Hamburg. 1860-Joker sticht Sekunden nach Einwechslung. Treter Sobiech hat Glück, Gästetrainer Runjaic wird beworfen. Lienen redet sich in Rage.
Was der HSV kann, kann der FC St. Pauli schon lange: Wie der große Stadtrivale am Dienstag in Freiburg (0:1 nach Nils Petersens Joker-Blitztor) musste auch der Hamburger Fußball-Zweitligist am Donnerstagabend einen entscheidenden Gegentreffer durch einen unmittelbar zuvor eingewechselten Spieler hinnehmen.
Beim 2:2 (1:0) gegen 1860 München stach Victor Andrade in der 77. Minute Sekunden nach seiner Einwechslung und beendete damit St. Paulis Hoffnung auf den zweiten Heimsieg in Folge, die eine Minute zuvor durch die zweite Führung des Spiels genährt worden war. Bernd Nehrig hatte getroffen und damit Wiedergutmachung für den von ihm verschuldeten Elfmeter betrieben, der in der 70. Minute zum Ausgleich durch Michael Liendl geführt hatte.
Erster Treffer ohne Bouhaddouz-Zutun
Die wilden sieben Minuten waren denn auch die mit Abstand turbulenteste Phase des Spiels, das für St. Pauli gut begonnen hatte: In der 15. Minute schoss Christopher Buchtmann die Gastgeber durch einen Linksschuss ins rechte Eck in Führung. Vorangegangen waren zwei Fehler der Münchner. Zuerst rutschte Maximilian Wittek aus, Ryo Miyaichi bedankte sich, drang in den Strafraum ein und passte in die Mitte. Dort stand zwar nur "Löwen"-Verteidiger Jan Mauersberger, der den Ball allerdings Buchtmann servierte.
Bemerkenswert: St. Paulis fünfter Saisontreffer war der erste ohne direkte Beteiligung von Aziz Bouhaddouz. Der Stürmer war zwar erneut äußerst umtriebig, blieb im Abschluss diesmal aber glücklos.
Becherwürfe gegen Runjaic
So war es dann auch erneut Mittelfeldspieler Buchtmann, der bis zur 70. Minute für den einzigen weiteren Höhepunkt aus Hamburger Sicht sorgte, als er einen Schussversuch übers Tor setzte (52.). Zuvor hatte die Mannschaft von Trainer Ewald Lienen schon in der ersten Halbzeit Glück, nicht den Ausgleich kassiert zu haben. Zuerst klärte Torhüter Robin Himmelmann einen Liendl-Schuss im Stile eines Handballtorhüters per Oberschenkel, mit dem Pausenpfiff strich ein Versuch Sascha Mölders knapp am Pfosten vorbei.
Die Höhepunkte des Spiels
Nach dem Spiel gab es Pfiffe und Becherwürfe gegen Gästetrainer Kosta Runjaic, der die Zuschauer offenbar mit seinen emotionalen Ausbrüchen an der Seitenlinie gegen sich aufgebracht hatte. "Ich verstehe die Situation nicht, die Zuschauer haben doch alles gesehen, was ein Zweitligaspiel ausmacht", sagte Runjaic im Anschluss bei "Sky". Die "Ewald-Lienen-Becher" wollte er im Trainerteam aufteilen.
Sobiech tritt Mauersberger
Ebenso entspannt bewertete der Münchner eine Szene aus der 50. Minute, in der St. Paulis Lasse Sobiech Glück hatte, für einen Tritt gegen Jan Mauersberger im eigenen Strafraum nicht vom Platz gestellt worden zu sein: "So etwas passiert im Fußball halt." Mauersberger wollte die Angelegenheit schließlich ebenfalls "nicht zu hoch hängen".
St. Paulis Trainer rügte indes seinen Abwehrchef. "Der Lasse ist zwar ein emotionaler Spieler, trotzdem darf ihm so etwas nicht passieren", sagte Ewald Lienen, der sich ansonsten über die aus seiner Sicht erneute Benachteiligung durch den Schiedsrichter beklagte. "Der Elfmeter war aus meiner Sicht sehr zweifelhaft. Wir haben in dieser Saison schon vier knallharte Elfmeter nicht bekommen." Erstmal in Rage, bekamen auch 1860 und Investor Hasan Ismaik ihr Fett weg. "Diese Geschäftsgebahren hat nichts mit Chancengleichheit zu tun", sagte Lienen mit Blick auf die jüngsten Millionentransfers der Bayern.
Kreuzer auf der Tribüne
Sportlich kam Lienens Gegenüber Runjaic nach einem Duell mit zehn Gelben Karten zu folgendem Schluss: "St. Pauli hat sehr gut gespielt und uns in der ersten Hälfte den Schneid abgekauft." Besonders motiviert auf Münchner Seite war Ivica Olic. Der ehemalige Publikumsliebling des HSV hatte für den Auftritt in seiner einstigen Wahlheimat 20 Karten für Freunde und Verwandte geordert. Der mit 37 Jahren älteste Feldspieler der zweiten Liga hatte auf das Spiel allerdings kaum mehr Einfluss als der frühere HSV-Sportdirektor und 1860-Manager Oliver Kreuzer auf der Tribüne.
Congstar verlängert vorzeitig
Vor dem Spiel gab es bei St. Pauli positive Nachrichten aus wirtschaftlicher Sicht: Hauptsponsor Congstar gab die vorzeitige Verlängerung des Vertrags um zwei Jahre bis 2019 bekannt. Der Kölner Mobilfunk-Anbieter wirbt seit 2014 auf der Brust der Kiezkicker. Außerdem bietet der Club ab sofort in einer eigenen Musikschule im Stadion Unterricht für sozial schwächere Kinder an. "Das ist ein tolles Beispiel für unseren kulturellen und sozialen Anspruch", sagte St. Paulis Präsident Oke Göttlich.
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