Hamburg. Torwart-Talent Svend Brodersen erhält bei St. Pauli den Vorzug. Wechselt Routinier Philipp Heerwagen jetzt noch?

Auch am zweiten Tag nach dem 2:1-Sieg zum Saisonauftakt in Magdeburg war die Stimmung im Team des FC St. Pauli gelöst. In freudiger Erwartung bereiteten sich die Profis am Dienstag auf das kommende Zweitliga-Heimspiel am Freitag (20.30 Uhr) gegen Darmstadt 98 vor. Doch der Erfolg von Magdeburg hat auch einen Verlierer hervorgebracht. Der erfahrene Torwart Philipp Heerwagen (35) stand nicht im Kader für das Spiel, Talent Svend Brodersen (21) wurde ihm erstmals vorgezogen, um als Keeper Nummer zwei eingreifen zu können, wenn Stammtorwart Robin Himmelmann ausfällt.

Diese Entwicklung kommt nicht ganz überraschend. Bereits vor dem letzten Test gegen Stoke City am 28. Juli hatte Cheftrainer Markus Kauczinski erklärt, dass sich Heerwagen und Brodersen ab sofort den Status als Nummer zwei teilen und nun von Spiel zu Spiel entschieden werde, wer als Reservekeeper in den Kader kommt. Dass die Wahl ausgerechnet für das Auswärtsmatch im überaus lauten Stadion von Magdeburg auf Brodersen fiel, war dennoch nicht so selbstverständlich.

Heerwagen ist enttäuscht

„Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut, zum ersten Mal dabei zu sein, wenn alle drei Torhüter fit sind. Bisher war das nur der Fall, wenn einer ausfiel“, sagte am Dienstag Svend Brodersen. Ganz anders ist die Gemütslage bei Philipp Heerwagen. „Die Entscheidung war für mich enttäuschend, das ist doch völlig klar“, sagte der erfahrene Profi. „Noch viel enttäuschender ist aber, in welchem atemberaubenden Tempo das Ganze vonstatten gegangen ist. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand innerhalb eines Jahres vom Stammtorhüter zum dritten Keeper wird, der nur auf der Tribüne sitzt. Das macht die Sache um einiges brisanter“, sagte Heerwagen weiter. „Ich bin mit mir aber im Reinen, ich habe mir in all den Jahren hier nichts zuschulden kommen lassen.“

Es ist noch keine 15 Monate her, dass Philipp Heerwagen nach der erfolgreichsten Halbserie des FC St. Pauli in der Zweiten Liga zu den gefeierten Protagonisten dieser unerwarteten Erfolgsstory gehörte. Mit ihm im Tor entwickelte sich das Team in der Saison 2016/17 vom fast sicheren Absteiger (sechs Punkte aus den ersten 14 Spielen) zu einem Team, das in der Folge 39 Zähler in 20 Spielen erarbeitete und am Ende Tabellensiebter wurde.

Heerwagen mit starker Leistung

Im ersten Match dieser Serie war Heerwagen für den schon in der Anfangsphase verletzten Robin Himmelmann eingewechselt worden. Am Ende waren sich alle Beobachter einig, dass Heerwagen durch seine sportliche Leistung, aber vor allem auch durch seine Führungsqualität entscheidenden Anteil am deutlichen Aufschwung hatte. Zur Saison darauf gab Trainer Olaf Janßen dann aber doch wieder Robin Himmelmann (29) den Vorzug vor Heerwagen.

In diesem Sommer nun galt es, dem talentierten Eigengewächs Svend Brodersen eine Perspektive zu geben und ihm für das vierte Jahr seines Profidaseins eine Aufwertung zuteil werden zu lassen. Daher entschied sich die sportliche Führung zur ungewöhnlichen Lösung, den Status der Nummer zwei im Tor auf zwei Spieler zu verteilen. Über allem steht St. Paulis langfristig angelegtes Projekt, einen Torwart aus der eigenen Jugend über Jahre zur Nummer eins zu entwickeln. Daher sieht sich Brodersen selbst auch längst nicht am Ziel: „Es ist ja klar, dass ich am Ende irgendwann auch spielen will.“

Vereinswechsel nicht ausgeschlossen

Unterdessen will der gerade erneut in den Mannschaftsrat gewählte Heerwagen nicht ausschließen, dass er angesichts dieser Lage noch in diesem Sommer den Club wechselt. „Ich stehe in engem Kontakt mit dem Verein. Man muss damit rechnen, dass ein unzufriedener Spieler woandershin geht“, sagte er am Dienstag. „Mir blutet das Herz, dass ich hier nicht weiterführen darf, was ich 2017 angefangen habe.“