Die Billigairline steht wegen der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in der Kritik. So argumentiert St. Pauli.

Hamburg. Einige Fans des FC St. Pauli staunten, als die Nachricht die Runde machte, dass der Verein am Donnerstag mit der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair ins Trainingslager nach Oliva Nova (Spanien) gereist ist. „Ryanair geht für den #FCSP gar nicht!“, kommentierte Carsten Kruschak unter ein Twitter-Foto des Hamburger Zweitligisten, auf dem die Spieler vor einer Maschine des momentan wegen eines Mitarbeiterstreiks im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Unternehmens posieren.

Twitter-User „De Brune Pandaer“, ein dänischer Fan des Kiezclubs, wird mit seiner Kritik konkret. „Ein Verein wie St. Pauli sollte nicht gutheißen, wie Ryanair seine Mitarbeiter behandelt.“ Meinungsäußerungen im Internet wie diese sind keine Ausnahme. Denn vielen Anhängern ist es ein Dorn im Auge, wie sich der für soziales Engagement stehende Kiezverein in einen Flieger eines Unternehmens einsteigen kann, das wie kein zweites für die negativen Folgen des Preiskampfs in der Luftfahrt steht.

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Der FC St. Pauli versucht, das Thema kleinzuhalten und argumentiert zunächst aus sportlicher Sicht. Da Ryanair als einzige Fluggesellschaft einen Direktflug von Hamburg nach Valencia anbietet, sei es nur mit dieser Verbindung möglich, sowohl am Anreise- als auch am Abreisetag in Spanien zu trainieren. „Das war für uns der entscheidende Faktor. Dadurch verlieren wir in der Vorbereitung keinen Trainingstag“, sagt Clubsprecher Christoph Pieper dem Abendblatt.

St. Pauli fliegt auch wegen der Kosten mit Ryanair

Das zweite Argument lässt allerdings aufhorchen. Der Kiezverein habe sich auch aus Kostengründen für einen Ryanair-Flug entschieden. Tatsächlich hätte eine Verbindung mit einem Konkurrenzanbieter rund 100 Euro mehr pro Person gekostet. Doch bei den Iren stehen gerade die Dumpingpreise in der Kritik und die Frage, welche Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter gelten, um diese zu gewährleisten.

„Uns gefällt nicht alles bei Ryanair und wir betrachten viele Dinge dort kritisch. Es ist sicherlich nicht unsere Wunsch-Airline, aber wir haben nach Abwägung aller relevanten Aspekte für diese Reise diese Entscheidung so getroffen“, sagt Pieper.

Kommentar: St. Pauli sollte nicht mit Ryanair fliegen

Inwiefern die Brisanz, die durch eine Reise mit der Billigairline Ryanair ausgelöst werden kann, intern besprochen wurde, ist unklar. Clubsprecher Pieper sagte auf eine entsprechende Nachfrage: „Das Thema ist vonseiten der Fans nicht an uns herangetragen worden.“

Deshalb steht Ryanair in der Kritik

Ryanair ist dafür bekannt, Mitarbeiterkosten niedrig zu halten. Um Flugpreise bieten zu können, die teilweise günstiger sind als die Taxifahrt zum Airport, spart Europas zweitgrößte Fluggesellschaft unter anderem an den Personalkosten. Nur rund die Hälfte der Piloten der Airline sind nach verschiedenen Berichten fest angestellt. Alle anderen sind mutmaßlich Scheinselbstständige, die ihre Arbeitskraft über eine Vermittlungsfirma anbieten. Damit spart Ryanair Sozialabgaben.

Dieses System hat zur Folge, dass sich viele Piloten über die Arbeitsbedingungen beschweren. Auch ein Teil der Flugbegleiter ist nicht angestellt. Gewerkschafter beklagen eine Bezahlung unter Tarif.

Gegen diese Arbeitsbedingungen gehen aktuell Piloten- und Flugbegleiter-Gewerkschaften vor. In den vergangenen Wochen riefen die Organisationen mehrfach zum Streik auf und legten dadurch einige Flüge lahm. Da es noch immer keine Einigung mit Ryanair gibt, können weitere Streiks in den kommenden Tagen folgen.

Under Armour: Club-Philosophie stand schon einmal auf der Probe

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grundausrichtung des FC St. Pauli auf die Probe gestellt wird. Als der pazifistische Club im Jahr 2015 seinen neuen Trikotausrüster Under Armour präsentiert hatte, war der Aufschrei innerhalb der Fanszene groß. Denn der Sportartikelhersteller unterhält millionenschwere Geschäftsbeziehungen mit dem US-Verteidigungsministerium, sponsert umstrittene Jagdshows und soll auch im Umfeld der Waffen-Lobby NRA aktiv sein.

„Under Armour liebt es, die Dinge anders zu sehen als die Konkurrenten. Eine Einstellung, die dem FC St. Pauli sehr nahe kommt“, hatte Präsident Oke Göttlich nach der Vertragsunterzeichnung gesagt. Wenige Tage später relativierte der stellvertretende Vizepräsident Joachim Pawlik, dass der Deal „aufgrund der angesprochenen Kontroversen im Verein absolut offen und transparent kommuniziert und diskutiert“ worden war.

Die Hanseaten hätten die Kooperation „kritisch hinterfragt“. Am Ende stehe das beste Gesamtpaket für den Verein, sagt Pawlik. Ein Argument, das der FC St. Pauli nun auch über die Ryanair-Reise sagt.