wegen Sahin
Die Vorstellung von Sahin bei Basaksehir war auch knapp 2000 Kilometer von Istanbul entfernt in Hamburg ein großes Thema. Auch beim Abendblatt sind im Verlauf des Dienstags zahlreiche Leserbriefe eingegangen. Der Tenor könnte unterschiedlicher kaum sein. Von „starke, konsequente Haltung des Vereins“ bis hin zu „eine Freistellung vom Spielbetrieb für Cenk Sahin ist keine vernünftige Reaktion auf eine Meinungsäußerung per Twitter. Auch Herr Sahin muss seine Meinung sagen können – ebenso, wie die Leser dann diese Äußerung für 'dämlich' halten dürfen.“
Beim FC St. Pauli haben sich die Verantwortlichen nach einem Statement am Montag auf der Internetseite vorerst einen Maulkorb auferlegt. Beim Kiezclub soll vor dem Spiel am Sonnabend gegen Darmstadt 98 der sportliche Alltag einkehren. Dass das Thema Cenk Sahin bis dahin ad acta gelegt werden kann, dürfte angesichts der jüngsten Entwicklungen ein frommer Wunsch bleiben.