Hamburg. Das 1:2 gegen den FC Sevilla kurz vor dem Zweitligastart brachte Trainer Ewald Lienen Erkenntnisse. Doch St. Pauli Vorbereitung hakte.

Es kommt nicht häufig vor, dass sich Spieler einer Profimannschaft nach einer gerade erlittenen Niederlage so zufrieden äußern wie die Akteure des FC St. Pauli nach ihrem 1:2 (1:0) gegen den FC Sevilla im Millerntor-Stadion. In diesem speziellen Fall handelte es sich bei ihren Aussagen allerdings nicht um das Anzeichen eines gefährlichen Realitätsverlustes. Vielmehr hatte die Mannschaft von Cheftrainer Ewald Lienen im insgesamt neunten und letzten Testspiel der Vorbereitungsphase auf die neue Zweitligasaison gegen den Europa-League-Sieger der vergangenen drei Jahre eine zwar nicht atemberaubende, aber durchaus ansprechende Leistung gezeigt.

„Die Mannschaft hatte es nicht verdient, das Spiel zu verlieren“, sagte denn auch Lienen, der grundsätzlich nicht im Verdacht steht, Dinge schönzureden. „Ein Unentschieden wäre ein gerechtes Ergebnis gewesen. Die beiden Gegentore waren völlig unnötig und haben das Spiel nicht widergespiegelt.“

Ein "Krümeltor" brachte St. Pauli die Führung

Tatsächlich verstand es das St.-Pauli-Team vor allem in der ersten Halbzeit, das Kombinationsspiel des hochkarätig besetzten Gegners in der Mitte zu unterbinden. Ansatzweise gefährlich wurde Sevilla nur über die Außenbahnen, ohne wirklich zwingend zu sein. Dass St. Pauli mit seiner zweiten Torchance in Führung ging, war ein Indiz für gesteigerte Effektivität. Es war die Kombination zweier Neuzugänge. Die gute Flanke von dem auf der rechten offensiven Außenbahn aufgebotenen Vegar Eggen Hedenstad nahm Stürmer Aziz Bouhaddouz mit der Brust an und schoss flach ins linke Toreck, wobei der Ball noch den Innenpfosten touchierte. Lienen bezeichnete diesen Treffer zum 1:0 (35. Minute) später augenzwinkernd als „Krümeltor“, weil der Ball nicht mit voller Wucht geschossen wurde. Dafür war der Schuss umso gezielter.

„Wir hätten in der ersten Halbzeit aber auch zwei oder drei Tore schießen können oder vielleicht sogar müssen“, haderte Lienen nach dem Spiel und dachte dabei an die Chancen von Fafa Picault (29.), der den einschussbereiten Hedenstad übersah, sowie von Marc Hornschuh (40.), dessen Schrägschuss knapp über das Tor strich. Eine höhere Führung wäre allerdings angesichts der Spielanteile des Guten zu viel gewesen.

Ewald Lienen: Nicht nur zugucken, sondern mitlaufen!

„Insgesamt haben wir es gegen ein international erfolgreiches Team ganz gut gemacht. Man hat gesehen, dass die gegnerischen Spieler ein sehr hohes Niveau haben. Wir haben leider in der zweiten Halbzeit zwei ganz einfache Tore zugelassen“, fasste Torschütze Bouhaddouz das Spiel treffend zusammen. Die Gegentreffer von Victor Machin Perez (53. Minute) und Joaquin Correa (69.), die letztlich St. Paulis Niederlage bei dieser Generalprobe besiegelten, entsprangen mehreren Fehlern aufseiten St. Paulis. „Diese dürfen so nicht passieren. Das erste Gegentor war eine Fehlerkette. Erst kein Druck auf den Ball, dann lässt Daniel Buballa seinen Gegenspieler laufen, schließlich kommt Robin Himmelmann zu spät heraus und muss deshalb vom Gegner wegbleiben“, beschrieb Lienen die Situation.

„Auch vor dem zweiten Tor muss man sich defensiv anders verhalten und darf bei einem Doppelpass des Gegners nicht einfach zugucken, sondern muss mitlaufen. Es war ja nicht so, dass uns Sevilla ständig ausgespielt hat und wir so unter Druck geraten sind. Aber es zeigt natürlich die Qualität dieser Spieler, dass sie das dann nutzen.“

Fünf Wochen Vorbereitung – aber alles andere als optimal

Eine eher gemischte Bilanz zog der Trainer für die jetzt fünfwöchige Vorbereitungsphase. „Sie ist insgesamt nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben sechs, sieben Spieler, die die Hälfte der Zeit nicht spielen und trainieren konnten. Das ist zu viel. Es ist klar, dass diese Spieler noch Zeit brauchen, um in Top-Verfassung zu kommen. Das ist schade, aber damit müssen wir jetzt leben“, sagte er. Gegen Sevilla fehlten ihm in Ryo Miyaichi, Waldemar Sobota und Cenk Sahin gleich drei offensive Außenbahnspieler, die allesamt Startelf-Kandidaten sind.

Mit dem Rücken zur Wand?

Dennoch überwiegt vor dem ersten Zweitligapunktspiel am kommenden Montag (20.15 Uhr/Sport1 und Sky live) beim Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart die Zuversicht, etwas erreichen zu können. „Stuttgart wird nicht so spielstark wie Sevilla sein. Die müssen sich auch erst noch finden“, sagt etwa Torschütze Bouhaddouz. Und auch der zentrale Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann ist überzeugt: „Auf so ein Kaliber wie den FC Sevilla trifft man nicht jede Woche.“

Der überzeugend auftretende Innenverteidiger Philipp Ziereis sagte unterdessen: „Fußballerisch müssen wir noch zulegen. Wir haben fünf Wochen durchgearbeitet. Jetzt kommt es darauf an, dass wir gut regenerieren und uns in den letzten Trainingseinheiten vor dem ersten Spiel den Feinschliff und das letzte Quäntchen Spritzigkeit holen.“

Trainer Lienen erhörte den berechtigten Wunsch nach Erholung und gab nach dem Ausradeln am Sonntag für diesen Montag und Dienstag frei. Er gab bei aller Zufriedenheit aber auch noch mahnende Worte mit auf den Weg: „Jeder hier muss begreifen, dass die letzte Saison komplett vorbei ist und die Ausgangssituation jetzt schwieriger ist als vor einem Jahr. Jedem muss klar sein, dass wir wieder mit dem Rücken zur Wand stehen.“

FC St. Pauli: Himmelmann – Hornschuh (85. Choi), Sobiech, Ziereis (85. Gonther), Buballa (85. Keller) – Avevor (73. Nehrig), Buchtmann (85. Dudziak) – Hedenstad, Kalla (73. Litka) – Bouhaddouz (73. Empen), Picault (85. Ducksch)