Der FC St. Pauli hat nur noch fünf Spieler, die länger als zwei Jahre im Verein sind. Japaner Miyaichi soll kommen.

Der Abschied von verdienten Spielern ist beim FC St. Pauli schon immer ein sehr emotionales Thema gewesen. Als vor zwei Jahren Florian Bruns und Marius Ebbers für einen Neuaufbau weichen mussten, schlug dies bei den Fans hohe Wellen. Dies war aber vergleichsweise noch harmlos gegenüber dem Sturm der Entrüstung, den vor gut einem Jahr der damalige Trainer Roland Vrabec auslöste, als er den nach langer Verletzungspause genesenen und vor dem Karriereende stehenden Kapitän Fabian Boll für ein Heimspiel nicht berücksichtigte. Vrabec verlor damals so viel an Ansehen, dass seine Beurlaubung vier Monate später ehr mit Freude zur Kenntnis genommen wurde.

In diesem Sommer nun mussten oder wollten gleich fünf Spieler, die drei oder mehr Jahre beim FC St.Pauli unter Vertrag standen, den Kiezclub verlassen – so viele Etablierte auf einmal wie seit Jahren nicht mehr. Angesichts dessen war es auf den ersten Blick nicht ungeschickt, dass die Clubführung die obligatorische Abschiedszeremonie auf zwei Etappen verteilt hat. Vor dem letzten Zweitliga-Heimspiel der abgelaufenen Saison gegen Bochum (5:1) erhielten auf dem Rasen des Millerntor-Stadions Dennis Daube (sieben Jahre im Kader), Philipp Tschauner (vier Jahre) und Florian Kringe (drei Jahre) ihre Reden, Geschenke und Händedrücke zum Abschied. Voraussichtlich vor dem Testspiel gegen Rayo Vallecano am 18. Juli wird diese Ehre auch den bisherigen Publikumslieblingen Sebastian Schachten (vier Jahre) und Markus Thorandt (sechs Jahre) zuteil werden – sofern beide dann Zeit dafür haben.

„Ich hätte mich gefreut, wenn ich mich auch schon beim letzten Heimspiel von unseren Fans hätte verabschieden dürfen“, sagte Sebastian Schachten, 30, kürzlich im Abendblatt. „Es stand doch schon länger fest, dass es hier für mich nicht weitergehen soll“, sagte der Außenverteidiger weiter, der selbst gern weiter für St. Pauli gespielt hätte und jetzt den Schweizer Erstligisten FC Luzern als neuen Arbeitgeber gefunden hat, bei dem Roland Vrabec als Co-Trainer tätig ist.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wie die St.-Pauli-Fans reagiert hätten, wenn vor dem Heimspiel gegen Bochum nicht nur drei sondern gleich fünf altbekannte und überwiegend beliebte Akteure verabschiedet worden wären, zumal bis dahin der Öffentlichkeit verschwiegen worden war, dass Schachten in den Planungen keine Rolle mehr spielt.

Im Kader für die kommende Saison werden, das steht jetzt fest, nur noch fünf Akteure stehen, die jetzt länger als zwei Jahre dem Profikader des FC St. Pauli angehören. Namentlich sind dies Torwart Robin Himmelmann, Innenverteidiger und Kapitän Sören Gonther (beide seit Juli 2012), Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann (August 2012), Stürmer Lennart Thy (Juli 2012) und schließlich – als mit weitem Abstand dienstältester Spieler – Defensiv-Allrounder Jan-Philipp Kalla, der seit 2003 beim Kiezclub spielt und am 12. Mai 2006 sein Profi-Debüt feierte.

Mit ein wenig gutem Willen kann auch Ersatztorwart Philipp Heerwagen dieser kleinen Gruppe zugerechnet werden. Er war schon von Januar bis Mai 2012 bei St. Pauli und kehrte im September 2013 hierher zurück.

Dennoch hat es im Profikader des FC St. Pauli seit Jahren nicht mehr so wenige Spieler gegeben, die mehr als zwei Jahre dabei sind. Erschwerend kommt hinzu, dass es von den sieben im Sommer 2013 vom damaligen Sportchef Rachid Azzouzi verpflichteten Neuzugängen bis heute fast keiner geschafft hat, sich in die Herzen der Anhänger zu spielen. Eine Rolle als Identifikationsfigur ist derzeit weder den zum Verkauf stehenden Christopher Nöthe und John Verhoek noch Sebastian Maier, Philipp Ziereis und Marc Rzatkowski zuzutrauen. Schon eher könnte man sich dies aufgrund seiner Bodenständigkeit und kämpferischen Spielweise bei Marcel Halstenberg vorstellen. Ausgerechnet er aber ist von anderen Clubs begehrt und scheint mit einem Wechsel zu liebäugeln.

Wie schnell man die Herzen der Fans gewinnen kann, hat unterdessen Lasse Sobiech schon zweimal innerhalb nur einer Saison bewiesen. Und das zuletzt sogar als Leihgabe des Lokalrivalen HSV. Es ist allerdings höchst fraglich, ob es Sportchef Thomas Meggle, als Spieler einst selbst eine Identifikationsfigur am Millerntor, gelingt, Sobiech für eine vertretbare Ablösesumme vom HSV loszueisen und ihn für ein weiteres Engagement bei St. Pauli zu begeistern.

„Es ist gerade beim FC St. Pauli wichtig, Spieler im Kader zu haben, die von den Zuschauern angenommen werden“, weiß auch Meggle. Der Sportchef weist aber auch darauf hin, dass die Mannschaft in der vergangenen Saison auch mit den jetzt verabschiedeten „Typen“ fast abgestiegen wäre.

„Es geht auch darum, Platz für Neues zu schaffen. Wir haben auch jetzt immer noch eine Reihe von Spielern, die Identifikationsfiguren sind und die das Zeug dazu haben, in diese Rolle hineinzuwachsen. Hinzu kommt, dass im Kader für die neue Saison rund ein Drittel der Spieler aus dem Hamburger Raum kommt“, verteidigt Meggle seine Personalpolitik.

Einen aufsehenerregenden Coup scheint er bereits gelandet zu haben. Laut englischen Medienberichten hat der Verein den japanischen Stürmer Ryo Miyaichi vom FC Arsenal London verpflichtet. Der 22 Jahre alte Linksaußen habe sich demnach mit St. Pauli auf einen Drei-Jahres-Vertrag geeinigt. Miyaichi war in der vergangenen Saison an Twente Enschede ausgeliehen.