Hamburg. St. Paulis Präsident Göttlich will keine Empfehlung vor dem Referendum an die Mitglieder aussprechen.

Wenn am Sonntag um elf Uhr im Saal zwei des Congress Cen­trums Hamburg die Jahreshaupt­versammlung des FC St. Pauli steigt, halten sich die brisanten Themen in Grenzen. Angesichts der guten sport­lichen Situation und Platz zwei in der Tabelle dürfte die Stimmung bestens sein. Wäre da nicht ein Thema, das mit Fußball nur sehr begrenzt zu tun hat.

Sechs Mitglieder aus den Abteilungen Marathon, Tischtennis und Triathlon haben federführend einen brisanten Antrag gestellt, dass die Verantwortlichen des Kiezclubs eine Empfehlung aussprechen soll, beim Bürgerreferendum am 29. November gegen die Bewerbung Hamburgs um die Olympischen Spiele 2024 zu stimmen und sich öffentlich gegen das Milliardenprojekt auszusprechen. Darüber hinaus wird gefordert, dass sich der Verein nicht an Pro-Olympia-Kampagnen und -Veranstaltungen beteiligt. Das ist bislang auch noch nicht geschehen. Als einziger Hamburger Profiverein nahm St. Pauli bisher an keiner Werbeveranstaltung für das sportliche Großereignis teil. Dennoch nimmt die Führung davon Abstand, eine solche geforderte Empfehlung an seine Mitglieder abzugeben.

Dem Abendblatt liegt ein Brief vom 5. November vor, der an die Partner und Sponsoren des FC St. Pauli verschickt wurde. In dem von Präsident Oke Göttlich und Geschäftsführer Andreas Rettig unterschriebenen Schriftstück steht wörtlich: „Der FC St. Pauli steht auch bei diesem Thema zu Meinungspluralität. Wir als Vereinsführung sind überzeugt, dass unsere Mitglieder in eigener Verantwortung die für sie richtige Entscheidung beim Referendum treffen können.“

Darüber hinaus toleriert die Führung des Vereins auch eine Pro-Olympia-Haltung. „Der FC St. Pauli wird eine neutrale Position zu der Bewerbung einnehmen ... Wir als Verein werden sowohl olympiakritische als auch positive Stimmen zulassen und respektieren beide Positionen“, so der genaue Wortlaut in dem anderthalbseitigen Brief.

Der Verein hat sich in den vergangenen Monaten regelmäßig mit der Bewerbung Hamburgs auseinander­gesetzt, eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und einen Informationsabend für die Mitgliedschaft ausgerichtet. „Hiermit haben wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit geboten, sich umfänglich über die einzelnen Positionen zu informieren“, steht es in dem Brief.

Wie uneinig die Fans bei diesem Thema wirklich sind, offenbarte das Heimspiel am vergangenen Montag gegen Fortuna Düsseldorf. Die Partie, die live im Free-TV übertragen wurde, sollte als Plattform für Aktionen gegen die Bewerbung der Stadt genutzt werden. Umso erstaunlicher war es, dass der Aufforderung zur Meinungskundgebung nur einige wenige Spruchbänder und Banner auf der Gegengerade und der Südtribüne zu sehen waren.

Fakt ist: Das Thema Olympia könnte für Präsident Göttlich und Geschäftsführer Rettig eine erste Machtprobe mit den eigenen Mitgliedern werden. Erst recht, wenn der brisante Antrag der sechs Vereinsmitglieder am kommenden Sonntag bei der Jahreshauptversammlung durchkommen sollte.