Hamburg. Im Vergleich zum Frühjahr 2015 ist das Interesse der Wirtschaft am Kiezclub erheblich gestiegen. Grundsätzlich warnt Rettig jedoch.
Ein Aufstieg direkt von der Vierten in die Zweite Liga bleibt im Sport ein gemeinhin unerfüllbarer Traum. Im Kreis der Sponsoren des FC St. Pauli liegt der Fall etwas anders. Der weltbekannte Jeanshersteller Levi’s ist jetzt nach erst einjähriger Partnerschaft von der Kategorie „Kapitän“ in die Kategorie „Herz von St. Pauli“ geklettert. „Wir haben auf kleiner Flamme begonnen und wollten die Zusammenarbeit jetzt intensivieren. Die sympathische Querköpfigkeit des FC St. Pauli passt zu uns“, sagte dazu am Dienstag Christian Weiss, der für Zentraleuropa zuständige Marketing-Direktor der US-amerikanischen Marke. Auch das Engagement auf St. Paulis sozialer Plattform „Kiezhelden“ soll ausgebaut werden.
Ab sofort gehört Levi’s damit zu den jetzt vier Partnern, die beim FC St. Pauli direkt unterhalb des Hauptsponsors Congstar (1,4 Millionen Euro pro Jahr) und des neuen Ausrüsters Under Armour (1,2 Millionen Euro) angesiedelt sind. Statt bisher weniger als 100.000 Euro fließen von Levi’s jetzt knapp 300.000 Euro auf das Konto des Kiezclubs. Der Vertrag läuft unverändert bis Mitte 2018. Die weiteren Firmen und Marken der Kategorie „Herz von St. Pauli“ sind Astra, Wettanbieter Betway und der Energiedrink „ok.-“. In der Sponsor-Kategorie darunter („Kiezkönig“) befinden sich sieben Firmen, „Kapitän“ sind jetzt noch zehn Unternehmen, und 26 Unternehmen gehören zur Kategorie „Stammspieler“.
Der aus eigenem Antrieb erfolgte Aufstieg von Levi’s innerhalb des Sponsorenpools ist nur ein Indiz dafür, wie sich die Attraktivität des FC St. Pauli für Unternehmen in nur rund 15 Monaten zum Positiven verändert hat. Im Frühjahr 2015 noch hatten Vertreter der Automobilmarke „Mini“ dem Vernehmen nach der Führung des FC St. Pauli erklärt, dass das Image eines Absteigers nicht zu ihrer Marke passen würde und man daher kein Interesse mehr am Sponsoring in der bisherigen Größenordnung habe.
Bekanntlich konnte die Mannschaft des Kiezclubs dank eines Kraftaktes am Saisonende den Klassenverbleib in der Zweiten Liga sichern und sich darauf in der gesamten vergangenen Saison in der Spitze festsetzen. Dieser sportliche Erfolg war auch eine Ursache dafür, dass der FC St. Pauli in den vergangenen Wochen mit Betway, Fritz-Kola und Hella gleich drei neue Sponsoren gewinnen konnte – zu jeweils verbesserten Konditionen gegenüber den vorherigen Partnern aus der jeweiligen Branche.
Aus dem Bereich der Automobil-Industrie hat St. Pauli indes noch keinen neuen Sponsor, was allerdings nicht an mangelnden Angeboten liegt. Vielmehr kann es sich der Club inzwischen leisten, auf verbesserte Offerten zu warten oder sogar – aus ideologischen Gründen – vorerst auf eine Partnerschaft mit einem der klassischen Auto-Konzerne zu verzichten.
„Wir konnten für die neue Saison bereits alle Werbeflächen unserer Fernseh-Bande vermarkten. Von unseren 39 Separées im Stadion haben wir nur noch zwei zu verkaufen, dazu haben wir die niedrigste Kündigungsrate bei den Business-Seats seit sechs Jahren. Insgesamt gehören wir bei den Vermarktungserlösen weiterhin ganz sicher zu den oberen fünf Clubs in der Zweiten Liga“, sagt St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig.
Dabei sind die rund 1,4 Millionen Euro, die der Haupt- und Trikotsponsor Congstar pro Saison an St. Pauli zahlt, eher im Mittelfeld der Zweitligaclubs anzusiedeln. Der Vertrag mit dem Telefon-Anbieter läuft am Ende der anstehenden Saison aus. „Wir würden nichts lieber tun, als mit Congstar zu verlängern“, sagt Rettig. Aufgrund eines Wechsels in der Geschäftsführung bei Congstar wird dies aber noch dauern. Grundsätzlich warnt Rettig: „Wir müssen weiter fleißig sein und dürfen nicht in Bequemlichkeit verfallen.“