Hamburg. Die Krawalle beim Lokalderby haben Konflikte in der Fanszene des Zweitligaclubs verdeutlicht. Der Verein geht nun an die Aufarbeitung.

Die Nachwehen schmerzen eher noch mehr als das unmittelbare Ereignis. Die Vorfälle rund um die Pyrotechnik-Eskalation beim Lokalderby gegen den HSV am Millerntor am vergangenen Sonntag waren für den FC St. Pauli schlimm genug: Das Chaos wirft allerdings Fragen nach den Sicherheitsmaßnahmen auf – und beschädigt Image und Selbstverständnis des Vereins als Club mit einer „anderen“ Fußballkultur. Dazu die zu erwartende saftige Geldstrafe durch den DFB. Das ist das eine.

Das andere sind die offen zutage tretenden Konflikte innerhalb der Anhängerschaft. Die gibt es schon seit einiger Zeit, aber noch nie wurden sie so deutlich. Im Stadion waren es die „Haut ab, haut ab“-Rufe von der Gegengerade in Richtung der Pyromanen auf der Südtribüne sowie die in Vulgärsprache skandierte Einschätzung, dass diese Zündler genauso „scheiße“ seien wie der gemeinsame Feind HSV. Ein Blick auf diverse Webseiten, Foren, Diskussionsbeiträge unterstreicht dies. Zudem wird es spannend sein zu verfolgen, welche Ergebnisse die angekündigte Diskussionsveranstaltung des Fanladens über die „Werte des Vereins“ am 4. April bringt.

Problem sind offenbar die Außenseiter

Der Fanclubsprecherrat, das gewählte Gremium der offiziellen Fanclubs, hat in einer Stellungnahme am Dienstag die Aktionen vom Sonntag scharf verurteilt. Es gäbe nicht annähernde Mehrheiten für „diesen Style“, keiner der offiziellen Fanclubs unterschreibe diese „Performance“, heißt es. Damit ist das Rauben und Präsentieren von Bannern und Plakaten gegnerischer Vereine gemeint, wie es am Sonntag passiert war. Ebenso wird das Abfeuern von Leuchtkugeln auf das Spielfeld abgelehnt: „Das ist nicht nur völlig sinnbefreit, sondern steht für uns in einem nicht zu duldenden Gegensatz zu einer Philosophie, die Diskriminierung, Unterdrückung und Gewaltverherrlichung nicht akzeptiert. Hier war die Kommunikation an alle Gruppen auch immer eindeutig.“

Das Problem sind also offenbar die Außenseiter, die sich eben nicht in offiziellen Fanclubs und nach deren Regeln organisieren wollen. „Sie wollen mit möglichst spektakulärer Inszenierung größte Medienöffentlichkeit erreichen. Sie müssen sich für ihr Ziel immer aufsehenerregendere Aktionen einfallen lassen“, stellt der Sprecherrat fest.

Strategische Absprachen

Augenzeugen berichten von handgreiflichen Auseinandersetzungen auf der Südtribüne zwischen den extremen Zündlern und den organisierten Ultras St. Pauli (USP). Etwa 200 junge Männer mit roten Sturmhauben hatten sich Zutritt auf die Südtribüne verschafft, von einem „Blocksturm“ an Ordnern vorbei ist zu hören und von strategischen Absprachen vor dem Spiel. Die Folgen hatten zum Beinahe-Abbruch des Spiels geführt. Dabei waren in der Vergangenheit bereits einige gewaltbereite Fans aus der Kurve ausgeschlossen worden. Präsident Oke Göttlich hatte stets die Notwendigkeit eines Dialoges zwischen Verein und Fanvertretern betont.

Brisantes Hamburger Derby:

HSV vs. St. Pauli – brisantes Hamburger Derby

HSV: Pierre-Michel Lasogga erzielte das 1:0 am Millerntor
HSV: Pierre-Michel Lasogga erzielte das 1:0 am Millerntor © Witters/Tim Groothuis
Alexander ''Alex'' Meier und Rick van Drongelen.
Alexander ''Alex'' Meier und Rick van Drongelen. © WITTERS | TimGroothuis
Pyrotechnik: Zweimal wurde das Spiel unterbrochen.
Pyrotechnik: Zweimal wurde das Spiel unterbrochen. © Reuters | Fabian Bimmer
Fiete Arp, Pierre-Michel Lasogga und David Bates.
Fiete Arp, Pierre-Michel Lasogga und David Bates. © WITTERS | ValeriaWitters
Jan-Philipp Kalla mit Torwart Robin Himmelmann und  Christopher Avevor.
Jan-Philipp Kalla mit Torwart Robin Himmelmann und Christopher Avevor. © WITTERS | TayDucLam
Pierre-Michel Lasogga lässt sich feiern.
Pierre-Michel Lasogga lässt sich feiern. © WITTERS | ValeriaWitters
Khaled Narey feiert seinen Treffer.
Khaled Narey feiert seinen Treffer. © dpa | Axel Heimken
Pierre-Michel Lasogga vor dem Tor.
Pierre-Michel Lasogga vor dem Tor. © dpa | Axel Heimken
Alexander Meier mit Rick Van Drongelen
Alexander Meier mit Rick Van Drongelen © Reuters | Fabian Bimmer
Mit Köpfchen: Marvin Knoll und  Pierre-Michel Lasogga
Mit Köpfchen: Marvin Knoll und Pierre-Michel Lasogga © WITTERS | TimGroothuis
Gestenreich: Torwart Julian Pollersbeck (HSV) mit Orel Mangala
Gestenreich: Torwart Julian Pollersbeck (HSV) mit Orel Mangala © WITTERS | TimGroothuis
Fans des Hamburger SV zünden Feuerwerk.
Fans des Hamburger SV zünden Feuerwerk. © dpa | Christian Charisius
Orel Mangala, Marvin Knoll, Richard Neudecker und Aaron Hunt kämpfen um den Ball.
Orel Mangala, Marvin Knoll, Richard Neudecker und Aaron Hunt kämpfen um den Ball. © dpa | Axel Heimken
Derby des FC St. Pauli gegen den HSV: Die Polizei beschlagnahmt 157 gefälschte Eintrittskarten.
Derby des FC St. Pauli gegen den HSV: Die Polizei beschlagnahmt 157 gefälschte Eintrittskarten. © Michael Arning
Ein Fan brennt Pyrotechnik ab.
Ein Fan brennt Pyrotechnik ab. © Reuters | Fabian Bimmer
Pyrotechnik und Spielunterbrechung
Pyrotechnik und Spielunterbrechung © WITTERS | TimGroothuis
Derby-Time: St. Paulis Daniel Bulballa (l-r), David Bates, Rick van Drongelen und St. Paulis Christopher Avevor kämpfen um den Ball.
Derby-Time: St. Paulis Daniel Bulballa (l-r), David Bates, Rick van Drongelen und St. Paulis Christopher Avevor kämpfen um den Ball. © dpa
Fans zünden Pyrotechnik
Fans zünden Pyrotechnik © WITTERS | TimGroothuis
Rauch beim Derby St. Pauli gegen den HSV.
Rauch beim Derby St. Pauli gegen den HSV. © dpa | Axel Heimken
Trainer Hannes Wolf (HSV).
Trainer Hannes Wolf (HSV). © WITTERS | ValeriaWitters
Derby St. Pauli gegen den HSV: Choreografie im Stadion
Derby St. Pauli gegen den HSV: Choreografie im Stadion
FC St. Pauli - Hamburger SV: Fans Des HSV haben ein Banner mit der Aufschrift
FC St. Pauli - Hamburger SV: Fans Des HSV haben ein Banner mit der Aufschrift "Unsere Stadt und ihr Verein" über die Tribüne des Fanblocks gezogen. © dpa | Axel Heimken
Präsidial: Bernd Hoffmann und Oke Göttlich
Präsidial: Bernd Hoffmann und Oke Göttlich © Bongarts/Getty Images | Oliver Hardt
Gruppenbild der Derbysieger
Gruppenbild der Derbysieger © WITTERS | ValeriaWitters
Gideon Jung (HSV) und Jeremy Dudziak (St. Pauli)
Gideon Jung (HSV) und Jeremy Dudziak (St. Pauli) © WITTERS | ValeriaWitters
Polizisten sichern den HSV-Bus.
Polizisten sichern den HSV-Bus. © Reuters | Fabian Bimmer
Polizisten auf Pferden und Wasserwerfer sichern den Bereich um das Stadion ab.
Polizisten auf Pferden und Wasserwerfer sichern den Bereich um das Stadion ab. © dpa | Daniel Bockwoldt
Polizeieinsatz an der Feldstraße
Polizeieinsatz an der Feldstraße © dpa | Daniel Bockwoldt
Friedliche Fans.
Friedliche Fans. © Reuters | Fabian Bimmer
Berittene Polizisten beim Derby
Berittene Polizisten beim Derby © dpa | Daniel Bockwoldt
Sie wurden Opfer von Fans.
Sie wurden Opfer von Fans. © Reuters | Fabian Bimmer
Friedliche Fans auf St. Pauli
Friedliche Fans auf St. Pauli © Reuters | Fabian Bimmer
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion.
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion. © dpa | Daniel Bockwoldt
Torgarant? St. Paulis Alex Meier am Stadion
Torgarant? St. Paulis Alex Meier am Stadion
Fans des HSV ziehen am Dammtor mit einem Fanmarsch zum Stadion. dpa-Bildfunk +++
Fans des HSV ziehen am Dammtor mit einem Fanmarsch zum Stadion. dpa-Bildfunk +++ © dpa | Daniel Bockwoldt
Fans des HSV ziehen am Dammtor mit einem Fanmarsch zum Stadion.
Fans des HSV ziehen am Dammtor mit einem Fanmarsch zum Stadion. © dpa | Daniel Bockwoldt
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion. Wegen anreisender Fans ist der Busverkehr in der Hamburger City teilweise lahmgelegt.
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion. Wegen anreisender Fans ist der Busverkehr in der Hamburger City teilweise lahmgelegt. © dpa | Daniel Bockwoldt
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion.
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion. © dpa | Daniel Bockwoldt
 Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion.
Hinter Polizeiketten sammeln sich Fans des HSV zu einem Fanmarsch zum Stadion. © dpa | Daniel Bockwoldt
 Fans des HSV sammeln sich zu einem Fanmarsch zum Stadion.
Fans des HSV sammeln sich zu einem Fanmarsch zum Stadion. © dpa | Daniel Bockwoldt
Polizisten sicherten den Kiez in der Nacht vor dem Hamburger Lokalderby, um gewalttägige Auseinandersetzungen zwischen Fans des FC St. Pauli und dem HSV zu verhindern.
Polizisten sicherten den Kiez in der Nacht vor dem Hamburger Lokalderby, um gewalttägige Auseinandersetzungen zwischen Fans des FC St. Pauli und dem HSV zu verhindern. © Michael Arning
Polizisten sichern den Kiez in der Nacht vor dem Hamburger Lokalderby, um gewalttägige Auseinandersetzungen zwischen Fans des FC St. Pauli und dem HSV zu verhindern.
Polizisten sichern den Kiez in der Nacht vor dem Hamburger Lokalderby, um gewalttägige Auseinandersetzungen zwischen Fans des FC St. Pauli und dem HSV zu verhindern. © Michael Arning
Vor dem Derby auf St. Pauli
Vor dem Derby auf St. Pauli © Michael Arning
Der Findling
Der Findling "Alter Schwede" ist am Elbstrand braun, weiß, rot, nachdem ihn offenbar St.Pauli Fans über Nacht in ihren Vereinsfarben angestrichen haben. © dpa | Markus Scholz
Der Findling
Der Findling "Alter Schwede" ist am Elbstrand braun, weiß, rot, nachdem ihn offenbar St.Pauli Fans über Nacht in ihren Vereinsfarben angestrichen haben. © dpa | Markus Scholz
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Am Sonntag ist das Konzept gescheitert. Dass sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen können, ist nun das Ziel aller Verantwortlichen beim FC St. Pauli und dessen organisierter Fan­szene und -betreuung. „Die Aufarbeitung der Vorgänge hat mit dem Abpfiff des Derbys begonnen“, sagt Geschäftsführer Andreas Rettig. „Wir werden uns erst wieder äußern, wenn diese konkrete Aufarbeitung abgeschlossen ist.“ An der Analyse ist auch der Fanladen beteiligt, der unter dem Dach des Vereins „Jugend und Sport e. V.“ gewaltpräventive Arbeit mit jugendlichen Fans leistet.

Auch ein Generationenkonflikt

Die Spannungen zwischen den Gruppierungen sind auch ein Generationenkonflikt: Auf der Gegengeraden „Altfans“, die teilweise seit 25 Jahren auf dem gleichen Platz stehen und die politische Haltung des Vereins mitgeprägt haben. Auf der anderen Seite deutlich jüngere Ultras mit einem provokativeren Selbstverständnis. Dennoch gab es bislang einen Konsens darüber, was geht und was nicht. „Wir alle tragen Verantwortung in diesem heterogenen Kosmos des FC St. Pauli“, sagt der Fanclubsprecherrat. Ein Appell, dem anscheinend nicht mehr alle zustimmen.

Der FC St. Pauli testet am Donnerstag, dem 21. März, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen den dänischen Erstligisten Vejle Boldklub.