Bielefeld. Nach dem Schock in der Nachspielzeit beim 1:1 in Bielefeld kommt es am Millerntor schon am Montag zum nächsten Abstiegskracher.

Es fühlte sich an wie eine Niederlage, als die Fußballprofis des FC St.Pauli das Spielfeld in der Bielefelder Schüco-Arena verließen. „Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal nach einem Spiel so gekotzt habe wie heute“, fasste Kapitän Lasse Sobiech seine Empfindungen nach dem 1:1 (0:0) bei Arminia Bielefeld zusammen. Erst in der dritten Minute der Nachspielzeit hatte sein Team das Ausgleichstor kassiert, nachdem es über weite Strecken die überlegene Mannschaft gewesen und verdient in Führung gegangen war. Die Nachlässigkeit, die sich danach bietenden Chancen zu einem weiteren Tor nicht zu nutzen, wurde am Ende mit dem Verlust von zwei Punkten bestraft.

Kommentar: Sepp Herberger hat unrecht

„Wir hatten in der zweiten Halbzeit zahlreiche Situationen, aus denen wir das zweite Tor erzielen müssen. Leider haben wir dabei auch einige falsche Entscheidungen getroffen“, klagte Mittelfeldspieler Bernd Nehrig. „In der Schlussphase müssen wir uns einfach cleverer anstellen und dürfen nicht so viele Ecken zulassen.“

Lienen wieder genesen

Nachdem St. Paulis Trainer Ewald Lienen am Freitag bei der Pressekonferenz und dem Training am Nachmittag wegen eines Magen-Darm-Virus’ zu Hause geblieben war und von Co-Trainer Olaf Janßen vertreten worden war, konnte er in Bielefeld wieder seinen gewohnten Platz am Spielfeldrand einnehmen. In der Startelf nahm er im Vergleich zum 2:0-Heimsieg eine Woche zuvor gegen Dynamo Dresden nur eine Änderung vor. Anstelle des unter einer leichten Wadenzerrung leidenden Kyoungrok Choi durfte Christopher Buchtmann erstmals nach der Winterpause von Beginn an spielen. Der gebürtige Ostwestfale nahm wie erwartet die zentral offensive Mittelfeldposition hinter Stürmer Aziz Bouhaddouz ein, tauchte aber gelegentlich auch in der Spitze auf.

Einzelkritik: Buchtmann wird zum Torjäger

Dies war bereits in der sechsten Minute der Fall, als er mit Bouhaddouz Doppelpass spielte, dabei aber ins Abseits lief. Daher verweigerte Schiedsrichter Robert Hartmann Buchtmanns Tor die Anerkennung. Zehn Minuten später tauchte Bouhaddouz nach Zuspiel von Waldemar Sobota allein vor Bielefelds Torwart Wolfgang Hesl auf, scheiterte mit seinem Schuss aber am früheren HSV-Keeper. Diese beiden Szenen waren aber auch schon die aufregendsten in einer von Kampf und Fehlpässen geprägten ersten Halbzeit, in der die St. Paulianer den Bielefeldern keine ernsthafte Torchance gestatteten.

Buchtmann schoss bewusst durch die Beine

Erfolgreicher waren die St. Paulianer kurz nach dem Wiederbeginn, als Buchtmann nach sehenswerter Vorarbeit von Waldemar Sobota den Ball mit einem Flachschuss ins rechte untere Eck zur 1:0-Führung (50.) schoss. „Ich habe ganz bewusst durch die Beine von Sebastian Schuppan geschossen“, sagte Buchtmann nach dem Spiel, konnte sich angesichts des späten Gegentreffers aber auch nicht so richtig über sein persönliches Erfolgserlebnis freuen.

Das späte Gegentor durch Bielefelds Stürmer Fabian Klos hatte auch ihm die Laune ein wenig verdorben. Nach einer Serie von Ecken sprang der Ball im Strafraum unkontrolliert umher, ehe Klos am schnellsten schaltete und ihn über die Torlinie drückte. „Ich hatte die Hand am Ball. Das Tor darf der Schiedsrichter eigentlich nicht geben“, beklagte sich St. Paulis Torwart Philipp Heerwagen, blieb mit dieser Einschätzung aber ziemlich allein. Schiedsrichter Hartmann ließ sich ohnehin nicht umstimmen.

Die Höhepunkte des Spiels

6. Minute

Der Ball ist im Netz, doch bei seinem Abschluss steht Christopher Buchtmann knapp im Abseits.

15. Minute

Bouhaddouz taucht im Strafraum auf, doch sein Lupfer-Versuch kann Bielefelds Torhüter Hesl zur Ecke abwehren.

50. Minute

TOOOOR für St. Pauli! Buchtmann bleibt nach einer Ballstaffete über Bouhaddouz und Sobota cool, tänzelt im Strafraum Schuppan aus und schiebt mit links an Hesl vorbei ins Netz.

55. Minute

Die offensiv lange harmlosen Gastgeber holen nacheinander drei Eckbälle heraus, die von St. Pauli aber jeweils geklärt werden können.

64. Minute

Bouhaddouz verpasst um Haaresbreite das 2:0, spritzt aber an Sobiechs Kopfball-Vorlage nach Freistoß aus dem linken Halbfeld am Ball vorbei.

70. Minute

Bielefelds Yabo versucht es aus der Distanz, jagt den Ball aber weit auf die Tribüne. St. Pauli hat zu diesem Zeitpunkt alles in Griff.

87. Minute

Plötzlich doch noch die dicke Chance für Bielefeld. Sobiech muss einen hohen Ball durchrutschen lassen, wodurch Youngster Staude zum Schuss kommt. Doch Heerwagens linker Arm verhindert den Ausgleich glänzend.

90. Minute + 4

Tor für Bielefeld. Wie bitter: In der Nachspielzeit doch noch der Ausgleich. Klos stochert den Ball im Getümmel aus der Nahdistanz über die Linie.

1/8

Nehrig denkt schon an Karlsruhe

„Wir haben es in den letzten zehn Minuten nicht mehr hinbekommen Konter zu fahren und unsere Abwehr zu entlasten, indem wir uns in der gegnerischen Hälfte festsetzen. Vorher haben wird es zudem verpasst, das zweite Tor zu erzielen, wie es uns zuletzt in Braunschweig und gegen Dresden gelungen ist“, sagte Trainer Lienen. Nehrig fand schließlich doch noch etwas Positives an der Punkteteilung. „Die Arminia hat ihre weitaus meisten Punkte hier zu Hause geholt. Es war kein Selbstläufer für uns, hier etwas zu holen. Jetzt nehmen wir den einen Punkt mit und werden alles daran setzen, diesen in unserem nächsten Heimspiel zu vergolden“, sagte der Mittelfeldspieler. Er sprach damit das Match am kommenden Montag gegen den punktgleichen und damit ebenso abstiegsgefährdeten Karlsruher SC an, der derzeit nur aufgrund der mehr erzielten Tore den 15. Tabellenplatz belegt, der am Saisonende den direkten Klassenverbleib bedeuten würde.

Den Sprung auf diesen ersehnten Rang verpasste St. Pauli noch. „Wir dürfen bei allem Ärger aber auch nicht vergessen, woher wir kommen. Vor drei Spielen waren wir noch mit einigem Rückstand Tabellenletzter“, sagte Torwart Heerwagen. „Wer hätte denn vor ein paar Wochen damit gerechnet, dass wir jetzt schon wieder so dran sind. Durch die Mannschaft ist ein Ruck gegangen“, beschrieb auch Buchtmann den aktuellen Trend des Teams.

Die Statistik

Arminia Bielefeld

Hesl - Görlitz, Börner, Behrendt, Schuppan - Schütz, Yabo (82. Hemlein) - Voglsammer, Brandy (59. Staude), Hartherz (56. Nöthe) - Klos. - Trainer: Kramny

FC St. Pauli

Heerwagen - Dudziak, Sobiech, Hornschuh, Buballa - Nehrig, Flum - Sahin (80. Litka), Buchtmann, Sobota (80. Miyaichi) - Bouhaddouz (84. Gonther). - Trainer: Lienen

Schiedsrichter

Robert Hartmann (Wangen)

Tore

0:1 Buchtmann (50.), 1:1 Klos (90. + 4)

Gelbe Karten

Hartherz – Buchtmann

Zuschauer

20.000

1/6