Hamburg. St. Paulis Vierfachtorschütze will Versprechen verspätet einlösen. Thy will Spielball veredeln, Aussprache des Nachnamens ist geklärt.

Es sind die schönsten Momente des Sports, wenn ein Athlet ohne jede Vorwarnung von einem Tag auf den anderen zum Helden wird. Um einen solchen Aufstieg ranken sich dann auch immer wieder skurrile Geschichten, die im Normalfall bestenfalls eine Randnotiz wären. Nicht anders war es am Montagabend, als Lennart Thy alle Tore zum 4:0-Heimsieg des FC St. Pauli gegen Fortuna Düsseldorf erzielte.

Ein Thema war plötzlich, wie Thy an diesem Abend seine Fußballhose trug. „Ich habe ihm geraten, sie ein kleines Stück höher als bisher zu ziehen, damit er seine Power und Athletik noch besser auf den Platz bringen kann“, erzählte am Dienstag St. Paulis Athletiktrainer Janosch Emonts. „Die Knie-Hebung und -Streckung sind besser, wenn sie nicht durch ein Kleidungsstück behindert werden“, erläuterte er weiter. Thy bestätigte dies. „Ich habe die Hose vorher ein bisschen im Baggy-Style getragen“, erzählte er schmunzelnd. Janosch Emonts aber wollte die „paar Zentimeter Unterschied“ nicht als entscheidende Ursache für Thys Viererpack bewertet sehen. „Lenny hat die vier Tore geschossen, weil er ein guter Fußballer ist, und weil die ganze Mannschaft ihm dies ermöglicht hat“, stellte er sachlich klar.

Thy konnte nur noch mit dem Kopf schütteln

Für den 23 Jahre alten Thy war der Abend die bisherige Sternstunde seiner Profikarriere. Ein einziges Tor hatte der Stürmer zuvor in dieser Saison gerade einmal erzielt – es war immerhin der Siegtreffer in Leipzig. Jetzt stehen plötzlich insgesamt fünf Treffer auf seinem Konto, womit er schon seinen bisherigen persönlichen Rekord für eine gesamte Spielzeit eingestellt hat. Allein daraus wird schon deutlich, dass der ungemein laufstarke und fleißige Thy bisher nicht gerade als eiskalter Torjäger vom Stile eines Robert Lewandowski auffällig geworden ist.

Von der eigenen Torflut war Thy dann auch selbst so überwältigt, dass er nach seinem Treffer zum 4:0-Endstand gar nicht mehr richtig jubelte, sondern nur leicht kopfschüttelnd lachte. „Ich konnte es selbst kaum glauben. Aber an so einem Tag läuft eben alles“, sagte er.

Nach dem Abpfiff sicherte er sich auch einen der im Spiel benutzten Bälle. „Ich habe ihn mit nach Hause genommen und jetzt wieder mitgebracht, damit alle anderen noch darauf unterschreiben“, berichtete er am Dienstag. Daheim werde das Spielgerät einen Ehrenplatz erhalten.

Thy lässt Einlaufkind stehen

Sein 19 Jahre alter Stürmerkollege Nico Empen wies Thy allerdings auch auf ein Versäumnis hin. Beim Einlaufen vor dem Spiel hatte er Fynn, dem Jungen an seiner Hand, versprochen, ihm nach dem Spiel sein Trikot zu schenken. Dies vergaß Thy später bei all den Feierlichkeiten vor den Fans und den zahlreichen Interviews, die er zu geben hatte. Per Facebook meldete sich Fynn tags darauf zu Wort. „Wenn du wieder einen Glücksbringer brauchst, dann melde dich bei mir“, schrieb er. Thy versprach umgehend, dem jungen Fan das versprochene Trikot alsbald zukommen zu lassen.

Einen neuen Lieblingssänger hat Lennart Thy seit dem denkwürdigen Montagabend auch noch. Die Fans feierten ihn mit „Ti amo“, dem alten Gassenhauer von Howard Carpendale. Vor allem für alle Stadionsprecher sowie Fernseh- und Rundfunkreporter, die Thy bisher auch gern schon mal mit „Tai“ oder „Tü“ bezeichneten, dürfte dieser Schlager nun eine geeignete Eselsbrücke für die kommenden Jahre sein. Allen angeblichen Angeboten zum Trotz kann sich Thy eine Vertragsverlängerung über den kommenden Sommer hinaus sehr gut vorstellen. „Unsere Entwicklung spricht für sich. Das ist ein gutes Zeichen, um hier zu bleiben.“

So völlig ungeahnt kam Thys Torflut übrigens doch nicht. Nicole Friedel, beim FC St. Pauli im kaufmännischen Bereich tätig, hatte im internen Tippspiel der Geschäftsstelle ein 4:0 vorhergesagt und unter der Rubrik Torschützen „4 x Thy“ aufgeschrieben – was für eine Eingebung. „Frau Friedel, als nächstes bitte die Lottozahlen. Danke!“, lautete am Dienstag der Kommentar des FC St. Pauli bei Twitter.