Heidenheim. Die Hamburger verlieren nach einem der schwächsten Saisonspiele 0:2 in Heidenheim. Trainer Lienen überrascht das nicht.

Mit letzter Kraft schleppten sich 14 erschöpfte Profis des FC St. Pauli nach dem Abpfiff in die Ecke zu den knapp 1500 mitgereisten Hamburger Fans, die ihr Team trotz der 0:2-Niederlage beim FC Heidenheim immer noch mit Sprechchören feierten. Die Spieler hatten zum Abschluss dieser englischen Woche – wie schon zuvor bei den Siegen in Duisburg (2:0) und am Millerntor gegen Eintracht Braunschweig (1:0) – alles gegeben, doch dieses Mal hatte alles einfach nicht gereicht. „Es war mir schon vorher klar, dass wir nur mit Kampf allein nicht in acht Tagen drei Partien in Folge gewinnen werden“, sagte Trainer Ewald Lienen, der nicht viel drum herumreden wollte. „Das war eine völlig verdiente Niederlage.“

St. Pauli verliert beim 1. FC Heidenheim

Geprügelte Hunde: Nach dem Spiel traten St. Paulis Profis geknickt vor den Gästeblock
Geprügelte Hunde: Nach dem Spiel traten St. Paulis Profis geknickt vor den Gästeblock © Witters
Eine Niederlage kommt selten allein: St. Paulis John Verhoek musste verletzt vom Platz geleitet werden
Eine Niederlage kommt selten allein: St. Paulis John Verhoek musste verletzt vom Platz geleitet werden © Witters
Kopüfschmerzen bei Daniel Buballa - auch er musste ausgewechselt werden
Kopüfschmerzen bei Daniel Buballa - auch er musste ausgewechselt werden © Witters
Dennis Thomalla steckte sich dagegen den Daumen in den Mund - in der 71. Minute brachte der Stürmer Heidenheim in Führung
Dennis Thomalla steckte sich dagegen den Daumen in den Mund - in der 71. Minute brachte der Stürmer Heidenheim in Führung © Witters
St. Pauli Torhüters Robin Himmelmann sah beim 0:1 nicht sonderlich gut aus
St. Pauli Torhüters Robin Himmelmann sah beim 0:1 nicht sonderlich gut aus © Imago/Eibner
Marc Rzatkowski (l.) bereitete die erste Chance für St. Pauli in Heidenheim vor
Marc Rzatkowski (l.) bereitete die erste Chance für St. Pauli in Heidenheim vor © dpa
Mit Haken und Ösen: St. Paulis Fabrice-Jean Picault (r.) gegen Timo Beermann
Mit Haken und Ösen: St. Paulis Fabrice-Jean Picault (r.) gegen Timo Beermann © dpa
Picault gehörte auch eine der spektakulärsten Szenen in der ersten halbzeit
Picault gehörte auch eine der spektakulärsten Szenen in der ersten halbzeit © Witters
Die beste Chance aber hatte Enis Alushi (l., hier gegen Smail Morabit), der den Ball an den Pfosten setzte
Die beste Chance aber hatte Enis Alushi (l., hier gegen Smail Morabit), der den Ball an den Pfosten setzte © dpa
St. Paulis Fans sorgten auf der Alb wieder für schöne Bilder
St. Paulis Fans sorgten auf der Alb wieder für schöne Bilder © Imago/Eibner
Vor dem Anpfiff stellte St. Paulis Trainer Ewald Lienen noch einmal seine Sprinter-Qualitäten unter Beweis
Vor dem Anpfiff stellte St. Paulis Trainer Ewald Lienen noch einmal seine Sprinter-Qualitäten unter Beweis © Witters
John Verhoek, gegen Braunschweig noch der Matchwinner, musste gegen Heidenheim erst einmal auf der Bank Platz nehmen
John Verhoek, gegen Braunschweig noch der Matchwinner, musste gegen Heidenheim erst einmal auf der Bank Platz nehmen © Imago/Eibner
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Wem dieser Kräfteverschleiß vorher nicht klar gewesen sein sollte, der wurde am Sonntagnachmittag in der Voith-Arena vor 14.000 Zuschauern eines Besseren belehrt. Und wer dennoch erwartet hatte, dass die Hamburger voller Selbstvertrauen ihre Chance auf den Bundesliga-Aufstieg nutzen wollten, sah sich getäuscht. Erste Indizien: Es dauerte geschlagene elf Minuten, ehe sich die Kiezkicker zu einem Angriff entschließen konnten und gar ganze 25, ehe Marc Rzatkowski aus 40 Metern gegen den aufgerückten Heidenheimer Torwart Jan Zimmermann einen ersten Torschuss wagte. Bis dahin hätten die Heidenheimer bereits deutlich führen können, einzig Torhüter Robin Himmelmann unterstrich mit guten Paraden gegen Robert Leipertz (4.) und Sebastian Griesbeck (19.), warum der Heidenheimer Coach Frank Schmidt in ihm einen der „Top-Drei-Torhüter“ der Liga sieht.

St. Pauli zog sich weit in die eigene Hälfte zurück, wartete auf Ungenauigkeiten im Heidenheimer Aufbauspiel, um dann schnell zu kontern, auch über Fafa Picault, der überraschend anstelle des zuletzt zweimal erfolgreichen John Verhoek in der Startelf stand (siehe Bericht unten). Soweit die Theorie, doch der Gegner attackierte von Beginn an derart aggressiv, dass die Hamburger Abwehr gehörig ins Schwimmen geriet.

Erst nach Rzatkowskis Weckruf wachten auch seine Kollegen auf, hatten bei ihren Abschlüssen aber kein Glück. Fast wurde diese kurze Drangphase aber von der Führung gekrönt, doch Enis Alushi traf mit seinem Schuss aus 25 Metern nur den linken Pfosten (31.). Das war es auch schon, mit etwas Glück rettete sich die Lienen-Elf torlos in die Pause.

Doch die 15 Minuten Erholung waren offenbar kontraproduktiv. Nach dem Wechsel stellte St. Pauli das Offensivspiel komplett ein. Daran konnte auch die Einwechslung Verhoeks nichts ändern, der nach einer unglücklichen Aktion nach nur 14 Minuten wieder verletzt vom Platz musste. Seine Kollegen liefen fortan auch in der Defensive viel hinterher und kassierten folgerichtig die zwei Gegentreffer: Himmelmann konnte einen harten Schuss von Leipertz nur mit seinen Fäusten klären, Denis Thomalla war zur Stelle und drosch den Abpraller zum 1:0 ins Tor­eck (71.). „Ich wollte den Ball viel weiter zur Seite abprallen lassen, das ist mir nicht gelungen. Insofern geht der Treffer auch auf meine Kappe“, nahm Himmelmann Mitschuld auf sich.

Die Beine seiner Kollegen wurden nun immer schwerer, und nach einem mustergültigen Konter machte der eingewechselte Bart Finne, mit dessen Verpflichtung sich auch der FC St. Pauli im Winter beschäftigt hatte, mit seinem 2:0 alles klar (81.). „Wir hatten von der ersten Minute an überhaupt keinen Zugriff“, räumte Abwehrchef Lasse Sobiech ein, der nach seinem schweren Infekt in die Startformation zurückgekehrt war. „Normalerweise sind wir stark, wenn wir uns zurückziehen und die Räume eng machen, doch es war für Heidenheim heute ein Leichtes, uns auszuspielen. Das war insgesamt ein kraftloser Auftritt von uns.“

Ein Auftritt, der dann doch ein paar Fragen aufwirft. Schließlich hatte auch der Gegner eine englische Woche in den Beinen. War der eine Tag mehr Regenerationszeit – die Heidenheimer waren bereits am Mittwochnachmittag in Leipzig im Einsatz – so entscheidend? „Ja!“, meinte Lienen. „Außerdem sind wir personell am Limit. Wir mussten in den vergangenen Spielen alles reinwerfen, sind zweimal 119 Kilometer gelaufen und hatten nur wenige Möglichkeiten zu wechseln. Da ist es normal, wenn die Jungs irgendwann nichts mehr zuzusetzen haben und auch die geistige Frische fehlt. Ich kann der Mannschaft nichts vorwerfen.“

Bis zum Spiel am Freitag (18.30 Uhr) gegen Paderborn haben die Kiezkicker nun vier Tage Zeit, um physisch und psychisch aufzutanken. Für Montag hat Lienen seinen Schützlingen freigegeben. Bis zum Freitag muss die Frische zurückgekehrt sein, sonst ist der bei fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz drei jetzt schon in weite Ferne gerückte Aufstieg in die Bundesliga nicht mehr zu verwirklichen. Gegen Paderborn kann unter Umständen auch Mittelfeldspieler Sebastian Maier wieder mitwirken, der nach seinem Muskelfaserriss in dieser Woche ins Training einsteigen soll.