Hamburg. Der Coach des FC St. Pauli beklagt vor dem Spiel gegen Ingolstadt, dass seine Mannschaft auf dem Platz zu brav ist.

Für einen Club, der in einer sportlichen Krise steckt, war es am Freitagvormittag erstaunlich ruhig, ja fast schon beschaulich an der Kollaustraße. Über dem Funktionsgebäude strahlte die Frühlingssonne, die Vögel zwitscherten vor sich hin, und auch im Medienraum des FC St. Pauli war Krisenstimmung kaum zu spüren. Zwei Kameras, fünf Mikrofone, neun Journalisten – business as usual vor dem für den Club richtungweisenden Heimspiel an diesem Sonnabend (13 Uhr, Millerntor-Stadion, Sky und Liveticker abendblatt.de) gegen den FC Ingolstadt. „Krise ist ja auch immer eine Frage der Sichtweise“, sagte Trainer Markus Kauczinski: „Wir sind zwei Punkte vom dritten Platz und 19 vom Abstiegsplatz entfernt. Da haben wir schon andere Krisen erlebt. Aber wenn man sieht, wie wir derzeit spielen und wie wir spielen können, müssen wir klar sagen, dass wir es besser können und wir mehr zeigen müssen.“

Die nackten Zahlen untermauern die realistische Einschätzung des 49-Jährigen. Drei der vergangenen vier Partien verlor der mit Aufstiegsambitionen ins Kalenderjahr 2019 gestartete Kiezclub, kassierte dabei zehn Gegentore und blamierte sich zuletzt beim 1:2 gegen den Abstiegskandidaten Erzgebirge Aue vor eigenem Publikum. Ein Warnschuss, der gesessen hat. „Gegen Aue waren Dinge dabei, die so nicht gehen. Wir verschließen nicht die Augen vor der Situation. In dieser Woche bei der Analyse und Kritik haben wir kein Blatt vor den Mund genommen. Alles war offen und ehrlich“, sagte Kauczinski.

Trainer nimmt Führungsspieler in die Pflicht

Offen sprach der St.-Pauli-Trainer auch das an, was Kritiker bereits seit dem Jahreswechsel anprangern. Der Kiezclub lässt sich gegen körperlich robustere Mannschaften zu leicht beeindrucken. Anschauungsunterricht, wie Zweikampfführung geht, bekamen die Hamburger am vergangenen Wochenende von Aue, die am Millerntor jene Kernigkeit an den Tag legten, die St. Pauli fehlt. Kurios: Mit 51 Prozent gewonnener Zweikämpfe sind die Kiezkicker über die gesamte Saison gesehen nach Sandhausen und Bielefeld das zweikampfstärkste Team der Liga. Und doch drängt sich der Eindruck auf, dass die Drecksäcke auf dem Platz fehlen, die auch mal im Zweikampf ein Zeichen setzen, wenn es spielerisch nicht läuft. In der gesamten Saison kassierte St. Pauli erst 43 Gelbe Karten. Einen Platzverweis kassierte man noch nicht. Zum Vergleich: Der MSV Duisburg kassierte bereits 59 Gelbe Karten sowie einen Platzverweis.

Nun ist die Anzahl der Karten kein Indikator für erfolgreichen Fußball, aber es zeigt: Den Hamburgern, die vor allem im Mittelfeld über viele kleine und technisch versierte Spieler verfügen, fehlt es an körperlicher Präsenz. „Das hat aber nichts mit der Größe zu tun“, machte Kauczinski deutlich: „Wir müssen zurückknallen und auch einmal die Ellenbogen ausfahren. Das kann auch ein 55-Kilo-Leichtgewicht. Einige Spieler haben das im Blut, aber bei manchen sieht man eben auch, dass uns andere Teams überlegen sind.“

Krise vermeiden

Deshalb nimmt der Übungsleiter vor dem Ingolstadt-Spiel auch besonders seine Führungsspieler Johannes Flum, Marvin Knoll, Christopher Buchtmann, Sami Allagui in die Pflicht. Unter der Woche suchte Kauczinski das Gespräch mit seinen Leadern, um sie darauf hinzuweisen, dass sie in der aktuellen Situation besonders gefordert sind. „Das war ein Thema. Wir müssen uns untereinander im Training mehr fordern. Die Führungsspieler müssen aufrütteln und mitreißen. Ich kann nicht immer 30 Spieler ansprechen“, sagte Kauczinski.

Mit 19 Spielern reiste St. Pauli am Freitag ins Teamhotel, um sich auf die Partie gegen die zuletzt wiedererstarkten Bayern vorzubereiten. Neben den langzeitverletzten Philipp Ziereis, Henk Veerman (beide Kreuzbandriss) fehlen auch Jeremy Dudziak (Sprunggelenk), Johannes Flum (Rippenanbruch) und Dimitrios Diamantakos (muskuläre Probleme). Hinter dem Einsatz von Allagui und Jan-Philipp Kalla steht noch ein Fragezeichen. „Sami hat Magen-Darm-Probleme, Kalla im Training einen Schlag aufs Knie bekommen. Wir müssen abwarten“, sagte Kauczinski. Für das Duo würden Yiyoung Park und erstmals Neuzugang Kevin Lankford in das Aufgebot nachrücken. „Wir gehen einfach mit Vorfreude in das Spiel, werden kämpfen und versuchen, besser Fußball zu spielen“, so die Marschrichtung des Trainers.

Das würde helfen, um Ruhe und Beschaulichkeit zu konservieren und nicht in eine handfeste Krise zu schlittern.