Hamburg. Geschäft mit RB Leipzig spült rund vier Millionen Euro in die Kassen des FC St. Pauli. Hornschuh und Picault kommen.

Es genügte ein Blick ins Gesicht von Thomas Meggle, um zu erahnen, wie viel oder besser wie wenig Schlaf er in den vergangenen Tagen bekommen hatte. Kurz vor dem Ende der Transferperiode überschlugen sich beim FC St. Pauli die Ereignisse. Am Montag wurde offiziell, was bereits am Wochenende gemutmaßt wurde: Linksverteidiger Marcel Halstenberg wechselt mit sofortiger Wirkung zum Liga-Rivalen RB Leipzig. Dort unterschrieb der Defensivspieler einen Vierjahresvertrag. Um kurz nach zehn Uhr fuhr Halstenberg an der Kollaustraße vom Hof, nachdem er sich von seinen alten Teamkollegen verabschiedet hatte. Das Kapitel St. Pauli war damit für ihn endgültig beendet.

Bei den Fans am Trainingszentrum wurde kontrovers diskutiert. War es richtig, den Leistungsträger abzugeben? Hätte man auf das Geld verzichten sollen? Fakt ist: Der Wechsel von Halstenberg bedeutet für den Kiezclub eine enorme Einnahme. Die Ablösesumme soll sich auf knapp vier Millionen Euro belaufen. Definitiv ist es der teuerste Verkauf der Vereinsgeschichte. Seit Monaten wurde der schussstarke Linksfuß aus der ersten und zweiten Liga umworben. St. Pauli versuchte seit dem Trainingslager im Winter in Belek den Vertrag von Halstenberg zu verlängern – vergebens. „Ich kann niemanden mit der Pistole zwingen, einen Vertrag beim FC St. Pauli zu unterschreiben. Dass jemand nicht verlängern möchte, ist ein ganz normaler Vorgang im Fußball“, sagte Meggle, der in den vergangenen Tagen vermehrt Anfragen für den torgefährlichen Linksverteidiger erhalten hatte.

Leipzig war am Ende jedoch der einzige Club, der die Forderungen von St. Pauli erfüllen wollte und konnte. „Es wäre unvernünftig gewesen zu sagen, er bleibt noch ein Jahr bei uns und wechselt dann ablösefrei. Uns ist klar, dass wir keinen Spieler mit der Qualität von Halstenberg bekommen“, gibt Meggle offen zu, rechtfertigt aber den Transfer des Leistungsträgers. „Es wird nicht die gesamte Summe in den sportlichen Bereich investiert. Wir haben auch Strukturprojekte vor der Brust“, sagte Meggle. Durch die schlechte Platzierung der Vorsaison muss St. Pauli zudem auf rund eine Million Euro TV-Gelder verzichten.

Zudem sollen perspektivisch neue Trainingsplätze an der Kollaustraße entstehen. „Diese Transferperiode war davon geprägt, Spieler abzugeben, um überhaupt einen Euro freizumachen für neue Profis. Jetzt ist die Situation etwas leichter. Wir können einiges auf gesunde Beine stellen“, sagte Meggle, dem es kurz vor der Schließung des Transferfensters auch gelang, Stürmer Ante Budimir zu transferieren. Der Kroate, mit einer Million Euro Ablöse der zweitteuerste Spieler der Vereinsgeschichte, soll sich beim italienischen Zweitligaclub FC Crotone neues Selbstvertrauen holen. Der 24-Jährige, seit seinem Wechsel im Sommer 2014 noch ohne Tor in der Zweiten Liga, wurde für ein Jahr ausgeliehen und soll im Sommer 2016 ans Millerntor zurückkehren. „Wir sehen Potenziale bei Ante. Er ist immer herzlich willkommen bei uns, weil er ein feiner Mensch ist. Er soll spielen, den Kopf freikriegen, Tore schießen und dann einen Neustart bei uns machen“, sagte Meggle, der indes nicht nur als Verkäufer, sondern auch Einkäufer aktiv war.

Am Vormittag gab der Verein bekannt, dass Marc Hornschuh nach Hamburg kommt. Der 24 Jahre alte Abwehrspieler vom FSV Frankfurt unterschrieb einen Vertrag bis 2016, der zudem eine Option beinhaltet. Durch die Ausfälle von Kapitän Sören Gonther und Jan-Philipp Kalla (beide Muskelverletzungen) fehlte es Trainer Ewald Lienen zuletzt an Alternativen im Defensivverbund. „Es war unser Ziel, noch einen weiteren Innenverteidiger zu verpflichten. Das ist uns mit dem Transfer von Marc gelungen. Er ist ein talentierter Spieler, der bei uns die Gelegenheit bekommt, sich weiter auf Zweitliganiveau zu entwickeln“, sagte Meggle. Bereits im Frühjahr hatte St. Pauli den Abwehrspieler auf dem Zettel, damals zögerte Hornschuh jedoch mit der Zusage, da die Ligazugehörigkeit des Kiezclubs noch unklar war. Deshalb wechselte der ehemalige U21-Nationalspieler von Borussia Dortmund zunächst zum FSV Frankfurt, wo er aber unter Neu-Trainer Tomas Oral keine Rolle spielte. „Ich freue mich sehr darüber, dass ich beim FC St. Pauli die Chance bekomme, mich in der 2. Liga zu beweisen. Ich bin hoch motiviert und freue mich auf diesen tollen Club“, sagte Hornschuh.

Bis zum Ende der Transferperiode um 18 Uhr fahndete Meggle am Montag fieberhaft nach weiterer Verstärkung. Im Laufe dieses Dienstags soll der Wechsel von Offensiv-Allrounder Jean-Fabrice „Fafa“ Picault, 24, von Sparta Prag perfekt gemacht werden. Eine grundsätzliche Einigung mit dem Haitianer, der Anfang August ein Probetraining bei St. Pauli absolviert hatte, wurde bereits erzielt. Lediglich die Formalitäten zwischen dem tschechischen Verband und der Deutschen Fußball-Liga waren noch nicht schriftlich fixiert.

Dann kann Thomas Meggle endlich durchatmen. Bei der Einschulung seiner Tochter am Dienstag wird der 40-Jährige damit beginnen, die erste Sommer-Transferperiode seiner noch jungen Karriere als Sportdirektor zu verarbeiten.