Hamburg. André Trulsen und Markus Gellhaus stehen beim FC St. Pauli in der zweiten Reihe – aus Überzeugung. Chefcoach? Nein danke!

Markus Gellhaus und André Trulsen fühlen sich im zweiten Glied wohl. In Ruhe arbeiten, nicht ständig Rede und Antwort stehen müssen. Für das Abendblatt machen die beiden Co-Trainer des FC St. Pauli eine Ausnahme. Das Duo spricht über die Entwicklung in ihrem Beruf, die Anonymität eines Assistenztrainers und warum es für sie keine Option darstellt, in den Chefsessel zu klettern.

Herr Gellhaus, Herr Trulsen, wer von Ihnen ist der bessere Hütchenaufsteller?

Markus Gellhaus: „Gute Frage! Ich würde sagen, dass wir beide gleich gut sind.“

André Trulsen: „Ich versuche zumindest beim Einsammeln der Hütchen schneller zu sein.“

Früher galten Assistenztrainer als Lakaien der Cheftrainer. Genießt der Job des Co-Trainers heute einen anderen Stellenwert?

Gellhaus: „Das finde ich schon, weil es immer mehr dahingeht, dass ein Cheftrainer viele komplexe Aufgabenfelder abdecken muss, die abseits des Platzes liegen. Daher haben wir Co-Trainer bei der Steuerung der täglichen Trainingsarbeit einen größeren Einfluss. Was sich auch geändert hat, ist die Spezialisierung in einzelnen Teilbereichen.“

Wie meinen Sie das?

Gellhaus: „Als ich vor vielen Jahren angefangen habe, war es so, dass ich alles gemacht habe. Ich habe Videoanalysen zusammengeschnitten, den athletischen Bereich betreut. Die Vereine sind heute viel breiter aufgestellt.“

Trulsen: „Zu meiner Spielerzeit gab es häufig nicht einmal einen Torwarttrainer. Da gab es einen Co-Trainer, der sich auch um die Keeper gekümmert hat. Die Größe der Trainerteams ist im Vergleich zu meiner aktiven Zeit geradezu explodiert.“

Ist das eine Entwicklung, die Sie gut finden?

Trulsen: „Natürlich! Dadurch wirst du als Mannschaft besser, weil mit den Spielern individueller und spezieller gearbeitet werden kann. Aber bei vielen Vereinen in den unteren Ligen ist es ja auch eine wirtschaftliche Frage. Da kann sich nicht jeder Club ein großes Trainerteam leisten. Ohnehin ist diese Entwicklung erst über die Jahre gekommen. Ich weiß noch, dass Ralf Rangnick in Hoffenheim anfing, einen großen Stab um sich herum zu formen. Das hat sich dann nach und nach durchgesetzt.“

In anderen Sportarten wie Eishockey oder American Football ist es normal, dass Cheftrainer einen riesigen Stab mit Experten in diversen Fachbereichen haben. Hinkt der Fußball da hinterher?

Gellhaus: „Das stimmt. In diesen Sportarten gibt es Offensiv- und Defensivtrainer, Zweikampftrainer, Techniktrainer. Da gibt es noch Luft nach oben im Fußball, aber man muss auch aufpassen.“

Inwiefern?

Gellhaus: „Wenn man zu viel Staff hat, wird es schwierig, jeden einzelnen Mitarbeiter so einzusetzen, dass er auch zufrieden ist. Wenn jemand immer nur mitläuft und alle zwei Wochen mal was machen darf, wird es schwierig.“

Zumal die Spieler eine zu hohe Anzahl an Vertrauenspersonen auch überfordern kann, oder?

Gellhaus: „Man muss den Input koordinieren. Es ist ganz schlecht, wenn der Cheftrainer zum Spieler sagt, dass er links herumlaufen muss und dann kommen wir Co-Trainer und sagen, dass er rechts herumlaufen muss. In einem normal großen Trainerteam bespricht man sich vorher. Wenn das zu viel wird, hat man viele unterschiedliche Meinungen, was zum Problem werden kann.“

Wie ist die Arbeitsaufteilung bei Ihnen?

Trulsen: „Markus ist beim Training ganz klar für die Organisation, Planung und Umsetzung zuständig. Ich habe mehr eine Beobachter- und Unterstützerrolle. Aber da wir auch viel in Gruppen arbeiten, ist es wichtig, bei einem großen Kader alle Spieler gut zu betreuen.“

Herr Trulsen, Sie sind bei den Spielen nicht auf der Bank, sondern auf der Tribüne. Was steckt hinter der Idee?

Trulsen: „Bei den Spielen am Millerntor stehe ich auf Höhe der Mittellinie auf der Gegengeraden. Es geht darum, gewisse Muster beim Gegner zu erkennen. Wo könnten für uns Räume entstehen, die man nutzen kann? Stellt eine Mannschaft taktisch um?

Gellhaus: „Es ist nicht so, dass wir dem anderen während der Spiele ein Ohr abkauen, aber manchmal sind es ein, zwei Details, die André von oben wahrnimmt, weil er dort eine ganz andere Perspektive hat. Wenn man ebenerdig steht, kann man Abstände nicht so gut einschätzen wie von der Tribüne.“

Zumal Sie ja nicht nur im Trainerteam während des Spiels im Austausch stehen.

Gellhaus: „Mittlerweile sind wir auch mit Athletiktrainer Janosch Emonts, der die Ersatzspieler warm macht, per Funk verbunden. Man muss nicht mehr das Trikot des Spielers hochhalten, der eingewechselt werden soll, in der Hoffnung, dass er es sieht. Darüber hinaus sind wir auch mit dem Physiotherapeuten verbunden. Wenn der in der hintersten Ecke einen unserer Jungs behandelt, weiß man oft nicht, ob man vielleicht wechseln muss. Jetzt gibt es per Funkverbindung eine kurze Ansage.

Herr Gellhaus, wie war es für Sie, als Sie hörten, dass André Trulsen zu St. Pauli kommt? Ein Mann, der für diesen Verein steht wie kaum ein anderer. Haben Sie sich gefragt, was ein so beliebter Kollege für Sie persönlich bedeuten könnte?

Gellhaus: „Nein, überhaupt nicht. Konkurrenzdenken im Trainerteam wäre absolut kontraproduktiv. Wir kannten uns vorher nicht. Für mich war seine Vergangenheit als Spieler gar nicht so wichtig, sondern viel mehr die Tatsache, dass er in unser Trainerteam passt. “

Herr Gellhaus, wenn Sie wählen könnten, was hätten Sie gern von André Trulsen?

Gellhaus: André war definitiv der bessere Fußballer. Ich bin über das Sportwissenschaftsstudium zum Trainerjob gekommen und nicht über meine Vita als Fußballer. Seit der B-Jugend musste ich mir von Trainern anhören: So einen langsamen Fußballer habe man noch nie erlebt. Es hat sich bewahrheitet.

Und Sie Herr Trulsen, was hätten Sie gern von Markus Gellhaus?

Trulsen: „Markus hat einen gewissen Spitznamen im Trainerteam ...“

Gellhaus: „Hör auf, Truller ...“

Trulsen: „Bei uns heißt er Konzept-Papst! Auch wenn er als Spieler nicht so schnell war, hat er eine umso schnellere Auffassungsgabe, kann sehr gut Spielformen kreieren und umsetzen.“

Die Loyalität zum Cheftrainer ist wichtig. Wie oft kommt es vor, dass Sie mit Markus Kauczinski kontrovers diskutieren?

Gellhaus: „Die guten Entscheidungen nehmen wir auf unsere Kappe. Nein, ist nur Spaß.“

Trulsen: „Markus Kauczinski will ja auch, dass wir unsere Meinung einbringen. Am Ende hat der Cheftrainer den Hut auf, aber mit Ja und Amen kann die Zusammenarbeit nicht funktionieren.“

Olaf Janßen, einer ihrer Vorgänger sagte mal, dass die Anonymität eines Co-Trainer-Jobs nicht hoch genug einzuschätzen sei. Hat er recht?

Gellhaus: „Ich wurde häufig gefragt, warum ich in meiner 20. Saison als Co-Trainer arbeite und keinerlei Ambitionen habe, Chef zu werden. Genau aus diesem Grund. Ich fühle mich wohl in der Rolle, die ich habe und nicht in der ersten Reihe und nicht für alles Rede und Antwort stehen zu müssen.“

Trulsen: „Ich bin lieber ein sehr guter Co-Trainer als ein mittelmäßiger Chefcoach. Manches, das zu den Aufgaben eines Chefs gehört, liegt mir nicht. Ich habe meinen Traumjob gefunden.“

Herr Gellhaus, in Paderborn haben Sie eine Kostprobe bekommen, wie es ist, in der ersten Reihe zu stehen?

Gellhaus: „Ich würde nicht sagen, dass es ein Fehler war, aber ich hätte es besser nicht machen sollen. Es war mein Heimatverein, ich wurde mehrmals angefragt und dann habe ich es eben gemacht. Es war eine Erfahrung, die mich noch mehr darin bestätigt, dass der Co-Trainerposten der richtige für mich ist.“

Herr Trulsen, Ihr Sohn ist Co-Trainer bei St. Paulis U19. Raten Sie ihm, eher Chef oder Assistent zu werden?

Trulsen: „Weder noch. Ich glaube, er hat seine Berufung als Co-Trainer gefunden. Parallel macht er im Verein noch eine Ausbildung als Sport- und
Fitnesskaufmann.“