Hamburg. St. Paulis Außenstürmer Ryo Miyaichi und Cenk Sahin erleben derzeit höchst gegensätzliche Karrierephasen.

Als Ryo Miyaichi am Dienstagmittag vor dem ersten Training der Woche zum Gespräch mit dem Abendblatt erscheint, hat er wieder einmal das für ihn typische, freundliche Lächeln auf seinen Lippen, das man von ihm kennt, seit er im Sommer 2015 zum FC St. Pauli kam. Diesmal scheint dieses Lächeln aber irgendwie noch ein bisschen fröhlicher zu sein, als es in vielen Phasen seiner Karriere beim Hamburger Stadtteilclub war. Das hat auch gute Gründe. Schließlich hatte der vor fünf Tagen 26 Jahre alt gewordene Japaner am vergangenen Sonnabend beim 2:0-Heimsieg gegen die SpVgg. Greuther Fürth ein überzeugendes Spiel abgeliefert, 88 Minuten durchgehalten, keinen harten Zweikampf gescheut und seine Leistung mit dem Treffer zum 2:0-Endstand gekrönt.

Das alles ist für Miyaichi keineswegs selbstverständlich, schließlich hatte er im April dieses Jahres bei seinem Comeback in einem Regionalli­gaspiel vermeintlich seinen dritten Kreuzbandriss binnen weniger als drei Jahren erlitten. Bekanntlich verzichtete er diesmal, obwohl der Operationstermin in Straubing bereits gebucht war, auf einen Eingriff und forcierte im Sommerurlaub in seiner Heimat ein gezieltes Muskelaufbautraining rund um das lädierte Knie. Nur so war es möglich, dass er zum Start der Saisonvorbereitung wieder beim Team war. Ob es wirklich ein Kreuzbandriss war, wird man nie erfahren. Dazu hätte das Knie geöffnet werden müssen.

„Ein schönes Gefühl, dass mir nichts wehtut“

Ganz behutsam baute ihn der zunächst recht skeptische Trainer Markus Kauczinski wieder auf – und in die Mannschaft ein. Bereits im September erzielte Miyaichi, damals als Einwechselspieler, das 1:0-Siegtor in Ingolstadt per Kopfball.„Ich habe überhaupt keine Angst mehr, in einen Zweikampf zu gehen. Ich denke dann nicht daran, dass ich mich wieder verletzen könnte“, sagt er. Insgesamt hat der Japaner jetzt neun Zweitligaeinsätze in dieser Saison zu Buche stehen, sechsmal davon stand er in der Startelf, gegen Fürth blieb er am längsten auf dem Feld. „Ganz ehrlich: Im Sommer habe ich nicht gedacht, jetzt schon so weit zu sein“, sagt er.

Der Familienvater genießt es, endlich einmal über einen längeren Zeitraum gesund zu sein. „Es ist so ein schönes Gefühl, dass mir nichts wehtut, wenn ich morgens aufwache. Als ich verletzt war, habe ich mir das abends, wenn ich ins Bett gegangen bin, immer wieder so sehr gewünscht“, gewährt er einen Einblick in sein Gefühlsleben während seiner Leidenszeit.

Teuerster Einkauf des FC St. Pauli

Sein bisher bestes Spiel für St. Pauli zeigte Miyaichi im Mai 2016 beim 5:2 gegen Kaiserslautern, als er zwei Tore selbst erzielte und ein weiteres vorbereitete. Das ist bis heute der Maßstab. „Ich weiß nicht, wann ich dieses Niveau wieder erreichen werde. Aber wenn ich weiter verletzungsfrei bleibe, werde ich ganz sicher noch besser“, sagt er voller Zuversicht und beschreibt auf den Punkt seine Gefühlslage: „Im Moment bin ich richtig glücklich.“

Cenk Sahin ist am Boden
Cenk Sahin ist am Boden © Witters

Völlig anders stellt sich hingegen die aktuelle Situation für einen anderen Flügelflitzer des FC St. Pauli dar. Cenk Sahin (24), seit Sommer 2016 zunächst auf Leihbasis beim Millerntor-Club und ein Jahr später für 1,3 Millionen Euro Ablöse fest vom aktuellen türkischen Tabellenführer Basaksehir Istanbul verpflichtet, war zuletzt nicht einmal gut genug, um es in den 18-Mann-Kader für die Spiele in Bochum (3:1) und gegen Fürth (2:0) zu schaffen. Dafür, dass er mit der genannten Ablösesumme der teuerste Einkauf des FC St. Pauli in der Vereinsgeschichte ist, kann er zwar wenig, und dennoch scheint dies irgendwie als Bürde auf ihm zu lasten. Immer wieder pendelt er zwischen Startelf, Ersatzbank und Tribüne – dies ist die Reaktion von Trainer Kauczinski auf seine Auftritte in den Spielen und im Training.

Haarsträubender Auftritt

Zuletzt hatte er sich mit einem haarsträubenden Auftritt beim 1:1 gegen Dynamo Dresden praktisch selbst aus dem Team gespielt. Als „Joker“ in der zweiten Halbzeit beim Stand von 1:0 ins Spiel gekommen, wäre er mit seiner ausgeprägten Sprintstärke eine ideale Besetzung gewesen, um gefährliche Konter zu setzen. Stattdessen aber wurde Sahin – nicht zum ersten Mal – zum Sicherheitsrisiko. Ballverluste am Rande des eigenen Strafraums und völlig aussichtslose Dribblingversuche gegen gleich mehrere Gegenspieler prägten seinen Auftritt. So war es nur konsequent, dass Kauczinski sich vor dem Spiel gegen Fürth schon früh festlegte und öffentlich verkündete, dass er Sahin nicht in seinem Kader nimmt. Andere Spieler auf seiner Position seien halt besser, lautete die nachvollziehbare Begründung. Mats Möller Daehli, Waldemar Sobota und nicht zuletzt Ryo Miyaichi stellten mit ihren Auftritten dies dann auch unter Beweis.

Immerhin schien Sahin, der auf Nachfrage nicht über seine Situation reden wollte, am Dienstag eine gute Reaktion auf seine jüngste Nichtnominierung gefunden zu haben. Beim Training ließ er im abschließenden Spiel auf verkleinertem Feld seine Technik aufblitzen und erzielte gleich eine ganze Reihe von Toren. Trainer Kau­czinski nahm dies sehr wohl wahr. Bis zur Entscheidung, mit welchen Spielern er den 18er-Kader für das letzte Spiel des Jahres am Sonnabend (13 Uhr) gegen Magdeburg bestückt, wird Sahin dieses Engagement in den kommenden Tagen beibehalten müssen, um eine reelle Chance auf seinen achten Saisoneinsatz zu wahren.